Zweiter Weltkrieg: "Vater, hier bin ich!"

Kell am See · Er hat seinen Vater Hermann nie kennengelernt, denn der fiel 1941, im Jahr der Geburt seines Sohnes, als Soldat an der Ostfront des Zweiten Weltkriegs. 69 Jahre später hat sich Werner Herpel aus Kell am See auf die Reise nach Weißrussland gemacht und dort die Stelle gefunden, an der sein Vater begraben ist.

 Das alte Familienbild an der Wand ist die einzige Erinnerung, die Werner Herpel an seinen Vater Hermann (Zweiter von rechts) hat. TV-Foto: Hans Muth

Das alte Familienbild an der Wand ist die einzige Erinnerung, die Werner Herpel an seinen Vater Hermann (Zweiter von rechts) hat. TV-Foto: Hans Muth

Kell am See. Als Werner Herpel am 3. Oktober 1941 zur Welt kam, hatte sein Vater Hermann nur noch sechs Tage zu leben. "Er ist am 9. Oktober in Russland gefallen", erzählt der Rentner aus Kell am See. "Von meiner Geburt hat er leider keine Kenntnis mehr erhalten."

Später habe ihm seine Mutter das erzählt, was sie vom Tod ihres Mannes wusste. Sie hatte erfahren, dass Hermann Herpel in einer Ortschaft namens Gomel auf einem Marktplatz hinter einer Kuppelkirche begraben worden sei.

"Je älter ich wurde, desto mehr habe ich mir gewünscht, das Grab meines Vaters zu finden. Irgendwann fand ich dann in einer Zeitung ein Reiseunternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, Angehörige zu den Gräbern gefallener Soldaten zu bringen", sagt Herpel.

15 Menschen, ebenfalls mit dem Ziel, ihre Angehörigen zu finden, begleiteten Herpel auf der Reise durch das heutige Weißrussland. "Nach 1600 Kilometern Busfahrt kamen wir in ein Dorf, in dem man dabei war, Soldaten auszugraben und auf den Ehrenfriedhof Schatkowo umzubetten. Das geschieht dort heute täglich, und ich kann den Menschen, die auf der Suche nach ihren Angehörigen sind, nur empfehlen, nicht aufzugeben", sagt Herpel (siehe Extra).

Besonders ergreifend war es für ihn, dass die damit beauftragten Arbeiter nicht nur die Toten, sondern auch deren persönliche Gegenstände bargen. In Schatkowo werden die Toten in Quadraten, die einem Schachbrett ähneln, beerdigt. Auf Steinsäulen werden ihre Namen eingraviert. Eine mitgereiste Frau habe dort ihren Vater wiedergefunden.

Für Herpel dauerte die Suche nur ein wenig länger. Er traf in einer Klosterkirche einen Mann, der deutsch sprach. Bei ihm erkundigte sich Herpel nach dem Ort Gomel, in dem sein Vater beerdigt sein sollte. "Ich sagte dem Mann, dass mein einziger Anhaltspunkt der Marktplatz hinter der Kuppelkirche sei, und er konnte mir tatsächlich weiterhelfen", erzählt der Keller. Es handelte sich um die bekannte Kathedrale Peter und Paul. "In Gomel stieß ich dann auf eine orthodoxe Nonne, die mir eine Fotografie des Friedhofs aus den Kriegsjahren brachte. Darauf zeigte sie mir genau die Stelle im Park, wo mein Vater beerdigt ist", berichtet Herpel dem TV. Und er erzählt weiter: "Die Abschiedszeremonie, die speziell für meinen Vater stattfand, werde ich nie vergessen. Sie endete mit dem Lied ,Ich hatt` einen Kameraden.' Endlich konnte ich an seinem Grab sagen: Vater, hier bin ich!"

ExtraLetzte Ruhe: In Schatkowo entsteht derzeit eine Friedhofserweiterung für 52 000 gefallene Soldaten aus dem damaligen Kriegsgebiet Gomel und Witebsk. 10 000 Soldaten haben dort bereits ihre letzte Ruhe gefunden. Die bereits im Park von Gomel beerdigten Soldaten bleiben dort begraben. Viele Soldaten können anhand ihrer Erkennungsmarken identifiziert werden. Es existiert auch eine Auflistung der Soldaten, die in Schatkowo und Gomel würdevoll beigesetzt sind. So können auch heute noch zahlreiche Vermissten-Schicksale aufgeklärt werden. Infos unter http://www.volksbund.de/graebersuche (hm)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort