Zahl der Asylverfahren vor dem Trierer Verwaltungsgericht nimmt deutlich zu

Trier · Mehr als 1800 Klagen haben Asylbewerber im vorigen Jahr beim Trierer Verwaltungsgericht gegen drohende Abschiebungen eingereicht. Eine Herausforderung für die Richter, die jeden einzelnen Fall ausführlich behandeln.

 Die Mainzer Integrationsministerin Irene Alt (Dritte von links) macht sich am Donnerstag ein Bild von der Lage in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier. Rechts AfA-Leiter Frank-Peter Wagner, links ADD-Präsidentin Dagmar Barzen und ihre Mitarbeiterin Andrea Hoffmann. TV-Foto: Katja Bernardy

Die Mainzer Integrationsministerin Irene Alt (Dritte von links) macht sich am Donnerstag ein Bild von der Lage in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier. Rechts AfA-Leiter Frank-Peter Wagner, links ADD-Präsidentin Dagmar Barzen und ihre Mitarbeiterin Andrea Hoffmann. TV-Foto: Katja Bernardy

Trier. Immer wieder hält sich der junge Mann die Hände vors Gesicht. Die Erinnerung an das, was er in seiner Heimat erlebt hat, nimmt ihn noch immer mit. Er stammt aus Ägypten. Doch sein Heimatland hat er verlassen. Aus Angst um sein Leben, wie er sagt. Der Student ist koptischer Christ und gehört damit einer unterdrückten religiösen Minderheit in seinem Heimatland an. Die Kopten werden von radikalen Islamisten bedroht. Am Montag wurde bekannt, dass 21 entführte ägyptische Gastarbeiter, alle koptische Christen, von der Terrororganisation Islamischer Staat in Lybien ermordet wurden.Aufgeregter Antragsteller


Davor hat der Ägypter, der an diesem Vormittag im Sitzungssaal 2 des Trierer Verwaltungsgerichts sitzt, auch Angst. Ihm droht die Abschiebung. Dagegen hat er geklagt. Ausführlich schildert er, wie er und seine Familie vor drei Jahren in ihrem Haus von vermummten vermutlichen Islamisten überfallen wurden. Sie seien gezwungen worden, zum Islam zu konvertieren, sagt er aufgeregt zu dem Dolmetscher, der Wort für Wort übersetzt. Die Richterin hört ihm aufmerksam zu. Seine Mutter sei bei dem Überfall getötet worden. Zuvor hätten die Terroristen, wie er sie nennt, bereits viele christliche Kirchen in seiner Heimatstadt niedergebrannt. Nach dem Überfall sei er mit Hilfe der Christengemeinde geflohen, erst nach Kairo, von dort nach Malaysia, dann Südkorea. Monatelang habe die Flucht gedauert, immer in Angst, von den Islamisten aufgespürt zu werden. Immer in Angst um sein Leben. Mit Geld von seinem Vater und von der Kirche sei er dann von Südkorea über Kairo nach Deutschland geflohen. Seit 2014 lebt er als Asylbewerber hier, engagiert sich in Mainz in einer christlichen Gemeinde. Seine Verwandten zu Hause würden weiter bedroht. Der Supermarkt seines Vaters sei niedergebrannt worden, der Großvater getötet. Dorthin soll er nun wieder zurück. "Lieber werde ich getötet, als nach Ägypten zurückzugehen", lässt er den Dolmetscher übersetzen. Die Richterin diktiert es fürs Protokoll. Sie muss nun in den nächsten zwei Wochen entscheiden, ob der junge Mann, der vor ihr sitzt, abgeschoben wird oder hierbleiben darf.
Eine Entscheidung, vor der die 15 Richter des Trierer Verwaltungsgerichts derzeit täglich mehrfach stehen. Das Gericht ist zentral zuständig für alle Asylverfahren im Land. Über 10 000 Asylanträge wurden 2014 hier gestellt. Damit hat auch die Zahl der Klagen gegen Abschiebungen zugenommen. Zwei Wochen nach dem entsprechenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge muss die Klage beim Gericht vorliegen.
1808 Klagen gingen im vorigen Jahr beim Verwaltungsgericht ein, 1779 wurden erledigt - im Schnitt in fünf Monaten. Trotzdem spricht Verwaltungsgerichtspräsident Georg Schmitt nicht von einer Überlastung. Die zunehmende Zahl von Verfahren stelle eine enorme Herausforderung dar, sei aber zu bewältigen. Alle Richter nähmen sich Zeit für jeden einzelnen Fall, hörten die Klagen ausführlich an und befassten sich bei der Entscheidungsfindung ausführlich mit dem betreffenden Land und der aktuellen Situation dort. Solange das Verfahren läuft, droht den Asylbewerbern keine Abschiebung. Selbst wenn das Gericht die Klage ablehnt, müssen sie zumeist nicht sofort das Land verlassen. Rheinland-Pfalz setze auf die freiwillige Rückkehr, heißt es im Integrationsministerium.Extra

Aus Deutschland sind im vorigen Jahr so viele Menschen abgeschoben worden wie seit acht Jahren nicht mehr, und zwar 10 884. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, über die die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete. Demnach ist die Zahl der Abschiebungen nach Jahren des Rückgangs 2014 das zweite Mal in Folge gestiegen. Höher war sie zuletzt 2006, als 13 894 Menschen abgeschoben wurden. 2013 waren 10 198 Abschiebungen registriert worden. dpa

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