"Wir wollten ihn ruhig stellen"

Ein 21- und ein 24-Jähriger haben gestern vor dem Trierer Landgericht gestanden, einem Kumpel gewaltsam Alkohol eingeflößt zu haben. Der 44-Jährige starb später an den Folgen der Alkoholvergiftung.

Trier. Es ist schon der dritte Geburtstag, den er nicht in Freiheit erleben kann. Und allem Anschein nach wird er auch im nächsten Jahr, wenn er 22 wird, nicht mit seinen Freunden feiern können. Als der Vorsitzende der Großen Jugendkammer des Landgerichts, Richter Al-brecht Keimburg, dem sehr jungenhaft wirkenden, gerade 21 Jahre Gewordenen gratuliert, nimmt er den Glückwunsch regungslos entgegen, so als ob er selbst vergessen hätte, dass heute sein Geburtstag ist.

Der 21-Jährige ist vor vier Jahren aus dem "normalen" Leben abgestürzt: von zu Hause ausgezogen, auf der Straße gelebt, die Lehre abgebrochen, Alkohol, mit Freunden am Trierer Bahnhof "herumgehangen". Vor zwei Jahren hat er zusammen mit einem Kumpel an zwei Tagen gleich mehrere Leute ausgeraubt. Seitdem sitzt er im Gefängnis - zu zwei Jahren und drei Monaten Jugendhaft verurteilt. Im Mai wäre die Haft beendet.

Das, wofür der mittlere von fünf Geschwistern im jetzigen Prozess in Handschellen in den großen Saal des Landgerichts geführt wird, liegt zwei Monate vor den Raubüberfällen: im Januar 2008. Wie so oft hat er sich mit mehreren anderen Jugendlichen auch damals, am 8. und 9. Januar 2008, in der Wohnung eines 44-Jährigen in Trier zum Trinkgelage getroffen. 30, 40 Flaschen Bier, Wein, Wodka - "alles eben, was da war" - seien dort an einem Tag schon mal getrunken worden, sagt er auf die Frage des Richters. Zum Essen sind sie immer ins nahe Brüderkrankenhaus gegangen, in die dortige Sozialküche für Bedürftige. Auch am 9. Januar. Irgendwann danach sei es dann in der Wohnung des 44-Jährigen mal wieder zum Streit zwischen dem Mann und dessen Freundin gekommen. Daraufhin hätten er und der drei Jahre ältere Kumpel, der jetzt mit ihm auf der Anklagebank sitzt, den 44-Jährigen ins Schlafzimmer geschleppt. "Wir wollten ihn ruhigstellen", sagt der 21-Jährige. Zunächst habe er dem Mann eine fast volle Flasche Wodka an den Mund gehalten und ihn gezwungen, die zu leer zu trinken, sagt der 21-Jährige. Sein Verteidiger Sven Collet hat ihm geraten, vor Gericht ein Geständnis abzulegen. Sein Kumpel soll den Mann währenddessen festgehalten haben. Der 24-Jährige aus Flensburg ist mit sieben Jahren ins Heim, gekommen, nachdem er vom Vater misshandelt worden war; mit 15 in das Jugendheim Helenenberg (Trier-Saarburg). Er habe "gesoffen wie ein Loch", zehn, 15 Flaschen Bier am Tag, sagt er. Auch er landet auf der Straße, übernachtet im Obdachlosenheim. Ob es nun zunächst eine Flasche Wodka oder doch, wie sein 24-jähriger Kumpel aussagt, eine Flasche Wein war, die sie dem Mann eingeflößt haben, bleibt zunächst unklar. Da widersprechen sich die beiden.

Nach einer halben Stunde schlägt ein Mittrinker Alarm



Auch darin, ob sie den nach dem erzwungenen Trinken bewusstlos auf dem Boden liegenden Mann getreten und geschlagen haben, wie es der 21-Jährige sagt. Fest steht nur, dass die beiden den leblosen Mann im Schlafzimmer liegen lassen. Nach einer halben Stunde schlägt ein Mittrinker Alarm. Das Gesicht des Mannes sei blau angelaufen, er atme nicht mehr. "Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht, dass ein Mensch stirbt", sagt der 21-Jährige, als er sich an den Anblick erinnert. Tatsächlich gestorben ist der Mann aber erst zwei Monate später in einem Pflegeheim. Irgendjemand ruft am Nachmittag den Notarzt. Ihm gelingt es, den Mann zu reanimieren. Doch der 44-Jährige wacht nicht mehr auf, bleibt im Koma, muss wochenlang künstlich beatmet werden. Die Polizei beginnt zu ermitteln, nachdem die vom Gericht bestellte Betreuerin des Mannes von dessen Freundin erfährt, was sich in der Wohnung zugetragen hat.

Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt.

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