"Wir Grüne haben den Ring-Ausbau immer kritisiert"

Mainz · Die Fehler am Nürburgring seien Fehler der Vergangenheit, betont Daniel Köbler, Fraktionschef der Grünen im Landtag, im TV-Interview. Seine Partei habe die finanziellen Abenteuer stets kritisiert - und hart gearbeitet, um die chaotischen Verhältnisse zu ordnen.

Mainz. Die EU-Kommission wird höchstwahrscheinlich nächste Woche dem Verkauf des Nürburgrings an den Autozulieferer Capricorn zustimmen. Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler sieht das als wichtigen Schritt für die Zukunft, sagt er im Interview mit TV-Redakteur Frank Giarra.Herr Köbler, sind Sie enttäuscht vom Koalitionspartner SPD?Daniel Köbler: Warum?Wenn man das neue Gutachten des Rechnungshofs zum Zukunftskonzept 2010 liest, könnte das doch sein.Köbler: Wir Grüne haben die völlig überdimensionierten Investitionen am Nürburgring immer kritisiert. Wir haben stets gewarnt, dass sie sich am Ende nicht tragen werden und dass der Steuerzahler damit belastet wird. Damit sind wir auch in den Landtagswahlkampf 2011 gezogen. Von daher ist der Rechnungshof-Bericht einige Jahre später im Prinzip die Bestätigung.Es stehen aber auch Dinge drin, die man so nicht vermutet hätte. Zum Beispiel werden aktuellen Regierungsmitgliedern wie Finanzminister Carsten Kühl Fehler vorgehalten.Köbler: Die politische Fehlentscheidung war der gigantische Ausbau 2009. Nach der gescheiterten Privatfinanzierung haben wir gewarnt, dass auch das neue Modell wirtschaftliche Risiken birgt.Das Zukunftskonzept 2010?Köbler. Genau. Mit dieser Auffassung sind wir in die Koalitionsverhandlungen gegangen und haben durchgesetzt, dass so etwas nicht wieder vorkommt, dass eine andere Politik gemacht wird, die keine Abenteuer bei Großprojekten mehr eingeht.Glauben Sie, dass die Rolle der Grünen so in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird?Köbler: Wir tragen keine Verantwortung für die Fehler, die am Nürburgring passiert sind, weil das vor unserer Zeit war. Wir haben aber die Verantwortung dafür, die richtigen Weichen zu stellen. Und die nehmen wir wahr.Was meinen Sie damit genau?Köbler: Heute belastet der Nürburgring den Steuerzahler nicht mehr weiter. Wir haben die Dauersubventionen für den Ring und andere Projekte abgestellt. Statt auf Großprojekte in Beton wird auf Nachhaltigkeit gesetzt, in strukturschwachen Regionen etwa durch die Energiewende. Wir haben auch dafür gesorgt, dass mehr Transparenz herrscht. So sind die Landesgesellschaften überprüft worden, es gibt dort jetzt einen Corporate-Governance-Kodex.Was heißt das?Köbler: Dass es verbindliche Verhaltensregeln für Landesgesellschaften und Aufsichtsräte gibt.Was haben die Grünen noch bewirkt?Köbler: Wir haben einen Wirtschaftlichkeitsbeauftragten installiert und bringen gerade das Transparenzgesetz auf den Weg, so dass das Regierungshandeln für den Bürger öffentlich wird. Es ist also ein Bündel von Maßnahmen seit unserem Regierungsantritt 2011, durch das eine völlig andere Politik gemacht wird.Was machen Sie denn mit dem Rechnungshofbericht, der heute im Landtag zur Debatte steht?Köbler: Wir gucken uns an, welche Hinweise er uns gibt und was wir daraus ableiten können.Es gibt eine erste Rücktrittsforderung an Finanzminister Kühl. Wie stehen Sie dazu?Köbler: Wir haben die Kritik vor der Landtagswahl geäußert. Der Wähler hat klipp