"Wir arbeiten an der Belastungsgrenze"

Trier · Das Trierer Landgericht hat einen neuen Präsidenten. Thomas Henrichs (51) ist neuer Chef. Am Dienstag wird der gebürtige Saarländer, der seit März im Amt ist, offiziell eingeführt. Der TV sprach vorab mit ihm.

 Das Trierer Landgericht hat nach zwei Jahren einen neuen Chef. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Das Trierer Landgericht hat nach zwei Jahren einen neuen Chef. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Im Juli 2013 ging der damalige Landgerichtspräsident Wolfgang Krämer in Ruhestand. Um die Nachfolge hat es etliche Querelen gegeben. Gegen einen zunächst vom damaligen Justizminister ins Auge gefassten Kandidaten gab es eine erfolgreiche Klage eines Konkurrenten. Die Stelle musste erneut ausgeschrieben werden. Auch dabei kam es zu einer Konkurrentenklage, die aber nicht erfolgreich war. Unser Redakteur Bernd Wientjes sprach mit dem neuen Landgerichtspräsidenten Thomas Henrichs.

Seit fast zwei Jahren war das Trie rer Landgericht ohne Präsidenten. Es gab gerichtliche Auseinandersetzungen um die Besetzung des Postens. Auch Sie konnten erst nach Trier kommen, nachdem das Verwaltungsgericht grünes Licht für die Ernennung gegeben hat. Wie sehr schadet ein solches Gerangel dem Amt?
Thomas Henrichs: Ich wurde durch ein Wahlverfahren zum Präsidenten. Der Richterwahlausschuss und der Justizminister haben sich für mich entschieden. Ich bin also nicht durch einen Gerichtsbeschluss zum Präsidenten des Landgerichts geworden. Konkurrentenstreitverfahren, bei denen Besetzungsverfahren gerichtlich überprüft werden, kann es immer wieder geben. Die lange Vakanz hier in Trier war natürlich bedauerlich. Das bedeutete, dass Mehrarbeit für andere hier angefallen ist, was aber vorbildlich von allen geschultert wurde. Insofern hat das längere Warten auf einen neuen Präsidenten dem Haus und dem gesamten Landgerichtsbezirk letztlich nicht geschadet.

Was sind eigentlich die Aufgaben eines Landgerichtspräsidenten?
Henrichs: Auch ein Landgerichtspräsident ist Richter und muss Recht sprechen. Ich bin Vorsitzender der Ersten Zivilkammer, die zuständig ist für alle Berufungsverfahren der Amtsgerichte in unserem Bezirk. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt natürlich im Bereich der Justizverwaltung. Ich bin zum einen der Dienstherr aller Richter sowie aller Mitarbeiter des Landgerichts, ich bin aber auch Dienstherr der Richter an den Amtsgerichten im Landgerichtsbezirk Trier.

Aber welchen Handlungsspielraum hat ein Landgerichtspräsident denn überhaupt?
Henrichs: Wenn es um den Umfang des Personals geht, ist der Handlungsspielraum eher gering. Ich kann zwar Bedarf anmelden, aber wenn die Personalobergrenze erreicht ist, können keine zusätzlichen Stellen besetzt werden. In der Regel werden aber freiwerdende Stellen schnell wieder besetzt.

Trotzdem gibt es aber doch Personalmangel vor allem bei den Richtern, oder?
Henrichs: Wir haben insgesamt eine angespannte Personalsituation, vor allem bei den Rechtspflegern. Unsere Personaldecke erfordert oft einen großen persönlichen Einsatz und Arbeitsdisziplin, auch bei den Amtsgerichten. Dort arbeiten ebenso engagierte wie hoch motivierte Mitarbeiter. Auf der anderen Seite haben wir aber das Problem, dass in den vergangenen Jahren massiv Personal abgebaut wurde, seit 2013 wurden und werden bis zum Jahresende landesweit insgesamt 40 Richterstellen abgebaut. Allein hier in Trier bräuchten wir derzeit knapp drei Richter mehr, um eine volle Bedarfsdeckung zu erreichen. Die Kollegen wie auch die sonstigen Bediensteten arbeiten daher alle an ihren Belastungsgrenzen.

