Schauspiel Unvereinbar wie Fische und Vögel

Trier · Sara von Schwarze und Manfred Langner inszenieren das Drama „Vögel“ von Wajdi Mouawad – in den vier Sprachen Deutsch, Arabisch, Englisch und Hebräisch.

 Szene aus „Vögel“: Julie-Yara Atz im Vordergrund, Lennart Hillmann, Raphael Christoph Grosch und Klaus-Michael Nix im Hintergrund.

Szene aus „Vögel“: Julie-Yara Atz im Vordergrund, Lennart Hillmann, Raphael Christoph Grosch und Klaus-Michael Nix im Hintergrund.

Foto: Theater Trier/Lara Baltes

Der deutsche Jude Eitan, pragmatischer Student der Genetik, verliebt sich in New York in die Araberin Wahida, die Geisteswissenschaft studiert – eine Beziehung, die Eitans Vater zutiefst zuwider ist. Als Eitan seine Freundin auf eine Forschungsreise nach Israel begleitet, wird er bei einem Terroranschlag schwer verletzt. Im Krankenhaus besuchen ihn seine Eltern und Großeltern, und alte, längst vergessene oder totgeschwiegene Konflikte brechen wieder auf. Fragen werden gestellt nach religiöser, kultureller, nationaler Zugehörigkeit, den Grenzen, den tatsächlichen wie gefühlten, die ein Zusammenfinden verhindern.

„Vögel“, das Werk des libanesisch-kanadischen Schriftstellers Wajdi Mouawad, wurde 2017 in Paris, wo der Dramatiker lebt, uraufgeführt und trat kurz darauf seinen Siegeszug (auch durch deutschsprachige) Theater an. In einer Schlüsselszene im Stück wird ein persisches Märchen zitiert (auf dass bezieht sich der Titel), demzufolge Fische und Vögel („Tous des oiseaux“, alle Vögel, so der Originaltitel des Dramas) niemals werden zusammenleben können. Ebenso wenig wie die Personen in Mouawads Stück, die getrennt sind durch Familiengeschichte, Herkunft und Sprachen. Vor allem die Sprachen, die das einander Verstehen wenn nicht ausschließen, so doch zumindest erschweren, versinnbildlichen die Unmöglichkeit des Zusammenfindens, denn die Schauspieler sprechen in ihren vier (Mutter-)Sprachen Deutsch, Arabisch, Englisch und Hebräisch.

In der Letztgenannten kommuniziert Sara von Schwarze als Eitans Großmutter Leah. Als Regisseurin kennt man sie in Trier bereits: 2020 inszenierte sie das Monodram „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ mit Klaus-Michael Nix. Regie führt sie auch dieses Mal, allerdings gemeinsam mit Intendant Manfred Langner.  Sie empfindet es als bereichernd, dass ein Mann und eine Frau am Regiepult sitzen. Jeder habe, bedingt durch Geschlecht und Herkunft, eine andere Sichtweise auf das Geschehen, und im Gespräch ergäben sich viele Wege, die man beschreiten könne, um Dinge zu sehen und zu verstehen.

„Ich finde, das Stück ins Programm zu nehmen, war eine sehr mutige Entscheidung – nicht nur, was die Sprache angeht“, sagt von Schwarze im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund. „Sprache ist ja nicht nur Sprache; Sprache ist Kultur, eine Art zu denken, eine Art zu leben, ein Rhythmus, den jeder in sich selbst spürt.“ Auch das Thema, in dem nicht zuletzt Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anklingen, stelle eine Herausforderung dar, rüttele es damit doch an den Fundamenten des Toleranzgedankens, auf das sich die westliche Denkungsart soviel zugute hält (und erhält, ganz nebenbei bemerkt, durch die derzeitige politische Weltlage eine schmerzhafte Aktualität – das Stück, so Sara von Schwarze, könnte auch in der Ukraine spielen).

Vier Sprachen, davon zwei, die hierzulande besonders fremd wirken – überfordert das die Zuschauer nicht? „Untertitel helfen beim Verständnis“, erläutert Manfred Langner, schränkt allerdings ein: Für die Schauspieler, die nicht in ihrer Muttersprache sprechen, sei es zunächst einmal eine Herausforderung. Vor allem, wenn sie ihr Stichwort in einer Sprache bekommen, die sie nicht verstehen. Die deutschen Kollegen müssten eben Hebräisch oder Arabisch lernen – „ein wenig“, fügt er schmunzelnd hinzu. „Es gibt auch eine rein deutsche Version, aber dabei verliert das Stück sehr viel von seiner Tiefe. Man versteht dann beispielsweise nicht, warum manche Leute miteinander reden, die sich in diesem Moment eigentlich gerade nicht verstehen müssten.“ Im Stück gehe es darum, zu erspüren, was jede Figur aus ihrem Leben in das der anderen Menschen einbringt.

Und über allem steht die Frage nach der Identität, die „selbst erlebte innere Einheit einer Person“, wie es die Psychologie definiert. Für sich selbst hat Schauspielregisseurin von Schwarze einen geradezu philosophischen Ansatz gefunden, was ihre eigene Identität und die ihrer Bühnenfigur angeht: „Du weißt nicht, was du bist. Du wirst, was du bist.“

Premiere ist am Samstag, 28. Mai, 19.30 Uhr, im Großen Haus des Theaters Trier. Karten: 0651/718-1818. 

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