"Wir haben den besten Freund verloren"

GEROLSTEIN. Die Meldung ging vor zwei Wochen durch alle Medien: 26-Jähriger stirbt nach Besuch von Heavy-Metal-Konzert. Der aus dem Raum Gerolstein kommende Mann hatte sich angeblich beim Tanzen so schwer verletzt, dass er kurz danach daran starb. Ein Irrtum, wie sich später herausstellte. Nur: Interessiert hat es fast niemanden mehr.

Sie fuhren zu fünft ins Wochenende und kamen zu viert zurück. Der geplante fröhliche Ausflug zum "Pressure Festival" in Herne wurde für die jungen Leute aus der Eifel zum Albtraum. Ein 26-jähriger aus der Nähe von Gerolstein starb gegen 3 Uhr nachts im Krankenhaus , während seine Freunde stundenlang vor der Notaufnahme vergeblich auf eine gute Nachricht warteten . Nichts hatte zuvor darauf hingedeutet, dass der Abend so tragisch enden würde. Woran M. so plötzlich und unerwartet gestorben war, wusste zunächst noch niemand. Erst die Obduktion ergab: Todesursache war eine ältere Vorschädigung des Herzens. Der Tod des jungen Mannes sei unabhängig vom Ort des Geschehens oder den Umständen eingetreten, sagte ein Arzt der Mutter später am Telefon. Will heißen: Der 26-Jährige wäre an diesem Abend womöglich auch zu Hause vor dem Fernseher gestorben. Bedeutung bekam das Obduktionsergebnis erst durch die teilweise auf Polizei-Infos basierenden Medienberichte nach dem Todesfall. Darin war die Rede von lebensgefährlichen Verletzungen, die sich der junge Eifeler bei einer besonders brutalen Art des Tanzens zugezogen habe. "Das wurde total reißerisch aufgemacht", empört sich ein enger Freund des Verstorbenen, "war größtenteils fernab jeglicher Realität". Zu leiden hatten darunter besonders die Angehörigen des 26-Jährigen: "Die Reaktionen nach den Berichten waren für uns noch mal ein Schlag obendrauf", sagt sein Bruder. "Die richtige Version", also das Obduktionsergebnis (TV vom 29. Juni, Seite 1), hätten die meisten gar nicht mehr wahrgenommen. Was aber ist nun an jenem Tag passiert, der für den jungen Mann so tragisch endete? Die fünf Freunde zwischen 22 und 26 Jahren treffen sich mittags und fahren gemeinsam nach Herne. "Das Pressure-Festival war musikalisch unsere Richtung", sagt Nils (22): Hardcore und Punk. Die Eifeler checken in einem Hotel ein, gehen essen und anschließend "rüber in die Halle". "Dort blieben wir bis zum Schluss", erinnert sich Sebastian (23). Mal hätten sie - einzeln oder gemeinsam - zwischendrin vor der Bühne gestanden, mal getanzt, mal draußen frische Luft geschnappt. Gegen 21 Uhr sei M. plötzlich "nach hinten zu uns gekommen und hat sich die rechte Seite gehalten". Er habe beim Tanzen wohl einen Hieb oder Tritt abbekommen. Aber es sei alles in Ordnung. Nach Ende des Konzerts gegen 23.15 Uhr kaufen sich die fünf noch T-Shirts und wollen dann zu Fuß ins Hotel gehen. Nils: "M., dem es vorher super-gut ging, ist plötzlich zusammengesackt und hat sich an die Brust gefasst." Ein zufällig anwesender Sanitäter ruft einen Krankenwagen. "M. ist noch selbst eingestiegen und hat dabei Witzchen gemacht", erinnert sich Sebastian. Gerüchte und Mutmaßungen

Im Herner Krankenhaus warten die Freunde auf dem Flur, während der 26-Jährige untersucht wird. "Zwischendurch kam ein Doktor raus und hat gesagt, er müsse wohl zur Beobachtung da bleiben", sagt Nils. Die Freunde warten weiter, bis nach zwei Stunden plötzlich eine Ärztin zu ihnen kommt: "Es ist ernst, wir benötigen die Telefonnummer von den Angehörigen." Eine halbe Stunde später kommt ein anderer Doktor. "Der war selbst völlig fertig, hat herumgedruckst und schließlich gesagt: M. ist gestorben." Die vier Freunde sind geschockt. "Damit hatte doch niemand von uns gerechnet", sagt Sebastian. Sie fahren ins Hotel, packen eilig ihre Sachen und fahren heim. Um 8 Uhr morgens sind sie wieder in der Eifel, treffen sich mit Angehörigen und der Freundin des Verstorbenen. Dutzende Male müssen sie in den nächsten Tagen erzählen, was in Herne wirklich passiert ist. Die Freunde sind es leid, immer wieder gegen das Gerücht ankämpfen zu müssen, M. sei an den Folgen einer Art geplanten Massenschlägerei beim Tanzen gestorben. "Da wurde in den Medien ständig von einer "Wall of Death" (Todeswand) geredet", sagt Nils. "Völliger Quatsch. Ich wusste gar nicht, was das ist." Das Obduktionsergebnis korrigierte im Nachhinein alle Gerüchte und Mutmaßungen, die in den Medien verbreitet wurden. "Die meisten haben das verschwiegen", sagt Nils. Nach Ansicht der Freunde sind sie es M. schuldig, zu sagen, was wirklich geschehen ist. "Wir haben schließlich einen unserer besten Freunde verloren. M. war einfach ein feiner Kerl."

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