Zum Glück vereint

Rom · Politiker aus 27 Nationen feiern EU-Jubiläum mit Sondergipfel in Rom.

Rom Gezückte Dolche, Menschen und Pferde am Boden, verzweifelte Gesichter, Blut. Dies ist die Kulisse, vor der die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in der italienischen Hauptstadt zusammenkommen, um die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor genau 60 Jahren zu feiern. Das riesige Wandgemälde im Saal der Horatier und Curatier, wo am 25. März 1957 das Vertragswerk unterzeichnet wurde und damit die Geburtsstunde der EU schlug, zeigt den Kampf der beiden Geschlechter, die stellvertretend für die Römer und die Albaner den Konflikt der beiden Völker austrugen.
Die Meinungsverschiedenheiten unter den Mächtigen des Europas von heute waren schon im Vorfeld der Geburtstagsfeier ausgefochten worden. Die üblichen Verdächtigen, Polen und Griechen, hatten damit gedroht, die Rom-Erklärung nicht zu unterschreiben. Letztlich führten aber die Wege aller nach Rom. Die redaktionellen Veränderungen, die die Widerspenstigen auf den letzten Metern durchgesetzt haben, werden aber wohl nur Feinschmecker schätzen können.
So unterscheidet sich der Text, auf den sich die Unterhändler bei ihrem letzten Treffen am Montag geeinigt hatten, von dem drei Din-A 4-Seiten langen Schriftstück, das schließlich von allen 27 Regierungschefs mit dem Füllhalter von damals unterschrieben wurde, nur in einem kleinen Detail. Bei den sozialpolitischen Zielen tritt nun auch ausdrücklich der Kampf gegen die "Arbeitslosigkeit" hinzu, wo bislang nur der Kampf gegen Diskriminierung, soziale Benachteiligung und Armut vermerkt war. Dies ist dann auch das einzige Zugeständnis, das der griechische Regierungschef Alexis Tsipras durchsetzen konnte. Dabei hatte er doch eine viel weitergehende Formulierung erreichen wollen. Eine, die er immer dann hätte herausholen können, wenn die Gläubiger im Schuldenstreit von den Griechen wieder einmal einschneidende Sozialreformen verlangen. Damit war alles abgeräumt, was einer würdigen Geburtstagsfeier im Weg stand. Dabei wurde es durchaus gefühlig. Paolo Gentiloni, der italienische Regierungschef, sagte: "Ich kann nicht verbergen, dass mich Emotionen packen, weil ich heute hier teilnehme in dem selben Saal, wo vor 60 Jahren die Römischen Verträge unterschrieben worden sind." Die Erklärung, die nun unterschrieben werde, habe den "richtigen Geist", um voranzugehen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erinnerte daran, dass Europa ein Friedensprojekt ist. "Unsere Väter und Großväter sind kurz vorher von den Schlachtfeldern und aus den Konzentrationslagern zurückgekommen." Er forderte die Europäer auf, selbstbewusster zu sein: "Wir sind ungenügend stolz auf das in Europa Erreichte."
Sichtlich gestärkt vom Vertrauen, das ihm gerade erst bei seiner Wiederwahl aus 27 Hauptstädten entgegengebracht wurde, legte EU-Ratspräsident Donald Tusk den Finger in die Wunde und mahnte, die EU dürfe nicht nur lauter Beschlüsse fassen, sie müsse sich auch daran halten. Die Beachtung der Verträge und rechtlichen Vereinbarungen unter den Mitgliedsstaaten ist "das eigentliche Fundament für unsere Gemeinschaft". Den Streit um die Gemeinschaft der verschiedenen Geschwindigkeiten hält Tusk dagegen für überzogen. In Danzig geboren habe er bis zum Fall der Mauer sein halbes Leben hinter dem Eisernen Vorhang verbracht: Damals habe es tatsächlich ein Europa der "zwei Geschwindigkeiten" gegeben.
Vor allem die Regierung in seinem Heimatland Polen wehrte sich lange gegen eine Passage in der Rom-Erklärung, die ein unterschiedliches Tempo bei der multilateralen Zusammenarbeit vorsieht. Sie fürchtet, abgehängt zu werden, wenn Berlin und Paris und andere schneller vorangehen. Die Möglichkeit, strittige Dinge im kleinen Kreis in Zukunft voranzutreiben, ist aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wichtig. Wichtig sei es, sagte sie, Arbeitsplätze zu schaffen. Und dann kam es: "Wir haben uns verpflichtet, es gemeinsam zu tun. Manchmal vielleicht mit verschiedenen Geschwindigkeiten, immer aber in die gleiche Richtung." Und als Bekräftigung zitierte sie eine Passage aus der sogenannten Berlin-Erklärung von 2007, also zum 50. Jahrestag der Verträge: "Wir sind zu unserem Glück vereint."SECHS STAATEN LEGTEN GRUNDSTEIN FüR EU


Extra

(dpa) Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg unterzeichneten am 25. März 1957 die Römischen Verträge und legten damit den Grundstein für die heutige Europäische Union (EU). Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der für die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) traten am 1. Januar 1958 in Kraft. Vorläufer für die neuen Zusammenschlüsse war die 1951 gegründete "Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl" (Montanunion).

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