"Ich kann gar keine Noten"

ZEMMER. Hört man irgendwo auf dem Schönfelder Hof bei Zemmer frohen Tenor-Gesang, so kann man sicher sein: Es ist Bruder Phillippus. Seit etwa zwei Jahren unterstützt der 73-Jährige seine Mitbrüder vom Orden der Barmherzigen Brüder bei der Arbeit mit Behinderten.

 Singt nur nach Gehör: Bruder Phillippus kam über Saffig zum Schönfelder Hof, wo er seit zwei Jahren lebt.Foto: Anke Emmerling

Singt nur nach Gehör: Bruder Phillippus kam über Saffig zum Schönfelder Hof, wo er seit zwei Jahren lebt.Foto: Anke Emmerling

"Eigentlich bin ich ja schon Rentner", sagt Phillippus mit einem verschmitzten Lächeln. "Aber ich arbeite noch täglich drei Stunden in den Werkstätten." Dort ist er gern gesehen, denn Phillippus hat einen ansteckenden Humor. "Ich bringe Leute gerne zum Lachen", erklärt der Bruder, dem man wegen seines frohen Gemüts zunächst eine rheinländische Herkunft unterstellen möchte. Ganz falsch läge man damit nicht, denn vor seiner Zeit auf dem Schönfelder Hof verbrachte er 32 Jahre in Saffig bei Andernach. Geboren aber wurde Bruder Phillippus als Werner Grebe im Sauerland, Kreis Olpe genauer gesagt. "Sie kennen doch sicher die guten Biere dieser Region. Ich war Flaschenmeister bei Krombacher", erzählt er. Das war von 1950 bis 1953, als die Bierflaschen noch Gummistopfen hatten. "Ich leitete als Katholik eine Schicht mit fünfundzwanzig evangelischen Mädchen aus dem angrenzenden Siegerland", sagt Phillippus. Eine ständige Herausforderung für den jungen Mann, die sogar in einen Heiratsantrag mündete: "Eins dieser Mädchen sagte zu mir: Werner, wenn Du mich nimmst, werde ich auch katholisch." Aber Werner Grebe hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine andere Entscheidung getroffen. Als überzeugter Katholik fühlte er sich der Nächstenliebe verpflichtet und beschloss, ins Kloster zu gehen. "Das Mädchen hat dann einen anderen Mann geheiratet und wurde tatsächlich katholisch." Mit der Ernsthaftigkeit dessen, der schon früh bittere Erfahrungen gemacht hat - sein Vater starb, als Phillippus alias Werner fünf Jahre alt war, und hinterließ vier Söhne - widmete sich Bruder Phillippus fortan der Krankenpflege. Zunächst war er bei den Barmherzigen Brüdern in Trier und dann 32 Jahre lang in der Psychiatrie in Saffig tätig. Der Gesang war sein ständiger Begleiter. "Die Stimme ist ein Geschenk. Darüber bin ich sehr glücklich und hoffe, dass sie noch lange hält", sagt Phillippus. Gleich vier Chöre in Saffig konnten sich seiner Unterstützung erfreuen: der Gesangverein, der Kirchen-, Brüder- und der Regionalchor.Von der Arie bis zum Volkslied

"Mal ganz ehrlich", sagt Bruder Phillippus, "ich kann gar keine Noten. Ich singe nur nach Gehör." Das aber perfekt. Ob Arie oder Volkslied, wenn er das Stück einmal gehört hat, kann er es singen. Und die Inhalte? "Na ja", sagt er, "ich habe mit weltlichem Liedgut kein Problem. Im Orden war man anfangs skeptisch. Aber natürlich liegen mir geistliche Inhalte eher." Es habe ihm Leid getan, Saffig und die Chöre zu verlassen, räumt Bruder Phillippus ein. "Aber der Gesang hat mir geholfen, auch hier Wurzeln zu schlagen." Davon konnten sich kürzlich Besucher eines Konzertabends auf dem Schönfelder Hof überzeugen. Die meisten von ihnen hatten bereits von dem fröhlichen singenden Bruder gehört und waren begeistert. "An diesem Abend war es wieder eine Wurzel mehr", sagt Bruder Phillippus und lächelt.

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