"Wir setzen auf Dobrindts Zusagen"
Immer mehr, immer weiter - dem Wachstum des Luftverkehrs scheinen keine Grenzen gesetzt. Doch in Deutschland hat die Branche Sorgen, wie unser Korrespondent Werner Kolhoff von Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, erfährt. Der 68-jährige Ex-ZDF-Journalist ("Heute") fordert von der Politik vor allem Verlässlichkeit.
2014 sind die Passagierzahlen wieder gestiegen. Geht der Steigflug immer weiter?Klaus-Peter Siegloch: Auch 2015 wird sicher wieder mehr geflogen werden. Denn die Menschen leben immer internationaler. Leider nimmt die deutsche Luftverkehrswirtschaft an diesem Zuwachs nicht in gleichem Maße teil. Das ist ein Wermutstropfen. Türkische und arabische Airlines drängen in den Markt. Wird es auf Dauer noch einen nationalen deutschen Carrier geben?Siegloch: Ja, aber es wird für die Fluggesellschaften ein harter Kampf werden. Die Umstrukturierungen, die die Lufthansa jetzt beschlossen hat, sind absolut notwendig, um international gegenüber der Konkurrenz bestehen zu können. Die Carrier vom Golf werden von ihren Staaten unterstützt. Die große Koalition muss deshalb mindestens das umsetzen, was sie im Koalitionsvertrag versprochen hat, nämlich dass sie die Wettbewerbssituation für die deutschen Fluggesellschaften verbessert. Haben Sie Hoffnung, dass das geschehen wird?Siegloch: Wir haben von Verkehrsminister Dobrindt die Zusage, dass es bis zum Sommer eine umfassende Markt- und Wettbewerbsanalyse der Luftfahrt geben wird und dass daraus politische Konsequenzen gezogen werden. Dann reden wir über Fakten. Darauf setzen wir sehr stark. Die Gewinne der deutschen Airlines haben nicht mit der positiven Entwicklung der Passagierzahlen mitgehalten. Woran lag das?Siegloch: Weltweit verdienten die Airlines im abgelaufenen Jahr 7,08 Dollar an einem Ticket. In Europa sind es 4,24 Dollar, schon deutlich weniger. Die Gewinnmarge beträgt hierzulande gerade mal 1,1 Prozent. Das liegt zum einen sicher daran, dass wir in Europa den härtesten Wettbewerb überhaupt haben. Das hat die Gewinne schrumpfen lassen. Gleichzeitig sind die Belastungen für die Airlines weiter gewachsen. Durch politische Vorgaben?Siegloch: Ja. In Deutschland und Europa wird der Luftverkehr politisch gebremst. Zum einen durch die Luftverkehrssteuer, zum anderen durch die zunehmende Beschränkung der Betriebszeiten der Flughäfen. Und diese Tendenz hält ja an. Wenn Frankfurt zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens geschlossen sein würde, wie manche fordern, wäre das für die Luftverkehrswirtschaft eine absolute Katastrophe und würde auch der Wirtschaft in Deutschland erheblich schaden. Neue Landebahnen und Flughäfen stoßen auf Widerstand. Mögen die Deutschen das Fliegen, hassen aber Flugzeuge und Flughäfen?Siegloch: Das würde ich pauschal so nicht sagen. Das Problem bei Infrastrukturmaßnahmen ist, dass heute Entscheidungen über Projekte getroffen werden müssen, die erst morgen oder übermorgen realisiert werden. Und dann sagen eben viele: Es funktioniert doch alles, warum brauchen wir eine weitere Start- und Landebahn? Wir müssen in einem Dialog mit der Bevölkerung die mittel- und langfristigen Her-ausforderungen deutlich machen. Bei der Lufthansa drohen neue Pilotenstreiks. Wie schädlich sind sie für die Branche?Siegloch: Sie sind in doppelter Weise schädlich. Die Lufthansa spricht bisher von Verlusten in Höhe von 200 Millionen Euro. Zum anderen wird das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Fliegens beschädigt. Das trifft alle Airlines. Ich hoffe auf eine baldige Einigung. Die Luftfahrt ist in einem riesigen Umstrukturierungsprozess. Darauf müssen sich auch die Arbeitnehmer einstellen. Forderungen wie eine Vorruhestandsregelung mit 55 Jahren passen nicht recht in die Landschaft. Welche konkreten Erwartungen haben Sie für das Jahr 2015 an die Politik?Siegloch: Dass die Luftverkehrssteuer abgeschafft wird und dass die bestehenden Betriebszeiten garantiert werden. Wir wollen keine Ausweitung, aber wir wollen, dass die Nachtflugmöglichkeiten da, wo es sie gibt, erhalten bleiben. Das dritte ist, dass der Luftverkehr in Europa nicht einseitig in den Emissionshandel einbezogen und dadurch noch zusätzlich belastet wird. Wir brauchen einen weltweiten Klimaschutzbeitrag der Luftfahrt. Hierfür sehen wir auch gute Chancen. wkExtra
Klaus-Peter Siegloch (68, Foto: dpa) ist seit 2011 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Zuvor war er als Fernsehjournalist in leitenden Funktionen bei NDR und ZDF tätig. red Extra
Verkehrsexperten von SPD und Grünen zweifeln an einer Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens im Jahr 2017. "Ich gehe davon aus, dass der Betrieb nicht vor 2018 aufgenommen werden kann", sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert (SPD), der Welt. Ursprünglich sollte der Flughafen 2011 an den Start gehen. Bisher platzten vier Eröffnungstermine wegen Planungsfehlern, Baumängeln und Technikproblemen. dpa