Gesundheit Sanierungskonzept als Rettungsanker für das Trierer SPZ

Trier · Wie es zu den finanziellen Problemen im sozialpädiatrischen Zentrum in Trier kam und was hinter den Vorwürfen der Kassen steckt.

  Das Sozialpädiatrische Zentrum Trier. In dem ehemaligen französischen Kasernengebäude im Trierer Stadtteil Euren werden Kinder und Jugendliche behandelt und betreut, die in ihrer Entwicklung eingeschränkt sind oder eine Behinderung haben.

Das Sozialpädiatrische Zentrum Trier. In dem ehemaligen französischen Kasernengebäude im Trierer Stadtteil Euren werden Kinder und Jugendliche behandelt und betreut, die in ihrer Entwicklung eingeschränkt sind oder eine Behinderung haben.

Foto: TV/Bernd Wientjes

Die Idee entstand im Trierer Rathaus. Irgendwann im Jahr 1981. Der damalige Sozialdezernent Paul Kreutzer (CDU) hat die Idee, Kinder und Jugendliche mit Behinderung und deren Familien besser zu betreuen. Eine Idee, die bis dahin eher verpönt war. Dass man Behinderte fördert und therapiert, das gab es nur vereinzelt. Kreutzer sucht sich für sein Konzept der Kinderfrühförderung Partner, die sich in der Behindertenarbeit auskennen. Er findet sie im Caritas-Verband für die Region Trier und den einzelnen Lebenshilfen.

Im Oktober 1981 wird das Zentrum für Sozialpädiatrie und Frühförderung Trier offiziell gegründet. Gerade mal sechs Mitarbeiter beschäftigt die gemeinnützige GmbH zunächst, als sie ihre Räume in der Trierer Südallee beziehen. Mitte der 1990er Jahre zieht das SPZ, wie sich das Zentrum abgekürzt nennt, um in eine ehemalige französische Kaserne im Trierer Stadtteil Euren. Dort befindet es sich noch heute. Statt sechs Mitarbeiter sind mittlerweile 146 beschäftigt. Darunter Kinder- und Jugendärzte, Psychiater, Psychologen, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Logopäden oder Ergotherapeuten.

Aus den bescheidenen Anfängen ist die Anlaufstelle in der Region für entwicklungsgefährdete und behinderte Kinder und Jugendliche geworden. Derzeit werden dort und in den Außenstellen Bitburg, Daun, Hermeskeil, Wittlich und Prüm 3800 Patienten betreut. „Unser Auftrag ist es, Kinder mit Entwicklungsstörungen und Behinderungen zu diagnostizieren, zu therapieren, zu fördern, um ihnen ein sinnerfülltes und möglichst eigenständiges Leben zu ermöglichen“, heißt es auf der Internetseite des SPZ.

Doch genau dieser Auftrag ist nun wohl in Gefahr. Denn das Zentrum hat Insolvenz angemeldet. Am vergangenen Donnerstag hat das Trierer Amtsgericht das Verfahren eröffnet. Seit Wochen laufen hinter den Kulissen Verhandlungen, mit denen genau das hätte verhindert werden sollen. Nach TV-Informationen wurde versucht, mit den Krankenkassen, die die vom SPZ erbrachten Leistungen zahlen, eine Einigung in einem seit Jahren schwelenden Streit zu erzielen.

Es geht um einen strafrechtlich relevanten Vorwurf. Die Kassen werfen dem Zentrum vor, Leistungen bewusst falsch abgerechnet und damit zu Unrecht Geld kassiert zu haben. Der Vorwurf richtet sich auf Abrechnungen aus den Jahren 2014 bis 2017, hat aber noch Folgen bis heute. Die Kassen werfen den SPZ-Verantwortlichen vor, entgegen des Leistungskatalogs statt nur einer Diagnostik pro Patient weitere Diagnostiken abgerechnet zu haben. Für die aus Sicht der Kassen zu Unrecht abgerechneten Leistungen haben sie das Geld zurückgefordert und zwar „in erheblichem Umfang“, wie aus Kassenkreisen zu hören ist.

