"Wir Sozialdemokraten akzeptieren keinen Extremismus": Malu Dreyer im Gespräch (Video)

Trier · TV-Redaktionsgespräch: Ministerpräsidentin Malu Dreyer beschäftigt sich mit den Folgen des G20-Gipfels, aber nicht nur: Im Bund hat sie eine Hoffnung, im Land einen kniffligen Auftrag.

"Wir Sozialdemokraten akzeptieren keinen Extremismus": Malu Dreyer im Gespräch (Video)
Foto: Friedemann Vetter
"Wir Sozialdemokraten akzeptieren keinen Extremismus": Malu Dreyer im Gespräch (Video)
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Martin Scholz? Malu Dreyer merkt ihren Versprecher sofort und lacht. Natürlich heiße der Kanzlerkandidat der SPD Martin Schulz und der Hamburger Stadtbürgermeister Olaf Scholz, sagt sie. Doch wer will es der Ministerpräsidentin nach den Tagen des G20-Gipfels in Hamburg verdenken, dass sie die beiden ähnlich klingenden Namen für einen kurzen Moment verwirren?

Scholz und Schulz, auch darum dreht sich das Gespräch mit Dreyer in der TV-Redaktion, die sie am Montag in rosa Bluse und weißem Jackett besucht. Es sei "unglaublich und widerwärtig", was in Hamburg passiert sei, sagt sie mit einem Blick auf die Ausschreitungen, bei denen 476 Polizisten, darunter 28 aus Rheinland-Pfalz, verletzt wurden. Sie hoffe, dass die Täter "gefasst und verurteilt werden".

Zugleich ärgere sie sich über Teile der CDU, die den Genossen in Seitenhieben vorwerfen, sich von linksextremistischer Krawalle nicht zu distanzieren. "Es ist eine Riesenfrechheit, die SPD in Zusammenhang damit zu bringen, die Gewalt zu rechtfertigen", sagt Dreyer. Und legt nach: "Wir Sozialdemokraten akzeptieren keinen Extremismus, keine Gewalttaten, egal aus welcher Richtung." In Schutz nimmt sie Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Sie sei froh, dass dieser Rücktrittsforderungen zurückweise. Scholz sei für Akribie und Sorgfalt bekannt. Es gelte nun aufzuarbeiten, was beim Gipfel hätte anders laufen müssen. Die Ausschreitungen für Wahlkampf zu nutzen, ärgere sie.

Und doch dürfte sich Dreyers Blick bald wieder auf die Bundestagswahl am 24. September richten, wenn der Gipfel abgearbeitet ist. Den Schulz-Zug sieht die Triererin dabei noch nicht abgefahren, auch wenn die SPD in jüngsten Umfragen 13 Prozent hinter der CDU liegt und nur jeder vierte Deutsche davon ausgeht, dass der Ex-Präsident des Europäischen Parlaments überhaupt Kanzler werden kann. Hoffnung legt Dreyer darauf, dass die SPD ihre Stärken bei der sozialen Gerechtigkeit zeigen könne.

Ihre Beschwerdeliste: Nicht alle Menschen profitierten vom wirtschaftlichen Wachstum, in Ballungszentren wie Trier seien Mieten zu teuer, Studenten landeten trotz Abschluss in Teilzeitjobs, Europa sei in keinem guten Zustand. Dafür trage auch Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verantwortung. Staaten schauten zu häufig auf ihre Eigeninteressen, kritisiert die 56-Jährige und nimmt Deutschland dabei nicht aus. Europa müsse nach der Bundestagswahl einen Weg zu mehr Solidarität finden, bei den Flüchtlingen und der Finanzierung. "Ansonsten ist die EU am Ende."

Nicht in Widerspruch sieht die Landeschefin den Gerechtigkeitskurs zu höheren Diäten in Rheinland-Pfalz. Bis 2020 steigen die Bezüge schrittweise von gut 5800 auf 6800 Euro. Das haben die Fraktionen von SPD, CDU, FDP und Grünen beschlossen. "Die Abgeordneten haben entschieden, dass sie sich bei den Einkünften auf die Ebene der Bürgermeister einer mittelgroßen Verbandsgemeinde begeben", sagt Dreyer. Die weitere Gehaltsentwicklung werde über einen Index angepasst.

Steigern will die Triererin dagegen den Ausbau des schnellen Internets in Rheinland-Pfalz. Dort klaffen noch gewaltige Lücken im Land, wenn es um die Versorgung geht, besonders in der Eifel und im Hunsrück. Zuversichtlich ist Dreyer, dass die Regierung das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einhält und die flächendeckende Versorgung mit 50 Megabit in der Sekunde bis 2018 umsetzt. 124,7 Millionen Euro habe das Land im Haushalt für das kommende Jahr eingestellt. Die 56-Jährige sagt: "Bis Ende 2018 müssten die Bagger in jedem Landkreis gerollt sein."

Unternehmen und Landbewohnern reicht das aber nicht. Sie pochen auf noch schnelleres Netz. Wo die CDU der Ministerpräsidentin PR, aber keine konkreten Schritte vorwirft, hält Dreyer mit dem angestrebten Einstieg in die Gigabit-Gesellschaft dagegen. IT-Unternehmen, Kommunen und das Land haben jüngst eine Absichtserklärung unterzeichnet. Ziel sei ein flächendeckender Breitbandausbau mit Glasfaser bis 2030. "Das ist ein Fortschritt, auf den sich alle verpflichten", meint die Triererin. In die Pflicht nimmt sie auch die Netzbetreiber, besonders mit Blick auf den Mobilfunk, dessen Versorgung im Land nicht gut sei, kritisiert sie. Zahlen des TÜV Rheinland von Ende 2016 zeigen, dass das Land bei den LTE-Netzen, die für deutlich schnelleres Surfen im Internet sorgen, von allen 16 Bundesländern nur auf dem 14. Rang liegt. Ein Abstiegsplatz. Dreyer tadelt: "Als die Frequenzen versteigert wurden, sind viele Betreiber nicht ihrer Pflicht nachgekommen, diese auszubauen." Die SPD-Politikerin weiß, dass noch viel zu tun ist, zumal es künftig noch leistungsstärkere 5G-Netze brauche. "Die müssen gigantische Datenmengen transportieren."

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