Wissenschaftler sollen Licht in dunkles Kapitel bringen

Trier · Seit einiger Zeit gibt es Streit über die Aufarbeitung der Verstrickungen regionaler Ärzte in die Machenschaften der Nazis. Möglicherweise bahnt sich ein Ende des Konflikts an: Die Universität Trier soll eine wissenschaftliche Arbeit dazu vergeben.

 Der Künstler Gunter Demnig hat im November vergangenen Jahres zwölf Stolpersteine vor dem Trierer Brüderkrankenhaus verlegt. Sie sollen an die 542 Psychiatriepatienten erinnern, die 1939 von dort deportiert wurden. TV-Foto: Archiv/Katja Bernardy

Der Künstler Gunter Demnig hat im November vergangenen Jahres zwölf Stolpersteine vor dem Trierer Brüderkrankenhaus verlegt. Sie sollen an die 542 Psychiatriepatienten erinnern, die 1939 von dort deportiert wurden. TV-Foto: Archiv/Katja Bernardy

Trier. Günther Matheis hatte vor einem Jahr eine Idee. Fast schon eine Vision. Der Chirurg und Vorsitzende der Bezirksärztekammer wollte dazu beitragen, Licht in ein dunkles Kapitel in Trier und Umgebung zu bringen. Die Verstrickungen der Ärzte in den Nationalsozialismus.
Eine systematische Aufarbeitung etwa der Zwangssterilisationen im Trierer Elisabeth-Krankenhaus, in Saarburg oder in Wittlich und der Deportationen psychisch Kranker aus dem Trierer Brüderkrankenhaus hat es bislang noch nicht gegeben. Das Elisabeth-Krankenhaus hatte vor zwei Jahren verkündet, die Schicksale der in dem Haus Zwangssterilisierten wissenschaftlich erforschen zu lassen. Ergebnisse sind bislang nicht bekannt.
Matheis wollte mit einer 2012 gestarteten Vortragsreihe zu Medizin unterm Hakenkreuz den Anstoß für eine kritische Ausein-andersetzung mit dem schwierigen Thema geben. Der Trierer Historiker Thomas Schnitzler sollte im Auftrag der Ärztekammer die regionalen Verstrickungen aufarbeiten. Doch bereits nach dem Start der Vortragsreihe im vergangenen Jahr kritisierte Schnitzler das aus seiner Sicht geringe Interesse der Ärzteschaft, vor allem des Brüderkrankenhauses, an einer ernsthaften Aufarbeitung. Es kam zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. Schnitzler wurde der Auftrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung entzogen (der TV berichtete).Erwartungen nicht erfüllt


Matheis musste eingestehen, dass die anfangs geweckten Erwartungen bislang nicht erfüllt worden waren. Sein ehrgeiziges Projekt drohte zu scheitern. Nun zeichnet sich ab, dass es doch noch eine wissenschaftliche Aufarbeitung geben könnte. Laut Matheis besteht Kontakt zur Uni Trier, konkret dem Fach Neuere Geschichte. Möglicherweise wird es eine Doktorarbeit zu der Zusammenarbeit regionaler Mediziner mit den Nazis geben. Derzeit liefen die Gespräche über die Finanzierung dieser Arbeit und mit dem Wissenschaftler, der sich damit beschäftigen soll, sagte Matheis unserer Zeitung. Möglicherweise beteiligen sich unter anderem das Trierer Brüderkrankenhaus und die Ärztekammer an dem Projekt.
Gleichzeitig wird die Vortragsreihe zu Medizin unterm Hakenkreuz fortgesetzt. Matheis hat den bekannten Heidelberger Historiker Götz Aly für einen Vortrag in Trier gewonnen. Der 66-jährige Wissenschaftler und Publizist hat sich eingehend mit der Ermordung Behinderter oder psychisch Kranker durch die Nazis beschäftigt. Die Euthanasiemorde seien ein offenes Geheimnis gewesen, sagt Aly. Er hat dabei ausführlich erforscht, wie Ärzte im sogenannten Dritten Reich das Töten in ihren medizinischen Alltag übernommen haben und wie die Familien der Opfer damit umgegangen sind. Viele Angehörige hätten sich nach dem Verschwinden ihrer hilfsbedürftigen Angehörigen erleichtert gefühlt und geschwiegen.
Seinen Vortrag hält Götz Aly am Donnerstag, 12. September, um 19 Uhr im Ärztehaus Trier, Balduinstraße 10-14. Anmeldungen unter Telefon 0651/99 47 59 10 oder per E-Mail: info@aerztekammer-trier.de

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