Trotz Lernschwäche mitten im Berufsleben

Saarburg/Trier · Bernhard Clemens ist Chef eines Straßenbauunternehmens mit mehr als 60 Mitarbeitern. Regelmäßig bildet er in seiner Firma Schüler mit Lernschwächen aus. Dafür erhielt er jüngst das Inklusionszertifikat der Bundesagentur für Arbeit in Trier.

 Bernhard Clemens und Albert Fox sind für ihr Ausbildungsengagement für Menschen mit Lernschwierigkeiten von der Bundesagentur für Arbeit ausgezeichnet worden. Hier stehen sie mit Steven und Ron Pascal (von links nach rechts) vor einem Teil des Maschinenparks des Straßenbauunternehmens. TV-Foto: Alexander Schumitz

Bernhard Clemens und Albert Fox sind für ihr Ausbildungsengagement für Menschen mit Lernschwierigkeiten von der Bundesagentur für Arbeit ausgezeichnet worden. Hier stehen sie mit Steven und Ron Pascal (von links nach rechts) vor einem Teil des Maschinenparks des Straßenbauunternehmens. TV-Foto: Alexander Schumitz

Foto: Alexander Schumitz (itz) ("TV-Upload Schumitz"

Saarburg/Trier. Schlechte Noten in Mathematik und Deutsch sind keine wirklich guten Voraussetzungen, um nach seinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung als Straßenbauer zu machen. Gerade Rechnen ist für das Verlegen von Pflaster oder das Setzen von Bordsteinen extrem wichtig. "Kommen zu viele Lkw mit Beton, kann der nicht verarbeitet werden, kommen zu wenige, stockt die Baustelle", sagt Albert Fox. Der 55-Jährige ist Straßenbaumeister und arbeitet seit 1978 im Saarburger Straßenbauunternehmen Clemens. Er betreut die Auszubildenden im Betrieb, darunter auch den 19-jährigen Steven aus Serrig und den 16-jährigen Ron-Pascal aus Irsch.
Beide Lehrlinge haben Lernschwierigkeiten. Mit Ach und Krach haben sie ihren Realschul- beziehungsweise Hauptschulabschluss gemacht. Trotzdem hat Bernhard Clemens ihnen einen Ausbildungsplatz angeboten. "Während eines Schulpraktikums waren sie fleißig. Man muss auch Menschen mit schlechten Noten eine Chance geben, einen Beruf zu lernen", sagt der Firmenchef. Zugleich betont er, dass in dem Betrieb seit 50 Jahren ausgebildet wird und die "deutliche Mehrheit der Azubis sehr gute und gute Schulabschlüsse habe". Dafür, dass er auch weniger qualifizierten Jugendlichen eine Berufschance eröffnet, wurde er jüngst von der Agentur für Arbeit in Trier geehrt. Er erhielt ein Inklusionszertifikat, das die Trierer Behörde erstmals verlieh. Mit dem Zertifikat würden Unternehmen für ihr vorbildliches Engagement bei der Ausbildung sowie Beschäftigung von Menschen mit Handicap ausgezeichnet, sagt Isabell Juchem, Pressesprecherin der Trie rer Agentur für Arbeit. "Unsere Gesellschaft braucht Unternehmer, die sich für Menschen mit Handicap einsetzen", erklärt sie weiter. Konkret lobt Juchem: "Die Lehrlinge werden von ihren Ausbildern unter ihre Fittiche genommen. Zugleich behält der Arbeitgeber auch das soziale Umfeld der Nachwuchskräfte im Blick. Die Lehrlinge erhalten in dem Betrieb die Chance, sich zu entwickeln und nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss übernommen zu werden."
Bald zur Gesellenprüfung


Steven ist inzwischen im dritten Lehrjahr. Er hat seine Facharbeiterprüfung im Sommer 2016 bestanden. Nach seiner Gesellenprüfung in wenigen Monaten müsste er selbstständig Pflaster oder Kanalleitungen verlegen können. Die Karrierechancen im Bau sind grundsätzlich gut. Fähige Facharbeiter, gefühlvolle Maschinisten und gute Vorarbeiter werden laut Clemens in der gesamten Branche gesucht. Über seine Zukunft über die nächste Prüfung hinaus hat sich Steven bislang wenige Gedanken gemacht: "Hauptsache bestehen!" Solange freut er sich, dass er im Team mit hilfsbereiten Kollegen auf den Straßenbaustellen der Region unterwegs ist.
Ron Pascal hingegen hat noch einen langen Weg bis zur Gesellenprüfung vor sich. Er ist im ersten Lehrjahr, drückt hauptsächlich die Schulbank - so wie es die Facharbeiter-Ausbildungsordnung vorsieht. Dem 16-Jährigen fällt es schwer die regelmäßigen Nachhilfestunden in Trier zu besuchen. Dabei hätte er die dringend nötig. Das räumt der 16-Jährige selbst ein. Kopfrechnen fällt ihm schwer, weil er sich schnell ablenken lässt. "In großen Klassenverbänden kann ich mich schlecht Konzentrieren", sagt er.
Trotzdem glaubt Clemens an seine Auszubildenden. Wenn man sie entsprechend "fordert und fördert", klappt das am Ende.
Die Frage, wie viele Unternehmen in der Region zurzeit Menschen mit Lernschwierigkeiten ausbilden, kann die Agentur für Arbeit in Trier nicht beziffern. Juchem schätzt die Zahl auf etwa 80.
Die Behörde unterstützt diese Firmen mit Hilfe von Sozialpädagogen, die bei der Ausbildung assistieren. Außerdem bietet sie Förderunterricht an und vermittelt bei Problemen zwischen Auszubildenden, Ausbildern und Berufsschulen. Für Clemens sind die Arbeitsagentur und die Handwerkskammer Trier wertvolle Partner, die immer wieder helfen, wenn es bei der Ausbildung zwischendurch mal hakt.

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