Gesellschaft Irscher Bäcker kämpft weiter um seinen Mitarbeiter

Irsch/Trier · Manfred Wagner aus Irsch ist voller Sorge. Er findet keine Mitarbeiter für seine Bäckerei. Und der Pakistani, der bei ihm gearbeitet hat, soll das Land verlassen, sobald sein Pass vorliegt. Der sogenannte Spurwechsel würde ihm helfen. Doch er ist umstritten – auch in der Region.

 Bäcker Manfred Wagner hat sich mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Sultan Mohammad schon durch jede Menge Formulare gekämpft. Doch vergeblich. Der Pakistani soll gehen, obwohl der Bäcker ihn in seinem Betrieb braucht.

Bäcker Manfred Wagner hat sich mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Sultan Mohammad schon durch jede Menge Formulare gekämpft. Doch vergeblich. Der Pakistani soll gehen, obwohl der Bäcker ihn in seinem Betrieb braucht.

Foto: Friedemann Vetter

Viele Stunden hat Bäcker Manfred Wagner schon damit zugebracht, nach einer Möglichkeit zu suchen, wie er seinen einstigen Mitarbeiter Sultan Mohammad in Deutschland halten kann. „Ich gehe bis zum Gehtnichtmehr“, sagt Wagner. Dennoch sieht es schlecht für ihn und seine Hilfskraft aus.

Mohammad soll in seine Heimat Pakistan zurückkehren, sobald sein Pass, den er aktuell beantragt hat, vorliegt. Dazu hat ihn die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung aufgefordert (der TV berichtete). Denn Mohammads Asylantrag wurde abgelehnt, die Klage dagegen abgewiesen. Dass Bäcker Wagner nach jahrelanger erfolgloser Suche dringend einen Mitarbeiter braucht für seinen 20 Köpfe zählenden Betrieb, ist kein Argument. Dass Mohammad überall engagiert mit anpackt und sich integriert hat, ebenfalls nicht.

Bäcker Wagner ist nicht der Einzige, der aus Mangel an einheimischen Arbeitskräften einen oder mehrere Flüchtlinge eingestellt hat. Beim Konzer Reifenunternehmen Kiefer sind es gleich vier, die dringend für die Produktion der Winterreifen gebraucht werden, aber laut Ausländerbehörde gehen sollen. Wagner wurde auch schon von zwei Unternehmern aus dem Rheinland angesprochen, die das gleiche Problem haben wie er. Er solle weiterkämpfen, hätten sie gesagt.

Der Spurwechsel Was den Betroffenen helfen würde, wäre die Einführung des Spurwechsels auf Bundesebene. Dieser soll es abgelehnten und gut integrierten Asylbewerbern mit Job über ein Einwanderungsgesetz ermöglichen zu bleiben. Doch der Spurwechsel ist umstritten. Die SPD fordert ihn – auch angesichts vieler unbesetzter Stellen in Deutschland. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind es aktuell mehr als eine Million. FDP, Grüne und Linkspartei haben sich genauso wie Wirtschaftsvertreter für den Spurwechsel ausgesprochen. Große Teile der CDU inklusive der Spitze lehnen ihn ab. Auch eine Stichtagsregelung als Kompromissvorschlag brachte da bislang keine Wende. Demnach dürfte bleiben, wer bis zu einem definierten Tag in Deutschland gearbeitet und sich integriert hat.

Das sagt der Mann aus der Praxis Auf lokaler Ebene spricht sich Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller für den Spurwechsel aus. Er sagt: „Wir brauchen den Spurwechsel. Denn wir brauchen nicht nur Häuptlinge, sondern auch Indianer.“ Das sei in allen Handwerksbranchen so. Er selbst sei in  seinem Elektrobetrieb über jeden Helfer froh. Man müsse umdenken. So arbeite auf Baustellen mittlerweile eine Fachkraft mit drei Helfern zusammen. Man müsse die Leute anlernen. Über Sultan Mohammad sagt Benzmüller: „Er ist aufgeschlossen und aufmerksam. So einen Menschen kann man doch nicht ziehen lassen.“

