Zyprioten und Sozialdemokraten teilen heftig gegen die Kanzlerin aus

Berlin · Auswirkungen der aktuellen Krise: Die Ablehnung der EU-Hilfen für Zypern durch das Parlament in Nikosia hat in Berlin eine kontroverse politische Debatte über die Rolle der Bundesregierung bei dem Debakel ausgelöst.

Berlin. Auffallend zurückhaltend geht man in der Koalition mit den teils persönlichen Angriffen der Zyprer gegen Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) um. Der Kassenwart selbst äußerte sogar ein gewisses Verständnis: "Dass Menschen protestieren, das verstehe ich, da müssen wir ruhig bleiben", sagte er schon am Dienstagabend in einer ersten Reaktion auf den Beschluss des Parlaments in Nikosia. Schäuble vermied jeden Schuldvorwurf und jede Anspielung. Er sprach zum Beispiel statt von russischen Oligarchen von "Investoren". In der Sache aber blieb er knallhart: Das zyprische Finanzsystem sei de facto "insolvent", sagte der CDU-Politiker.
Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle keilte nur auf Sparflamme zurück. Immerhin fand er die nachträgliche Ablehnung eines von Zypern selbst mit ausgehandelten Kompromisses "ziemlich merkwürdig". Schließlich habe in Brüssel ja "nicht der Pförtner" mit am Verhandlungstisch gesessen, sondern der zypriotische Präsident, so Brüderle.
Dagegen suchte die SPD den Zorn der Zyprer auf ihre eigenen Wahlkampfmühlen zu leiten und teilte ebenfalls heftig gegen Merkel aus. "Das Zypern-Desaster trägt ihre Handschrift", polterte Parteichef Sigmar Gabriel. Stein des Anstoßes ist der ursprüngliche Plan, auch alle Bankkunden Zyperns für das Rettungspaket der EU bluten zu lassen, um den geforderten Eigenbeitrag des Landes von sieben Milliarden Euro sicherzustellen. Auf Guthaben bis zu 100 000 Euro sollte eine Abgabe von 6,75 Prozent erhoben werden, auf alle höheren Einlagen 9,9 Prozent. Wegen der massiven Proteste in Zypern hatte die dortige Regierung den Plan noch in letzter Minute nachgebessert und Spareinlagen bis 20 000 Euro abgabenfrei gestellt. Doch auch diese Maßnahme konnte ein "Nein" des zypriotischen Parlaments nicht verhindern.
Gabriel hielt Merkel vor, dass erstmals in der Euro-Krise Bankkunden "faktisch teilenteignet" würden und die Kanzlerin sämtliche "Kleinsparer in ganz Europa verraten" habe. Dabei hatte es bei den Genossen zunächst ganz anders geklungen. "Die Beteiligung von Bankkunden ist richtig", meinte der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), am Wochenende. Nur sozialverträglich müsse es dabei zugehen, mahnte Schulz.
Ja, was denn nun, SPD? Auf diese Frage kam ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Thomas Oppermann, gestern vor Journalisten hörbar ins Schlingern. Kleinsparer dürften nicht geschröpft werden, so Oppermann. Aber wer ist nach SPD-Lesart ein Kleinsparer? Endet er bei 20 000 Euro, oder doch erst bei 100 000 Euro? Diese Summe ist schließlich bei einer Bankinsolvenz staatlich garantiert. Es gehe um eine politische Frage, keine rechtliche, eierte Oppermann. "Wo die Grenze liegt, muss in vernünftigen Verhandlungen mit Zypern beurteilt werden".
Bei der Union verwahrte man sich gestern gegen den Vorwurf, die Kanzlerin habe ihre Garantie für Kleinsparer verraten. Das sei "an Absurdität kaum zu überbieten", schimpft der CSU-Finanzfachmann Hans Michelbach. Nach seiner Darstellung enthält das EU-Hilfsangebot für Zypern keinerlei Verpflichtung, Kleinsparer zu schröpfen. Wie die dortige Regierung den geforderten Eigenanteil aufbringe, sei allein ihre Sache. Dass dieser Anteil kommen muss, weil die Schuldentragfähigkeit Zyperns ansonsten komplett den Bach runterginge, zog gestern nicht einmal die SPD in Zweifel. Die Alternative wäre, die Bankeigentümer in Zypern zur Kasse zu bitten. Doch die stehen selbst vor der Pleite.

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