Zeuge Kurt Beck: Menschen können irren

Koblenz · Der Prozess vor dem Landgericht Koblenz um die Gefährdung von Steuergeld am Nürburgring hat am Dienstag mit der Zeugenaussage von Kurt Beck einen Höhepunkt erfahren. Eine Überraschung hatte der ehemalige Ministerpräsident nicht parat.

Koblenz. Irgendwann entfährt Kurt Beck dieser Satz: "Menschen können irren." Der Polit-Pensionär, der das Land fast 19 Jahre lang regiert hat, weiß genau, dass ihm am Nürburgring Fehler unterlaufen sind. Er räumt das auch freimütig ein. Aber Irrtümer, das dürfte Zeuge Beck sehr bewusst sein, sind nicht strafbar. Und genau um diese Trennlinie zwischen Fehleinschätzungen auf der einen oder vorsätzlich schädlichen Handlungen auf der anderen Seite geht es in diesem Verfahren.
Das Gericht muss in den kommenden Monaten klären, ob der ehemalige Finanzminister Ingolf Deubel und die fünf mitangeklagten Manager nur leichtsinnig waren und sich getäuscht haben oder täuschen ließen - dann wären Freisprüche die Folge - oder ob sie bewusst versucht haben, sozusagen auf "Deubel komm raus", einen Baustopp an der Eifel-Rennstrecke zu verhindern und damit zu retten, was nicht mehr zu retten war und in der Insolvenz endete. Dann wären Verurteilungen unumgänglich.
Kurt Beck, konzentriert und selbstsicher wirkend, behauptet nachdrücklich, er könne sich nicht vorstellen, sein langjähriger Mitstreiter Deubel könnte etwas Unrechtmäßiges getan haben. Schon seit 2004 und erst recht seit 2006 nach dem Antritt der SPD-Alleinregierung sei der Ausbau des Rings abgemacht gewesen. Genau beziffern will Beck es nicht, aber wohl zur Hälfte hätten die erforderlichen Investitionen von Privaten kommen sollen.
Die scheinbar unverfängliche Aussage des Vorsitzenden Richters Winfried Hetger, die Kabinettsprotokolle der damaligen Zeit seien "wenig erhellend", pariert Beck mit der Antwort, das habe den Gepflogenheiten entsprochen, nur Beschlüsse zu protokollieren. Ingolf Deubel habe im Ministerrat korrekt und vollständig informiert. Er habe keinen Verstoß erkennen können.
Wenn es auf Nachfrage des Richters, der Staatsanwältin oder von Verteidigern konkreter werden soll, verweist der ehemalige Ministerpräsident darauf, wie lange die Abläufe zurücklägen. Dann sagt Kurt Beck, er habe "das nicht gegenwärtig" oder "das kann ich nicht mehr hintereinander bringen". Einzelheiten und Details - Fehlanzeige. Verträge seien nicht vorgelegt worden. Ausschließen könne er das aber nicht. "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste", sagt Beck.
Offenbar ahnt der 64-Jährige, dass ihm das Nichtwissen negativ ausgelegt werden könnte. "Ich möchte nicht den Eindruck der tumben Inkompetenz stehen lassen", betont Beck. Als Regierungschef habe er sich "immer nur Schlüsselfragen stellen müssen, sie verlieren sich sonst und gehen völlig unter".
Der langjährige Ministerpräsident hält die Investitionen in der strukturschwachen Eifel nach wie vor für richtig. Bernd Schneider, Anwalt des wegen Beihilfe zur Untreue angeklagten Ex-Förderbankchefs Hans-Joachim Metternich, zitiert aus einer früheren Aussage Becks vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags, der zufolge am Ring jährlich 150 Millionen Euro Bruttoumsatz und 22 Millionen Euro Steuern generiert würden. "Ja", bestätigt Beck. Und ergänzt, die Hotels in der Eifel, an der Mosel und im Hunsrück seien bei Formel-1-Rennen stark ausgelastet. Dass die Landesförderbank ISB nach Vorgabe der damaligen Landesregierung die Mittel für den Ausbau bereitstellte und dabei auch den Teil übernahm, den der vermeintliche Investor Kai Richter tragen wollte oder sollte, bestätigt Beck ebenfalls. Er betont aber, auf keinen Fall hätten die dazu erforderlichen Prüfungen ausgeschaltet werden dürfen. Er sei davon ausgegangen, dass alles nach Recht und Gesetz erfolge - "was denn sonst". Eben das geschah offenbar nicht, denn die Staatsanwaltschaft spricht von fehlenden Bonitätsprüfungen und Sicherheiten für die Kredite des Projektentwicklers Richter.
"Menschen können irren": Kurt Beck gibt politische Fehler zu - und dass er sich mehrfach "stark geärgert" habe. Aber die Abrechnung Nürburgring werde erst erfolgen, wenn wieder Normalität eingekehrt sei. In fünf Jahren werde man das positiv sehen. Auf der Anklagebank nickt Ingolf Deubel, und im Zuschauerraum Martin Stadelmaier, ehemaliger Chef der Staatskanzlei. Wie das Gericht das beurteilt, bleibt abzuwarten.

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