Das sagt der Landrat Günther Schartz (CDU) lehnt den Spurwechsel ab. Der Landrat sagt: „Deutschland ist – auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – dringend auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen. Deshalb ist ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz richtig. Ein Spurwechsel für Asylbewerber hätte dagegen unerwünschte Effekte – es könnte zu einem ungeregelten Zuzug kommen. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Asylrecht über die Arbeitsmigration ausgehebelt wird. Es hätte schließlich Signalwirkungen und Sogeffekte in Richtung der Menschen, die noch im Herkunftsland sind, aber ebenfalls mit dem Gedanken spielen, nach Deutschland zu migrieren.“ Diese Argumente würde eine Stichtagsregelung allerdings entkräften.

Auf die Frage, wie er dem arbeitskräftesuchenden Bäcker in Irsch denn helfen könne, verweist der Landrat auf andere. Schartz: „Die hohe Attraktivität des deutschen Arbeitsmarkts führt zu umfassender Zuwanderung aus der gesamten EU nach Deutschland. Hier haben die Bundesagentur für Arbeit oder die Kammern sicher ausreichende Möglichkeiten, Herrn Wagner zu helfen.“ An die Handwerkskammer und die Agentur für Arbeit hatte Wagner sich bereits gewandt. Keine der wenigen über diese Stellen vermittelten Arbeitskräfte blieb. Laut Bäcker Wagner haperte es an der Arbeitsmoral. Über den Deutschrumänen, den die Handwerkskammer jüngst vermittelte, sagt Wagner: „Er war nur kurz hier, denn er wollte samstags nicht arbeiten.“

Als Hilfskraft keine Chance Um Sultan Mohammad in seinem Betrieb halten zu können, hatte Manfred Wagner erwogen, ihn zusammen mit Gerd Benzmüller nach Pakistan zu begleiten, damit er in der dortigen Botschaft ein Arbeitsvisum beantragen und direkt wieder einreisen könne. Denn das hat die Ausländerbehörde dem Anwalt von Mohammad laut Wagner empfohlen. Wagner versuchte daraufhin, die Botschaft rund um die Uhr telefonisch sowie per Mail zu erreichen. Erfolglos. Auf TV-Nachfrage erklärt die Kreisverwaltung nun: „Üblicherweise läuft die erste Kontaktaufnahme des Betroffenen beziehungsweise des potenziellen Arbeitgebers mit der Botschaft über das jeweilige Online-Portal. Mehrmonatige Wartezeiten auf persönliche Vorsprachen sind durchaus üblich.“ Doch wäre die Kontaktaufnahme mit der Botschaft wohl sinnlos, wie eine weitere Nachfrage bei der Kreisverwaltung zeigt. Laut Sprecherin Martina Bosch hat die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung mitgeteilt, dass sie es ablehnt, Sultan Mohammad aufgrund der fehlenden Qualifizierung – er sei als Hilfskraft tätig gewesen, nicht als Fachkraft – eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Man könne davon ausgehen, dass die Deutsche Botschaft dann auch kein Visum für die Wiedereinreise erteilen werde.

Wagner ist ratlos. Er sagt: „Das kann es nicht sein. Sultan hat ein Jahr bei mir gearbeitet. Er hat alles gemacht, Plunderteilchen und Hefeteilchen. Für mich ist er eine Fachkraft.“ Er würde auch sein Deutsch gerne verbessern und eine Ausbildung machen. Wagner ergänzt: „Mir ist eine gute Hilfskraft lieber als eine Fachkraft, die nicht erscheint.“ Sultan Mohammad wird derzeit laut Wagner wegen Unterhalts zwischen Arbeitsagentur und Sozialamt hin- und hergeschickt, nachdem die Kreisverwaltung ihm untersagt hat zu arbeiten. Er hat Angst, in ein Land zurückkehren zu müssen, in dem er sich von der pakistanischen Terrororganisation Taliban bedroht fühlt.

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