Zwischen Schliemann und Indiana Jones

Veldenz/Trier · Ein Trierer Schlossherr macht sich auf die Suche nach einem historischen Dokument: dem Veldenzer Landrecht von 1580. Was Gilbert Haufs-Brusberg dabei erlebte? Lesen Sie selbst!

Wer als Reporter ein Interview mit Gilbert Haufs-Brusberg führt, ist gut beraten, genügend Papier und einen Reserve-Kugelschreiber bereitzuhalten. Wenn der renommierte Trierer Steuer-Anwalt bei Gericht mit annähernd der gleichen Fließgeschwindigkeit plädiert wie bei der Schilderung seiner Abenteuer als Burgherr, dann muss sich die Gegenpartei warm anziehen.

Aber der Reihe nach: 1995 kauften Haufs-Brusberg und seine Frau Christa das einst prächtige, nahe Bernkastel gelegene Schloss Veldenz, welches sich freilich in einem arg ruinösen Zustand befand - Folge der rüden Attacke von Sonnenkönig Louis XIV., der das Gemäuer 1680 schleifen ließ.Adliges Fußvolk wird Dynastie

Zu diesem Zeitpunkt waren Schloss und Burg-Anlage schon ein halbes Jahrtausend alt. Seit 1107 hatten dort die Grafen von Veldenz residiert, hierarchiemäßig eher dem adligen Fußvolk zugehörig, aber mit respektablen materiellen Gütern ausgestattet.

Ein ehrgeiziges Geschlecht, wie Haufs-Brusberg alsbald recherchierte: "Die haben sich hochgeheiratet". Nach über 400 Jahren geschickter Dynastie-Politik war es so weit: 1543 erhielt Ruprecht von Veldenz von seinem Neffen, dem Wittelsbacher Wolfgang von Zweibrücken, die Würde des neu gegründeten Herzogtums Pfalz-Veldenz. Samt eigener Währung, dem Veldenzer Thaler, und eigenem Landrecht, wie es auch einem kleinen Duodez-Fürstentum mit 200 Dörfern zustand.

Die Sache mit dem eigenen Gesetzbuch ließ einen ordentlichen Juristen wie Gilbert Haufs-Brusberg nicht ruhen. Wenn es das Landrecht gab, musste es doch irgendwo zu finden sein. Die entsprechenden Paragrafenwerke der Herzogtümer Köln, Trier, Heidelberg, Zweibrücken oder Tübingen waren längst aktenkundig und erforscht. Nur Veldenz blieb ein weißer Fleck auf der Landkarte des mittelalterlichen Rechts.

Der nun seinerseits vom Ehrgeiz gepackte Jurist begann um das Jahr 2000 herum mit der systematischen Suche nach dem verschollenen Kodex. Er korrespondierte mit den Verfasserinnen längst zurückliegender Dissertationen, deren ehelich gewechselte Namen er mühsam herausforschte. Vergeblich: Niemand wusste etwas über das Veldenzer Landrecht. "Denen war nicht mal aufgefallen, dass es fehlte", vermerkt Haufs-Brusberg mit einem fast unmerklichen Runzeln der buschigen Augenbrauen.

Er fährt zehn Jahre lang durch halb Europa, besucht Bibliotheken in Rouen, Karlsruhe und Straßburg, durchforstet das Wittelsbacher-Archiv in München, das Bundesarchiv in Koblenz. Es finden sich immer wieder Spuren, die auf das Elsass als möglichen Fundort hinweisen. Das passt zur Historie, besaßen die Veldenzer Herzöge dort im 16. Jahrhundert doch die Grafschaft Lützelstein (heute: "La petite-pierre") und die von ihnen gegründete Stadt Pfalzburg (heute: Phalsbourg). Zudem war Ludwig Leopold, der letzte Herzog von Veldenz, 1694 verarmt und vereinsamt in Straßburg gestorben, nachdem er zuvor alle seine Söhne zu Grabe getragen hatte. Die Töchter hinterließen ebenfalls keine Erben, das Stammschloss war zerstört - so verschwand die einst stolze Dynastie, gerade als sich die Pracht des Hochbarocks so richtig entfaltete.Riecher eines Trüffelschweins

