Zweibrücken: Warum schlug die EU so hart zu?

Zweibrücken · In der Region rund um den vom Aus bedrohten Flughafen Zweibrücken geht der Blick nach vorne. Nach dem Gang zum Insolvenzrichter läuft die Suche nach Investoren auf Hochtouren.

Zweibrücken. Es gibt nach Informationen der Rhein-Zeitung zwei ernstzunehmende Kandidaten, deren finanzieller Hintergrund noch genauer ausgeleuchtet werden muss. Insgesamt ist die Stimmung mit Blick auf den Pfalz-Airport eher gedrückt. "Die Rettung wird schwierig", heißt es allerorten. Nun wird viel von Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner abhängen.Hoffnung auf Interessenten


Parallel zu allen Bemühungen, möglichst viele Arbeitsplätze in der Westpfalz zu erhalten, kommen immer mehr Details zu den gescheiterten Verhandlungen mit der EU ans Licht. Hintergrund: Brüssel verlangt die Rückzahlung von staatlichen Beihilfen in Höhe von bis zu 56 Millionen Euro. Damit ist der verschuldete Flughafen pleite.
In ihrer internen Beschlussvorlage vom 11. Juli, das offizielle Votum steht noch aus, bringt die Wettbewerbsbehörde ihre Unzufriedenheit mit dem Businessplan des Pfalz-Airports zum Ausdruck. In dem 124-Seiten-Dokument, das uns vorliegt, ist vor allem Ziffer 223 interessant. Dort wird bemängelt, dass die Rentabilität der staatlichen Zuschüsse nicht seriös unterlegt wurde. Der Flughafen analysiere seine wirtschaftliche Lage nicht sauber, sondern setze einseitig auf stark steigende Passagierzahlen. Von über 500 000 Fluggästen ist die Rede. 2013 waren es gerade mal 221 000. In Ziffer 225 urteilt Brüssel harsch: Ein umsichtiger Investor würde so nicht vorgehen. Bei der rheinland-pfälzischen CDU-Opposition fragt man sich, ob Rheinland-Pfalz seine ökonomischen Hausaufgaben nicht richtig gemacht hat und damit die verheerende Flughafen-Pleite möglicherweise mit auslöste. Der Zweibrücker Flughafengeschäftsführer Werner Boßlet indes versteht seit geraumer Zeit die Welt und Brüssel schon gar nicht mehr. Einseitig auf Passagierzuwachs gesetzt? "Das ist wirklich totaler Unsinn", meint er. Das Wachstum im Passagierbereich wurde seinen Angaben nach moderat mit zwei Prozent pro Jahr kalkuliert. "Das ist durchaus realistisch, da wir 2015/16 weitere Ziele in den Flugplan aufnehmen wollten", so Boßlet gegenüber der Rhein-Zeitung. Zudem plante der Pfalz-Airport einen sachten Zuwachs an Fracht (1400 Tonnen jährlich) und Einsparungen: Parkflächen sollten besser bewirtschaftet werden, die Einführung eines Duty-Free-Verkaufs war geplant, Handling- und Landeentgelte sollten behutsam erhöht werden, Flughafenmitarbeiter im Winter zum Landesbetrieb Mobilität wechseln. Viele dieser Schritte kennt man vom Flughafen Hahn. Und ab wann standen die Sanierungsschritte zur Debatte? "Ab Ende 2012/Anfang 2013", sagt Boßlet. Die von Brüssel beklagte Businessplanung liegt laut Innenministerium sogar noch länger zurück, beziehe sich auf eine Projektion aus dem Jahr 2010.Viele offene Fragen



Mäkelt die Wettbewerbsbehörde an alten Zahlen herum? Oder hatte sie keine neueren? In der rot-grünen Landesregierung ist man weiter nachhaltig verstimmt über die EU. Im Entwurf zum Beihilfebeschluss spielen sämtliche Kooperationskonzepte für eine Saarbrücken-Zweibrücken-Lösung überhaupt keine Rollen mehr. Das verärgert. Nur laut will das im Regierungsviertel niemand sagen, weil man die Wettbewerbsbehörde nicht erneut gegen sich aufbringen möchte. Man braucht die EU für die offenen Beihilfefälle Flughafen Hahn und Nürburgring.
Der Landesregierung war nach übereinstimmenden Schilderungen verschiedener Seiten seit Februar dieses Jahres klar, dass der defizitäre Airport Zweibrücken nur durch eine enge Kooperation mit dem benachbarten Saarbrücken überleben könnte. Die neue Flughafenleitlinie sah keine staatliche Subventionierung räumlich benachbarter Flughäfen mehr vor.
Ein loser Zusammenschluss würde der EU niemals reichen, also schlug man in zähen Gesprächen mit Saarbrücken eine enge Kooperation vor. Noch im Mai 2014 war bei einem Gespräch bei der EU-Kommission von einem "Flughafensystem" die Rede. Sogar die Winterschließung von Zweibrücken wurde erwogen. Eckpunkte der geplanten Joint-Venture-Gesellschaft: eine gemeinsame Steuerung, ein Businessplan, zwei Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis und keine gegenseitige Risikoübernahme. Das alles sollte unter Saar-Pfalz-Airport Management GmbH (SPA) firmieren.
Eine weitergehende Fusion (Holding-Lösung) lehnte das Saarland ab. Auf rheinland-pfälzischer Seite munkelt man, dass die Saarbrücker sich nicht vollends in die finanziellen Karten sehen lassen wollten. Im Mainzer Innenministerium und in der Staatskanzlei ging man bis Mitte Juli davon aus, dass Brüssel nur einen Lösungsvorschlag für beide defizitären Flughäfen akzeptieren würde. Dann kam die Wende.
Bei Rot-Grün ist man sauer, dass die EU die staatlichen Zuschüsse für Saarbrücken durchwinkt und die für Zweibrücken als illegal erklärt. Auch das Saarland operierte mit steigenden Fluggastzahlen, heißt es. Und weiter: Es könne nicht angehen, dass in Brüssel bei gleichem Sachverhalt am Ende die bessere Lobbyarbeit entscheidet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort