Wirrwarr um Kompetenzen

MAINZ. Unklarheit über Zuständigkeiten, Widersprüche und Missverständnisse haben zu Sicherheitsdefiziten beim Projekt "Heim statt U-Haft" in Rodalben geführt. Am Ende der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses kann Vorsitzender Reiner Marz (Grüne) jedoch kein direktes politisches Verschulden erkennen.

Hätte die Bluttat an der jungen Erzieherin Christina Knoll, die bei der Flucht dreier straffälliger Jugendlicher aus dem Heim in Rodalben getötet wurde, verhindert werden können? Er fürchte, diese Frage könne auch der Abschlussbericht des Landtags-Untersuchungsausschusses nicht beantworten, sagte Ausschussvorsitzender Reiner Marz am Mittwoch nach dem Ende der Beweisaufnahme. Bis Mitte Mai will der Ausschuss seinen Bericht vorlegen, der dann im Juni im Parlament diskutiert werden soll. In zwölf Sitzungen wurde versucht zu klären, ob Fehler bei der Planung oder Umsetzung des Projektes "Heimunterbringung statt Untersuchungshaft" die tödliche nächtliche Messerattackeauf die 26-Jährige begünstigt haben. Aus Zeugenbefragungen und Akten ergeben sich laut Marz Unsicherheit und Verwirrung im Heim Rodalben über Zuständigkeiten von Sozial- und Justizministerium und Landesjugendamt. Es habe offenbar viel Verunsicherung geherrscht, wer Vorgaben machen darf, was Weisungen und was Tipps sind, so Marz. Dabei hätte nach seiner Einschätzung klar sein müssen, dass für die Sicherheit der Mitarbeiter formal in erster Linie der Heimträger zuständig ist. Für die Kontrolle der Vorgaben habe es keine Klarheit bei Träger und dem beim Sozialministerium angesiedelten Landesjugendamt gegeben. Beim Aufnahmeverfahren eines - ursprünglich abgelehnten - Jugendlichen hat aus Sicht des Ausschussvorsitzenden auch das Eingreifen des Justizministeriums Verwirrung gebracht, das formal keinen Zugriff auf das Projekt hatte. Zudem funktionierte die Kommunikation über das aktenkundige Vorleben der Jugendlichen zwischen den Beteiligten nicht. Durch das Aufnahmeverfahren ziehen sich Widersprüche. "Es muss klare Federführung und Verantwortlichkeit für ein solches Projekt geben", fordert Marz. Hinweise, dass es ein direktes politisches Verschulden an den tragischen Ereignissen bereits kurz nach den ersten Aufnahmen in Rodalben gibt, kann der Grünen-Politiker bisher nicht erkennen. Nach Überzeugung des CDU-Obmanns im Ausschuss, Christian Baldauf, wird dagegen "die Luft dünn" für Sozialministerin Malu Dreyer (SPD). Ihr Ministerium trage die Verantwortung für Versäumnisse in den Vorgaben der Betriebserlaubnis des Heims, Lücken bei der Sicherheit und mangelhafte Kontrolle. Eine Rücktrittsforderung an Dreyers Adresse wollte er nicht ausschließen. Ein Brief des Justizministeriums an das Heim könne zudem durchaus als Druck zur Aufnahme eines Jugendlichen mit erheblicher krimineller Energie ausgelegt werden. SPD-Obmann Carsten Pörksen sprach dagegen von einem fehlgeschlagenen Versuch der CDU, das tragische Ereignis zum politischen Skandal zu stilisieren und daraus Kapital zu schlagen. Bei einer Neuauflage des Projekts müssten die Sicherheitsvorschläge einer Arbeitsgruppe beachtet und die Umsetzung des Projektes "enger begleitet" werden, sagte Pörksen. Ein neuer Start des Projekts ist derzeit allerdings nicht absehbar. Rodalben komme dafür kurz- und mittelfristig nicht mehr in Betracht, sagte Dreyer bei ihrer Zeugenvernehmung im Januar. Das Jugendhilfezentrum Don Bosco in Helenenberg bei Trier will nach Angaben seiner Leiterin Sieglinde Schmitz erst nach Vorlage des Abschlussberichtes entscheiden, ob "Heim statt U-Haft" von ihm übernommen wird. Schmitz hatte im Ausschuss auf die umfangreiche Berichterstattung und ein schlechtes Image des Projekts wegen des Gewaltverbrechens in Rodalben verwiesen.

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