Nach TV-Informationen handelt es sich um rund 800 000 Euro, die das SPZ zurückzahlen soll. Gleichzeitig sollen die Kassen die Zahlungen an das Zentrum gekürzt haben. Mitte vergangenen Jahres hat eine Kasse Strafanzeige erstattet. Daraufhin hat die Trierer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges im Zusammenhang mit der Abrechnung medizinischer Leistungen eingeleitet. Im Januar wurden Geschäftsräume des Zentrums durchsucht.

Dabei sind laut Peter Fritzen, Leitender Oberstaatsanwalt, Abrechnungsunterlagen sichergestellt worden. „Diese müssen nunmehr ausgewertet werden“. so Fritzen. Gleichzeitig sind wegen angeblich unrechtmäßiger Abrechnungspraxis zwischen der Einrichtung und den Krankenkassen vor dem Sozialgericht mehrere Verfahren anhängig.

Um eine drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, hat die Geschäftsführerin, Susanne Heicappell, nun Insolvenzantrag gestellt, dem das Trierer Amtsgericht nun stattgegeben hat. Der Betrieb soll zunächst ganz normal weiterlaufen. Die Versorgung der Patienten bleibe im vollen Umfang bestehen, heißt es aus dem Zentrum.

Aus dem Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender der Ortsvorsteher des Trierer Stadtteils West/Pallien, Horst Erasmy ist, und der Gesellschafterversammlung (Vorsitzender Caritas-Direktor Bernd Kettern) verlautet, dass man voll hinter der SPZ-Geschäftsführerin stehe. Man habe ihr einstimmig das Vertrauen ausgesprochen, heißt es. Da das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung läuft (siehe Extra), wird Heicappell weiter das Zentrum leiten. Ihr zur Seite steht die insolvenzrechtliche Generalbevollmächtigte Christine Frosch, Rechtsanwältin aus Trier. Sie will mit der Trierer Beratungsgesellschaft Mentor AG und dem zum Insolvenzverwalter bestellten Trierer Rechtsanwalt Jörg A. Wunderlich ein Sanierungskonzept ausarbeiten. Damit soll nicht nur die Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden, sondern auch die Versorgung der Patienten weiterhin sichergestellt werden. Ziel sei, so heißt es, eine „planungssichere, strukturelle Verbesserung der Kostenübernahme mit den Krankenkassen und das Sichern der 146 Arbeitsplätze“.

Es ist nicht zum ersten Mal, dass SPZ in finanzielle Schieflage gerät. Bereits 2012 stand eine Pleite im Raum. Sie wurde nur dadurch abgewendet, dass die Träger rund 500 000 Euro zugeschossen haben. Aus Kreisen der Träger ist zu vernehmen, dass eine erneute Finanzspritze gesellschaftsrechtlich nicht mehr möglich sei. Außerdem würde, so heißt es, eine solche finanzielle Unterstützung unter den gegebenen Umständen nichts bringen, da die Forderungen der Kassen weiter bestünden. Daher müssten das SPZ und seine Strukturen zunächst mal neu aufgestellt werden.

Seit einiger Zeit gibt es Gerüchte wegen der finanziellen Schwierigkeiten des SPZ. Zunächst wurde auch der Weggang des Noch-Geschäftsführers der Trierer Lebenshilfe, Wolfgang Enderle, damit in Verbindung gebracht. Dieser hatte seine Mitarbeiter vor kurzem darüber informiert, dass er die Lebenshilfe Ende Mai aus privaten Gründen verlassen werde. Gleichzeitig hat er das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden des SPZ abgegeben. Sowohl Enderle als auch Mitglieder der Gesellschafterversammlung versichern jedoch, dass es keinen Zusammenhang mit den Problemen des Zentrums gebe.

Einen Artikel mit weiteren Fakten gibt es hier.

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