Most aus klirrendem Frost

FISCH. Wenn sich der erste Frost über die Weinstöcke legt, wird er geerntet: der Eiswein. "Was dem Weinkenner recht ist, kann dem Vieztrinker nur billig sein", meint Michael Winter aus Fisch.

Als er an einem klirrend kalten Dezembertag über eine seiner Obstwiesen ging, kam ihm die Idee, aus den knochenhart gefrorenen Äpfeln ein edles Tröpfchen zu machen, das es in dieser Form bislang noch nicht gegeben hat: den Eisviez.Jedes Jahr, wenn die ersten Blätter fallen, macht sich der 84-jährige Michael Winter in aller Frühe mit Traktor und Anhänger auf den Weg zu einer seiner Fallobstwiesen. Gegen Mittag kehrt er mit einer mehrere Zentner schweren Ladung Äpfel zurück, um den Rest des Tages mit ihrer Verarbeitung zu Most zu verbringen."Das Viezmachen hat in Fisch Tradition, da es hier viele Streuobstwiesen gibt", erklärt Winter. Der ehemalige Berufssoldat hat schon immer nebenbei Landwirtschaft und Obstbau betrieben und ist ein "alter Hase", was die Herstellung von Apfelwein betrifft.Zunächst nur Gelee

An jenem Tag im Dezember vergangenen Jahres - der erste Frost hatte eingesetzt - kam er während eines Spazierganges an einer Obstwiese vorbei. Als er die dort zahlreich auf dem Boden liegenden und bereits hart gefrorenen Äpfel sah, hatte er eine Idee: "Daraus müsste sich Viez machen lassen." Gemeinsam mit seinem Freund Roland Lutz machte er sich gleich am folgenden Tag daran, das Obst zu raffen. Zuhause wurde es gemahlen und in den Kelter gefüllt. "Doch ganz so einfach, wie wir gedacht hatten, war das nicht", berichtet Lutz. Der Saft sei beim Auspressen aufgrund der niedrigen Temperaturen geliert und habe nicht richtig abfließen können. Ein mit Gas betriebener Heizstrahler sorgte für Abhilfe.Der Most wurde in ein bereitstehendes Fass gefüllt, und schon die Ermittlung des Zuckergehaltes mit 108 Grad Oechsle zeigte, dass in dem Behälter etwas Besonderes schwappte. "Normalerweise hat süßer Viez etwa 45 Oechsle", erklärt Lutz.Nachdem die beiden Kellermeister dem Most etwas Hefe zugegeben hatten, konnte der Gärprozess beginnen. Nach einigen Monaten - der Eisviez hatte inzwischen einen Alkoholgehalt von etwa acht Prozent - stoppten Lutz und Winter die Gärung, in dem sie der Flüssigkeit Schwefel zusetzten. Die erste Verkostung des fertigen Getränks ließ Freude bei den Erzeugern aufkommen. "Die Restsüße und der intensive, fruchtige Geschmack machten aus unserem Eisviez etwas Außergewöhnliches", berichtet Winter.Dass das Produkt von Michael Winter und Roland Lutz etwas Besonderes ist, belegt eine Untersuchung der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau. Das Institut bescheinigt dem Viez einen "sehr guten" Qualitäts-Gesamteindruck. Auch der Tourismus- und Gewerbeförderverein "Saargau-Touristik" hat den Eisviez aus Fisch inzwischen mit dem "goldenen Viezapfel" prämiert.Außergewöhnlich ist nicht nur das Getränk an sich. Wer eine Halbliterflasche des edlen Tröpfchens sein eigen nennen will, muss recht tief in den Geldbeutel greifen. "Mit 20 Euro pro Flasche liegen wir da im Bereich der Preise für manchen Eiswein", erläutert Roland Lutz. Und das habe seinen Grund. "Aus immerhin acht Zentnern Äpfel haben wir lediglich rund 65 Liter Eisviez bekommen." Im Normalfall seien aus der gleichen Menge Obst etwa das Dreifache an Most zu erreichen."Unser Viez ist ein Novum für den Saargau", sagt Winter. Er hoffe, dass das Getränk einen Anreiz für andere sein könne, Ähnliches auszuprobieren. "Im Saarland hat der Apfelwein eine höhere Popularität als in unserer Gegend."Und während er an einem Glas Eisviez nippt, fügt er hinzu: "Außerdem ist unser Getränk garantiert aus biologischem Anbau. Ich habe noch nie auch nur einen einzigen Baum gespritzt."

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