Zweitwohnsitz für Studenten steuerfrei

Das Urteil könnte Universitätsstädte viel Geld kosten: Ein Student mit Hauptwohnsitz bei den Eltern muss laut Oberverwaltungsgericht keine Zweitwohnungssteuer an seinem Studienort zahlen. Mit dieser Entscheidung zugunsten eines Mainzer Studenten gerät auch in Trier die Steuer und ihr Abschreckungseffekt ins Wanken.

Mainz/Trier. Im Kampf gegen die umstrittene Zweitwohnungssteuer hat ein Mainzer Student zum zweiten Mal Recht erhalten: Ein Zimmer bei den Eltern ist keine Erstwohnung im steuerrechtlichen Sinne, so der Tenor eines am Freitag vom OVG Rheinland-Pfalz in Koblenz veröffentlichten Urteils. Deshalb könne der Student am Studienort auch formal keine zweite Wohnung innehaben. Folglich sei die Steuer in diesem Fall nicht gerechtfertigt (Az.: 6 A 11354/07.OVG). Weil das Urteil bundesweite Bedeutung erlangen kann, will die Stadt Mainz beim Bundesverwaltungsgericht in Revision gehen.Darauf setzt auch die Stadt Trier nach Angaben von Pressesprecher Ralf Frühauf. Da es anders lautende Entscheidungen in Nordrhein-Westfalen gebe, sei eine verbindliche Klärung notwendig. Zwar ist das Aufkommen aus der Zweitwohnungssteuer (zehn Prozent der Jahreskaltmiete) begrenzt. Es lag in Trier 2007 bei 136 000 Euro. Doch es geht insgesamt um einen Vorteil von jährlich nahezu drei Millionen Euro. Nach der Einführung der Steuer meldeten rund 3300 Bürger ihren Erstwohnsitz in der Moselmetropole an, vor allem, um die Steuer zu umgehen. Die Einwohnerzahl sprang über die 100 000er-Grenze (102 500). Damit werden jährlich 1,4 Millionen Euro mehr an Konzessionsabgabe der Stadtwerke an die Stadt fällig. Weitere rund 1,5 Millionen Euro schlagen in erhöhte Schlüsselzuweisungen des Landes zu Buche, die sich an der Bewohnerzahl orientieren.Kippt die Zweitwohnungssteuer, dürften viele Studenten ihren Studienort wieder als Nebenwohnsitz melden. In Mainz hatten sich wegen der drohenden Steuer rund 6000 Bürger umgemeldet. Aus Sicht der Koblenzer Richter haben allerdings Studenten weder echte Verfügungsmacht über ihre Zimmer bei den Eltern, noch lasse der Zweitwohnsitz auf besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schließen, die eine zusätzliche Steuer rechtfertige. Die Stadt Mainz zeigte sich verwundert über die steuerrechtliche Definition des Hauptwohnsitzes durch das Gericht. Bislang sei stets von den Kommunen auf das Melderecht bei der Steuer abgehoben worden, um eine Ummeldung zu erreichen. Auch diese Bürger nutzten schließlich die von der Stadt finanzierte Infrastruktur. Meinung Verspekuliert Trier droht erneut der verlustreiche Absturz unter die so mühsam erklommene 100 000-Einwohner-Marke. Ein solcher Rückschritt wäre äußerst schmerzlich für den Kämmerer, würde dadurch doch das ohnehin große jährliche Loch im Stadtsäckel weiter aufreißen. Drei Millionen Euro sind nicht nur für das chronisch defizitäre Trier eine Menge Geld. Es sind einige Universitätsstädte, die sich offenbar verspekuliert haben, in dem sie auf vergleichsweise bequeme Art versuchten, ihre Einwohnerzahlen vor allem mit Studenten aufzustocken, von denen niemand so genau weiß, wie lange sie vor Ort studieren, wie viele Semester sie an der jeweiligen Hochschule sind und inwieweit sie städtische Einrichtungen tatsächlich nutzen. Viele müssen ihren Obolus zum Nahverkehr ohnehin zwangsweise über Semesterticket und Verwaltungsgebühren entrichten, egal ob sie fahren oder nicht. Der Studienort nur als Nebenwohnsitz ist für Studenten bequem, aber auch sinnvoll, weil dann weder Ausweise noch KFZ-Zulassungen oder sonstige Papiere zu ändern sind. Eine Steuer als Drohinstrument oder Daumenschraube ist immer ein schlechtes Mittel. j.winkler@volksfreund.de

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