"Zu schade zum Verbrennen"

Tiermehl darf seit dem Höhepunkt der BSE-Krise in der Europäischen Union nicht mehr an Nutztiere verfüttert werden. Jetzt sieht es so aus, als würde das Verfütterungsverbot schon bald gelockert. Einen entsprechenden Vorschlag will die EU-Kommission noch in diesem Jahr auf den Tisch legen.

Trier. Wahrscheinlich waren es die rapide steigenden Lebens- und Futtermittelpreise, die das Thema beflügelten. Seit die Bauern an ihre Rinder, Schweine oder Hühner kein Tiermehl mehr verfüttern dürfen, müssen sie tierisches Eiweiß durch pflanzliches ersetzen. Ein teurer Spaß. Der Preis für Sojaschrot etwa stieg binnen eines Jahres um knapp 60 Prozent. Ein weiteres Problem: Dreiviertel seines Eiweiß-Bedarfs müsse der Tiersektor in der EU importieren, sagt Karin Bothe, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bauernverbandes Rheinland-Nassau. Das sei schon deshalb schwierig, weil außerhalb der EU fast nur noch gentechnisch behandeltes Saatgut verwendet werde. Futtermittel dürften aber nur eingeführt werden, wenn keinerlei Spuren von Gentechnik nachweisbar seien.

Ein Teufelskreis, aus dem es aber einen Ausweg gibt, meint nicht nur der Bauernverband. Wenn Tiermehl wieder verfüttert werden dürfe, könne die Abhängigkeit von importiertem Soja und von Futtermittel-Importen verringert werden, sagt der Dauner FDP-Bundestagsabgeordnete und Landwirtschaftsexperte Edmund Geisen. Tiermehl liefere wichtige tierische Proteine und könne dazu beitragen, die Eiweiß-Lücke in der Tiernahrung zu schließen. "Es ist zu schade, um verbrannt oder vernichtet zu werden", sagt Geisen. Genau das aber geschieht, seit im Zuge der BSE-Krise Anfang des Jahrzehnts das Verfüttern von Tiermehl und Tierfett an Nutztiere verboten wurde. Eine offensichtlich erfolgreiche Maßnahme. Seitdem geht die Zahl der BSE-Fälle in nahezu allen EU-Ländern kontinuierlich zurück. So deutlich, dass mancherorts bereits darüber diskutiert wird, die BSE-Schutzmaßnahmen wieder zu lockern.

Ein paar schwarze Schafe genügen



Zwar soll es auch künftig verboten sein, Tiermehl an Wiederkäuer wie Rinder zu verfüttern. Für Schweine oder Hühner allerdings soll das Tiermehl-Verbot nach Ansicht der EU-Kommissarin für Gesundheitsschutz, Androula Vassiliou, wieder aufgehoben werden. Genau das forderten unlängst auch Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) und der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Gerd Sonnleitner. Das sei "artgerecht und ernährungsphysiologisch sinnvoll", sagt Karin Bothe vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau. Auch das rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerium signalisiert Zustimmung. Grundsätzlich sei eine Wiederzulassung der Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen (…) zu befürworten, sagt Ministeriumssprecherin Beate Schrader. "Damit wird eine wertvolle Protein-Quelle wieder nutzbar, und andere Ressourcen werden geschont."

Voraussetzung sei allerdings, dass die Wissenschaft grünes Licht gebe, sind sich die Befürworter einig. Zudem müssten die Regelungen EU-weit einheitlich gelten und strengstens überwacht werden, meint Edmund Geisen.

"Das funktioniert doch in der Praxis nicht", sagt dagegen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken (Bitburg). Es sei kaum zu verhindern, dass nach einer Lockerung des Verbots auch an Rinder wieder Tiermehl verfüttert werde. "Da genügen einige schwarze Schafe, um eine Katastrophe auszulösen", sagt die grüne Agrar-Expertin. Nach Ansicht Höfkens belegen die Skandale der letzten Jahre, "dass die kriminellen Energien im Fleischbereich nicht in den Griff zu bekommen sind". Forderung der Grünen: Die Verfütterung von Tiermehl an Nutztiere müsse in der EU grundsätzlich verboten bleiben.

Beim Bauernverband Rheinland-Nassau blickt man derweil optimistisch nach Brüssel. Vermutlich im übernächsten Jahr werde das generelle Verfütterungsverbot fallen, heißt es unter Verweis auf die EU-Kommission.

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