"Xi ist der Einzige, der entscheidet"

Peking · Mit der größten Militärreform seit 60 Jahren will China seine Streitkräfte schlagkräftiger machen. Aber Präsident Xi Jinping geht es bei dem radikalen Umbau um mehr: Er will seine Macht im Land weiter festigen.

Peking. Anfang September gab Chinas Staatsführer Xi Jinping der Welt einen Vorgeschmack darauf, wie er sich die Streitkräfte seines Landes in Zukunft vorstellt. Bei der größten Militärparade, die die Volksrepublik bis dahin gesehen hatte, zeigte Peking neben im Stechschritt marschierenden Soldaten vor allem modernstes Kriegsgerät. Neue Panzer, aber auch Kampfhubschrauber und Langstreckenraketen waren zu sehen.
Am Tag der Parade kündigte Xi Jinping an, die Truppen des Landes um 300 000 auf knapp zwei Millionen Soldaten reduzieren zu wollen. Das hat weniger mit Abrüstung zu tun, sondern eher mit Verschlankung: Oberbefehlshaber Xi will künftig über eine personell kleinere, dafür aber technisch hochgerüstete und schlagkräftige Armee herrschen.
Vergangene Woche kündigte der Präsident einen weiteren Meilenstein für den Umbau an. China habe sich von einer "großen Nation" zu einer "großen und starken Nation" entwickelt - und auch das Militär stehe nun an einer "historischen Startlinie", sagte Xi Jinping der Nachrichtenagentur Xinhua zufolge bei einem Treffen mit den obersten Militärs.
Demnach sollen Heer, Marine und Luftwaffe, die bislang in regionalen Einheiten relativ unabhängig voneinander wirkten, künftig einem neuen Zentralkommando unterstellt werden. Aus dem trägen Koloss soll eine schnell einsatzbereite Armee mit Spezialeinheiten nach amerikanischem Vorbild werden. Militärexperten sprechen von der größten Umgestaltung der Truppen, seit der große Reformer Deng Xiaoping die Armee in den 1950er Jahren um gut eine Million Soldaten verkleinerte.
In einer Zeit, in der sich China mit vielen Nachbarstaaten im Ost- und Südchinesischen Meer um Inseln streitet, zeigt sich Xi Jinping entschlossener denn je, die Modernisierung der Armee voranzutreiben. Trotz der schwächelnden Konjunktur hatte der Volkskongress im Frühjahr den Militäretat des Landes bereits das fünfte Jahr in Folge zweistellig um 10,1 Prozent auf 127 Milliarden Euro erhöht - womit China nun hinter den USA auf Platz zwei der Länder mit dem größten Verteidigungshaushalt steht.
Das Geld fließt dabei vor allem in neues Gerät: Peking arbeitet an der Entwicklung neuer U-Boote und Tarnkappenbomber. Vor drei Jahren hat die Liaoning, der erste chinesische Flugzeugträger, den Dienst aufgenommen.
Die Marine des Landes ist bislang der sichtbarste Beweis, wie die Modernisierung voranschreitet. Fortschrittliche chinesische Kriegsschiffe wirken bei Patrouillen gegen Piraten vor der Küste Afrikas mit. Derzeit verhandelt Peking sogar mit dem ostafrikanischen Küstenstaat Dschibuti über die Errichtung des ersten militärischen Logistik-Stützpunktes außerhalb Chinas.
Laut Militärexperten geht es Xi jedoch nicht nur um den Aufbau einer effizienteren, auch für internationale Krisenherde einsetzbare Armee. "Vor allem ist es ein Machtkampf", sagt der unabhängige Kommentator Wu Ge. Xi habe bereits seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren systematisch daran gearbeitet, sich seiner Gegner im Militär zu entledigen und Schlüsselposten neu zu besetzen.
Geholfen habe ihm dabei die von ihm selbst ins Leben gerufende Kampagne gegen Korruption, wegen der nicht nur viele Parteikader und Manager, sondern auch hochrangige Militärs ihre Posten räumen mussten. Der nun verkündete Umbau der Kommandostruktur würde laut Wu Ge dazu führen, dass Xi noch mehr Macht bündelt. "Xi ist der Einzige, der bald im Militär noch entscheidet."
Für die anstehende Reform muss Xi sich also von gleich zwei Seiten auf Gegenwind einstellen: Erstens seitens militärischer Führer, die gegen ihre Entmachtung kämpfen. Zweitens aber auch seitens Tausender Soldaten, die um ihre Arbeitsplätze bangen - eine Kombination, die chinesische Militärbeobachter für nicht ungefährlich halten.

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