Gilbert Haufs-Brusberg, mit dem Riecher eines rechtshistorischen Trüffelschweins ausgestattet, beißt sich im Elsass fest. Er findet einen Mitstreiter in dem Hobby-Historiker Paul Kittel aus Phalsbourg. Gemeinsam durchstreift man tagsüber Archive und abends auch schon mal Edelrestaurants. Man lernt die wackligen Tritte von Bibliotheksleitern kennen und den Geruch des Staubes in den oberen Reihen von Lesesälen.

Irgendwann, die Hoffnung ist schon geschwunden, fällt Paul Kittel durch einen "ganz blöden Zufall" (Haufs-Brusberg) ein Exemplar der "Revue d'Alsace" aus dem Jahr 1871 in die Hände. Fast unleserlich findet sich dort der Hinweis auf ein Exemplar des Landrechts von Pfalz-Veldenz in der Bibliothek von Colmar, 60 Kilometer südlich von Straßburg gelegen. Allerdings unter dem etwas irritierenden Titel "Lützelsteiner Landsordnung".
Am selben Tag noch trifft man sich in Colmar, greift mit zitternden Händen nach dem 345 Blatt schweren Folianten, der sich in einer abgelegenen Ecke findet. "Wir kamen uns vor wie eine Mischung aus Heinrich Schliemann und Indiana Jones", schildert Gilbert Haufs-Brusberg den historischen Moment, als sich herausstellt, dass die Blätter tatsächlich eine handschriftliche Fassung des Veldenzer Landrechts enthalten. Und das sogar ("Ich hatte Tränen in den Augen, als ich die Unterschrift sah") persönlich signiert vom Pfalzgrafen Georg Johannes von Veldenz.

Doch die härteste Arbeit steht noch bevor: die teilweise unleserlichen Manuskripte in mittelalterlicher Schrift einzeln zu fotografieren und Seite für Seite am PC ins Deutsche zu transkribieren. Irgendwann findet Haufs-Brusberg heraus, dass nicht unerhebliche Teile aus dem Württembergischen Landrecht übernommen waren - was die Arbeit etwas erleichtert und letztlich zeitlich auf drei Jahre beschränkt.

Den "Fund meines Lebens" stellte der heute 66-Jährige kurz entschlossen in den Mittelpunkt seiner Doktorarbeit - das eigentlich geplante und bereits auf den Weg gebrachte Steuerthema musste weichen. Seit Jahresbeginn darf er sich Dr. jur. nennen. Dass seine mehr als zehnjährige Suche einen Sinn hatte, daran gibt es für Gilbert Haufs-Brusberg trotz des entlegenen Themas keinen Zweifel. "Der weiße Fleck ist weg, die Veldenzer haben ihr Landrecht zurück, eine Lücke in der Erforschung der Entstehung unseres Rechts ist geschlossen", sagt er sichtlich zufrieden. Und Spaß gemacht hat das Indiana-Jones-Spielen offensichtlich auch. Extra

Ein mit Bildern, Karten und Dokumenten ergänztes Buch über "Die Lützelsteiner Lands Ordnung" ist im Verlag für Geschichte und Kultur, Trier erschienen. Es enthält auf 483 Seiten auch die Dissertation von Gilbert Haufs-Brusberg. In der nächsten Woche wird es der Öffentlichkeit vorgestellt: Am 1. Oktober um 19 Uhr in der Zentrale der Kreissparkasse Mittelmosel in Bernkastel-Kues und am 2. Oktober um 19 Uhr im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins Trierisch im Trierer Dommuseum. DiL

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