Das führt doch auch zu langen Verfahrensdauern. Was kann, was muss dagegen getan werden?
Henrichs: Ein Zivilverfahren am Amtsgericht dauert durchschnittlich viereinhalb Monate. Das ist schnell. Und das vor dem Hintergrund, das pro Amtsgericht im Schnitt jährlich 580 Verfahren bearbeitet werden. Das bedeutet, dass dort pro Arbeitstag zwei Verfahren erledigt werden. Bei den Landgerichten dauert es in der Regel etwas länger, rund neun Monate. Da sind die Verfahren auch häufig etwas komplexer. Bei den Strafsachen beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer bei den Amtsgerichten vier und beim Landgericht sechs Monate. Und das vor dem Hintergrund der angespannten Personalsituation. Mir ist kein Verfahren bekannt, in dem es zu einer Entschädigung aufgrund einer extrem langen Verfahrensdauer gekommen wäre.

Ein Mittel der Verfahrensbeschleunigung bei Strafsachen sind ja immer wieder die umstrittenen Deals, als die Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Wie stehen Sie dazu?
Henrichs: Die Verfahrensabsprache ist durch das Bundesverfassungsgericht abgesegnet und der Gesetzgeber hat Vorgaben für die Verfahrensabsprache in der Hauptverhandlung gemacht. Dadurch soll verhindert werden, dass der Eindruck entsteht, im Hinterstübchen, außerhalb der Öffentlichkeit, werden Urteile gefällt. Trotzdem hängt sogenannten Deals in der Öffentlichkeit immer noch an, dass gemauschelt wird. Ich bin der Meinung, dass Strafverfahren grundsätzlich so gestaltet und Gerichte so ausgestattet werden sollten, dass man ohne den Deal auskommen kann.

Der Richtermangel und die Arbeitsbelastung werden ja auch immer wieder vom Deutschen Richterbund angemahnt. Sie sind Mitglied im Präsidium dieser Interessenvertretung. Werden Sie auch als Landgerichtspräsident künftig weiter die Missstände in der rheinland-pfälzischen Justiz kritisieren?
Henrichs: Ich habe immer die Positionen des Richterbundes mit vertreten. Das werde ich im Fall von Missständen auch weiterhin tun, auch als Landgerichtspräsident.

Ihr Vorgänger hat 2006 nach der Renovierung des Landgerichts in einigen Sälen keine Kreuze mehr aufhängen lassen. Werden Sie die Kreuze wieder aus dem Keller holen?
Henrichs: Ich hatte bereits ein Gespräch mit dem Trierer Bischof, da war die sogenannte Kreuzaffäre kein Thema. Ob Kreuz im Gerichtssaal oder nicht: Wichtig ist, dass wir bei unserer Rechtsprechung christliche Werte transportieren. Dazu gehören, gegenseitiger Respekt und die Menschen vorurteilsfrei zu behandeln. wieExtra

Thomas Henrichs, geboren 1964 in Völklingen, ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt in Koblenz. Nach dem Jura-Studium in Saarbrücken und in Speyer begann er 1993 bei der Staatsanwaltschaft in Koblenz. Danach wurde er Richter am Landgericht Koblenz, 2006 war er Direktor des Amtsgerichts Cochem bevor er 2009 in das Justizministerium nach Mainz wechselte. Zuletzt war er Richter am Oberlandesgericht Koblenz, seit März 2015 ist er Präsident des Landgerichts Trier. wieExtra

Am Trierer Landgericht arbeiten 25 Richter und 75 weitere Mitarbeiter. 2014 gingen 1626 Zivilverfahren beim Landgericht ein und 245 Berufungen in Zivilverfahren. Im gleichen Jahr sind 91 Strafverfahren beim Landgericht eingegangen und 207 Berufungsverfahren vor dem Strafgericht. Zum Landgerichtsbezirk Trier gehören acht Amtsgerichte (Bernkastel-Kues, Bitburg, Daun, Hermeskeil, Prüm, Saarburg, Trier und Wittlich), an denen 49 Richter tätig sind. wie

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