"Wir müssen Flagge zeigen"

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ruft die Deutschen auf, für die Flutopfer in Pakistan zu spenden. Die Menschen dürften angesichts der Naturkatastrophe nicht alleingelassen werden. Zugleich helfe die Unterstützung auch, Islamisten den Nährboden zu entziehen, sagt Niebel. Unser Korrespondent Hagen Strauß traf Niebel in Berlin zu einem Gespräch.

Berlin. (has) Die Flutkatastrophe in Pakistan wird nach Einschätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR immer schlimmer.

Die Wassermassen verwüsteten auf ihrem Weg nach Süden noch mehr Gebiete und trieben zahlreiche weitere Menschen in die Flucht, warnte die Organisation am Dienstag. Es bestehe die Gefahr, dass die Weltgemeinschaft die Dimension der Katastrophe immer noch nicht begriffen habe. Die Reserven an Hilfsgütern schrumpften.

Herr Minister, Pakistan versinkt, Millionen Menschen müssen um ihr Leben fürchten. Warum läuft die internationale Hilfe so schleppend an?

Niebel: Die Bundesregierung hat schnell und unbürokratisch reagiert und ihre Hilfe weiter aufgestockt, je klarer das Lagebild wurde - bis auf eine Zusage von 15 Millionen Euro, zur Hälfte aus dem Auswärtigen Amt, zur Hälfte aus dem Bundesentwicklungsministerium. Die völkerrechtlichen Voraussetzungen sind geschaffen, die Hilfe läuft bereits. Wichtig sind aber nicht nur die Summe und die Geschwindigkeit, sondern auch die Qualität der Hilfe. Unsere Partner leisten im Augenblick logistische Schwerstarbeit.

Wenn die internationale Gemeinschaft aber versagt, inwieweit würde das den extremistischen Kräften in die Hände spielen?

Niebel: Ich glaube, es ist entscheidend, dass wir mit unseren Partnern Flagge zeigen und signalisieren: Die Menschen in Pakistan sind Teil der internationalen Gemeinschaft, und wir lassen sie in dieser Situation nicht allein. Es wäre deshalb auch dringend notwendig, dass die private Spendenbereitschaft stärker wird, denn gerade die sofortige Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft ist das beste Mittel, um Islamisten den Nährboden zu entziehen.

Warum kürzt die Bundesregierung dann die Mittel für humanitäre Nothilfe im Ausland um 20 Prozent?

Niebel: Das Auswärtige Amt - das für die humanitäre Hilfe verantwortlich zeichnet und um dessen Haushalt es hier geht - und das Bundesentwicklungsministerium arbeiten in diesem Bereich eng zusammen. Der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung steht ein enormer Bedarf entgegen, auch in Zukunft bei Katastrophen weltweit schnell helfen zu können. Beide Punkte müssen ihre angemessene Berücksichtigung finden.

Sie haben es angesprochen, die Spendenbereitschaft der Deutschen hält sich noch in Grenzen. Warum ist das so?

Niebel: Ich kann nur vermuten, dass die Präsenz der Taliban kritisch wahrgenommen wird und einen Einfluss auf die Spendenbereitschaft der Deutschen hat. Das ist tragisch für die Bevölkerung, denn für die ist es egal, in welchem Land sie Opfer einer solchen Naturkatastrophe wird. Ich habe aber mehrfach deutlich gemacht, dass ich mir mehr Spendenbereitschaft wünschen würde. Zum Glück steigen die Zahlen offenbar inzwischen auch an.

Wie wird sichergestellt, dass das Geld der Menschen auch den Notleidenden hilft?

Niebel: In dem Bereich, in dem die Bundesregierung Verantwortung trägt, arbeiten wir mit deutschen staatlichen Durchführungsorganisationen wie zum Beispiel der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit zusammen, außerdem mit ausgewählten Nichtregierungsorganisationen und dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Mit allen Organisationen besteht eine jahrzehntelange Zusammenarbeit, alle sind auch seit langem in Pakistan erfahren.

Das geschieht bewusst, denn: Wenn jemand vor Ort aktiv ist, dann kennt er nicht nur die Gefahren eines Landes, sondern auch die Strukturen, die er nutzen kann, damit die Hilfe ankommt.

Extra Spenden für Pakistan: Organisationen haben Konten eingerichtet. Eine Auswahl: Unicef: Spendenkonto 300000, Stichwort "Nothilfe Pakistan", Bank für Sozialwirtschaft Köln, BLZ 37020500 Deutsches Rotes Kreuz: Spendenkonto 414141, Stichwort "Pakistan", Bank für Sozialwirtschaft Köln, BLZ 37020500 Welthungerhilfe: Spendenkonto 1115, Sparkasse Köln-Bonn, BLZ 370 50198 Caritas: Spendenkonto 202, Stichwort "Fluthilfe Pakistan", Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 66020500 Diakonie Katastrophenhilfe: Spendenkonto 502707, Stichwort "Fluthilfe Pakistan", Postbank Stuttgart, BLZ 60010070 Malteser: Spendenkonto 120120120, Stichwort "Pakistan", Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 37020500 Johanniter: Spendenkonto Nr. 8888, Stichwort "Flut Pakistan", Bank für Sozialwirtschaft Köln, BLZ 37020500 Kindernothilfe: Spendenkonto 454540, Stichwort "Pakistan", KD Bank, BLZ 35060190 Worldvision: Spendenkonto 8800, Stichwort "Pakistan 401213", Evangelische Kreditgenossenschaft, BLZ 52060410 Care: Spendenkonto 44040, Sparkasse Köln-Bonn, BLZ 37050198.Zur Person Dirk Niebel: Geboren am 29. März 1963 in Hamburg, verheiratet, drei Söhne. Niebel arbeitete in den 90er Jahren als Arbeitsvermittler beim Arbeitsamt Heidelberg. Seit September 1998 ist er Bundestagsabgeordneter der FDP für den Wahlkreis Heidelberg-Weinheim. Als Generalsekretär leitete er die Geschicke der FDP zwischen Mai 2005 und Oktober 2009. 2009 wurde er zum Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ernannt. (vk)

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