und klar gesagt, er will eine andere Politik. Wir haben die Wahl gewonnen, die SPD hat Einbußen gehabt. In diesem Lichte haben wir einen Koalitionsvertrag geschlossen und die Grenzen gezogen.Sie weichen aus.Köbler: Das Entscheidende ist, dass man die inhaltlichen Konsequenzen weiter zieht.Also keine personellen?Köbler: Die Verantwortung für die Fehler liegt bei der alten SPD-Landesregierung. Aber unser Job ist jetzt nicht, die Diskussionen von 2010 zu wiederholen, sondern die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wir haben da einiges gemacht. Der Rechnungshof zeigt auf, was man noch machen kann.Was denn?Köbler: Es gibt Hinweise, wie man Aufsichtsräte von Landesgesellschaften weiter stärken kann. Dass diese sich etwa noch stärker auf Expertisen berufen können. Es gibt auch Hinweise darauf, wie wir die Rechte des Parlaments bei der Landeshaushaltsordnung ausweiten können, so dass nicht wieder wie in der letzten Wahlperiode Dinge aus dem Ruder laufen können.Haben Sie keine Angst, dass Sie für die Verluste der Steuerzahler am Ring mitverhaftet werden?Köbler: Wir Grüne haben immer ehrlich gesagt, dass der Ring den Steuerzahler Geld kosten wird, vor der Wahl und in dieser Wahlperiode, als wir den Scherbenhaufen vorgefunden haben. Und dass man den Schaden begrenzen muss. Immerhin zeichnet sich ab, dass der Verkauf des Nürburgrings von der EU-Kommission bald genehmigt wird.Befürworten Sie das?Köbler: Das ist ein Schritt in Richtung Zukunft. Immerhin wird noch ein Verkaufserlös erzielt, und in der Eifel stehen keine Ruinen.Ist der Verkauf für Sie das Ende des Schreckens? Für die Wahl 2016 ist der Ring doch sicher kein Gewinnerthema.Köbler: Ja, aber es ist auch schon so, dass der Ring bei der Wahl 2011 eine wichtige Rolle gespielt hat - und wir Grüne haben die Wahl gewonnen. Die SPD hat Verluste gehabt und die CDU das zweitschlechteste Ergebnis aller Zeiten. Die Wähler haben uns also em ehesten vertraut in dieser Frage. Gleichwohl ist es wichtig, dass da jetzt mal Ruhe einkehrt und eine Perspektive entsteht.Sie fürchten also keine negativen Auswirkungen für Rot-Grün bei der Landtagswahl 2016?Köbler: Ich bin fest davon überzeugt, dass für die Menschen im Land andere Dinge mehr zählen: Dass sie für ihr Kind einen festen Kita-Platz haben, dass die Kinder eine gute Schulausbildung bekommen, dass es eine sichere und ökologische Energieversorgung gibt. Diese Alltagsfragen finden die Menschen viel wichtiger.2011 haben die Grünen mit 15,4 Prozent ein starkes Wahlergebnis eingefahren. Das wird sich doch 2016 kaum wiederholen lassen. Oder sehen Sie das anders?Köbler: Nichts ist unmöglich! Wir stehen hervorragend da. Die Stimmung ist bestens, in der Partei wie in der Bevölkerung. Wir haben ein Rekordergebnis bei den Kommunalwahlen eingefahren. Die Ausgangsposition ist momentan also sogar besser als vor fünf Jahren.fcgWeitere Berichte über die Visite von Ministerpräsidentin Malu Dreyer gestern bei der EU-Kommission in Brüssel, wo es neben dem Nürburgring auch um die Flughäfen Hahn und Zweibrücken ging, lesen Sie auf:Extra

Daniel Köbler (33) ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit Mai 2011 ist Köbler Landtagsabgeordneter und Fraktionschef der Grünen. Zuvor war er Landesvorstandssprecher. Er gehört auch dem Mainzer Stadtrat an.fcg

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