"Wir geben den Opfern ihre Namen wieder"

Saarburg · 32 Schicksale, 32 Steine: Die Arbeitsgruppe "Stolpersteine in Saarburg" arbeitet Geschichte auf und will an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Für diese Menschen verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig am 30. August an sieben Stellen in Saarburg Stolpersteine. Dort haben Mitglieder der Arbeitsgruppe nun in einer Stadtführung über ihre Recherchen informiert.

 Auf der St.-Laurentius-Brücke hat Edith van Eijck (Vierte von links) viel zu berichten: Sie hat mit ihren Mitstreitern zwei Jahre recherchiert, um mehr Licht in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte zu bringen.TV-Foto: Karin Pütz

Auf der St.-Laurentius-Brücke hat Edith van Eijck (Vierte von links) viel zu berichten: Sie hat mit ihren Mitstreitern zwei Jahre recherchiert, um mehr Licht in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte zu bringen.TV-Foto: Karin Pütz

Saarburg. "Da haben Juden gewohnt." Das erzählen Zeitzeugen, die den Krieg miterlebt haben, wenn sie an bestimmten Häusern in Saarburg vorbeigehen. An die Namen der Bewohner kann sich aber kaum noch jemand erinnern. Edith van Eijck, Simone Thiel und Alfred Jager von der Arbeitsgruppe "Stolpersteine in Saarburg" im Verein Offene Jugendarbeit Saarburg möchten das ändern. Fast zwei Jahre lang haben sie recherchiert. "Es geht bei den Stolpersteinen darum, den Menschen ihre Namen zurückzugeben", sagt Edith van Eijck. Sie informiert bei einer kostenlosen Führung Interessierte über ihre Erkenntnisse und ihr Vorhaben. Denn bald soll es in Saarburg 32 Stolpersteine geben. Der Künstler Gunter Demnig hat europaweit bereits mehr als 35 000 Stolpersteine verlegt, auf denen Namen und Todesdatum von Nazi-Opfern eingraviert sind. Sie erinnern vor den letzten Wohnhäusern der Ermorderten an deren Schicksal.
Anschaulich erzählt Edith van Eijck (62) von diesen Schicksalen. Es sind Geschichten von Juden, die zwischen 1938 und 1945 von den Nazis vertrieben oder ermordet wurden. Zu der öffentlichen Führung, deren erste Station die Sparkasse Beurig war, hatten sich fast 30 Personen eingefunden. "Niemand, der heute in den insgesamt sieben Häusern wohnt, ist Nutznießer des Nazi-Regimes", sagt van Eijck. Dies zu betonen liege ihr am Herzen.
Detailliert führt sie vor jedem Haus die Geburtsdaten der ehemaligen Bewohner auf, nennt die Verbrechen, durch die die Familien Meyer, Levy, Joseph, Kahn, Königsfeld und Wolf zerstört wurden. Sie kennt die Daten von Deportation und Ermordung. Nicht nur Berge von Akten hat sie mit Simone Thiel und Alfred Jager gewälzt, um die Schicksale der Familien zu recherchieren. Auch der Kontakt mit einer Enkelin der Meyers, die heute in den Niederlanden lebt, konnte viel zur Aufklärung beitragen.
Edith van Eijck berichtet von schrecklichen Dingen. Ganze Familien starben in Gaskammern und Arbeitslagern. Deportierte wurden mit Abgasen vergiftet, die während des Transports ins Innere der Lastwagen geleitet wurden.
Die Teilnehmer der Führung sind betroffen, schütteln die Köpfe. "Wie kann man Menschen so etwas antun", spricht ein älterer Herr aus, was alle denken. "Wie perspektivlos das Leben für diese Menschen war, wird einem erst klar, wenn man die einzelnen Schicksale sieht", sagt Edith van Eijck.
Die zweistündige Tour führte von Beurig aus über die St.-Laurentius-Brücke auch zur Graf-Siegfried-Straße 28. Dort hatten einst die drei jüdischen Geschwister der Familie Wolf eine Gaststätte. Deutsche Soldaten waren dort gern eingekehrt. Einen Tag nach der Pogromnacht, am 10. November 1938, besuchten die Soldaten die Geschwister jedoch nur, um sie aus dem Haus zu zerren, sie zu misshandeln, zu demütigen und das Inventar zu zerschlagen. Das Anwesen musste aufgegeben werden.
Bis 1943 lebten die Wolfs in einer Trierer Zwangsunterkunft und fanden im Alter von 41, 42 und 49 Jahren in einer Gaskammer in Auschwitz den Tod. Zur Erinnerung und Mahnung werden ihre drei Stolpersteine am 30. August vor der Tür ihres ehemaligen Hauses verlegt. Heute befindet sich dort ein China-Restaurant.
Edith van Eijck freut es besonders, dass sich auch junge Menschen für das Thema interessieren: Schüler der Klassen 10 und 11 des Saarburger Gymnasiums haben sich im Projekt eingebracht und gründlich recherchiert. Die von ihnen ausgearbeiteten Lebensläufe werden im Rahmen des Kultursommers ab dem 30. August in der Glockengießerei in Saarburg zu sehen sein.Extra

Finanziert wird die Aktion Stolpersteine für Saarburg ausschließlich durch Spenden, staatliche Zuschüsse gibt es nicht. Jeder Stein kostet 120 Euro, Patenschaften können übernommen werden. Aber auch Spenden für Porto- und Telefonkosten sowie Gebühren für Recherchen bei Hinterbliebenen, Zeitzeugen und Ämtern sind willkommen. Kontonummer 0170075246 bei der Sparkasse Trier BLZ 585 501 30. Weitere Informationen, auch zu den einzelnen Schicksalen, im Internet unter www.saarburg-stolpersteine.de kap

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