Luxemburg Seit 30 Jahren Seefahrernation

Luxemburg · Obwohl Luxemburg keinen eigenen Zugang zum Meer hat, ist das Land seit 30 Jahren eine Seefahrernation.

 Seit 1990 könnnen in Luxemburg Hochseeschiffe registriert werden. Sie fahren dann unter der luxemburgischen Flagge mit dem Roten Löwen.

Seit 1990 könnnen in Luxemburg Hochseeschiffe registriert werden. Sie fahren dann unter der luxemburgischen Flagge mit dem Roten Löwen.

Foto: Tageblatt

(tgbl)

Dass Luxemburg ein Schiffsregister aufgebaut hat, geht auf den ehemaligen Wirtschafts- und Transportminister Robert Goebbels zurück. Im Rahmen einer Promotionsreise sei er darauf aufmerksam geworden, „dass bis zu 90 Prozent des Welthandels über das Meer laufen –– und Luxemburg keinen Anteil daran hatte“, sagte er vor einigen Jahren gegenüber dem Tageblatt. „Ich dachte, ein maritimer Sektor wäre ein guter Zusatz für den Finanz- und Versicherungsplatz. Auch Länder ohne eigenen Meereszugang haben Schiffsregister, beispielsweise die Schweiz und Österreich“, so Goebbels damals weiter. „Dann hatte ich dem Regierungsrat einen Vorschlag gemacht. (…) Erst nach viel Hin und Her stimmte das Parlament zu. DP, KP und ADR stimmten nicht zu.“

Eine Schlüsselrolle im Aufbau des Luxemburger Schiffsregisters hatte Belgien. Es „war ein unglaublicher Glücksfall“, sagte Goebbels damals. Von seinem belgischen Amtskollegen Jean-Luc Dehaene (späterer Premierminister) sei er gefragt worden, ob es möglich wäre, die gesamte belgische Flotte ins Luxemburger Schiffsregister einzubringen. „Es war eine typische ,histoire belge’. Die belgische Gesetzgebung zum Schiffsregister war veraltet. Die gesamte Flotte flämisch. Eine politische Einigung war nicht möglich. Dehaene versuchte, über den Umweg Luxemburg, Bewegung in die Sache zu bringen.“ Auf einen Schlag kamen so mehrere Dutzend Schiffe ins Luxemburger Register. Ein paar Jahre später hatte Belgien seine Gesetzgebung erneuert. Die meisten gingen zurück. Einige jedoch sind geblieben.

Belgien spielte eine Schlüsselrolle

Die Zahl der Luxemburger Schiffe beläuft sich heute auf insgesamt 215. Die Art Schiffe, die am stärksten im Register vertreten ist, sind Versorgungsschiffe (etwa für Ölplattformen). Am zweitmeisten vertreten sind Baggerschiffe, gefolgt von kommerziellen Yachten und Containerschiffen.

Nicht jeder wird im Register aufgenommen: „Kein Schiff darf älter als 15 Jahre sein, wenn es erstmals in Luxemburg angemeldet wird“, so Robert Biwer gegenüber dem Tageblatt. „Wir wollen keine Mülltonne für alte Schiffe sein. Wir wollen moderne Schiffe. Das ist auch besser für die Umwelt.“ Robert Biwer ist „Commissaire du Gouvernement aux Affaires maritimes“. Zuvor war er unter anderem Sprecher im Wirtschaftsministerium und Konsul in San Francisco. Er hat das Ruder 2008 von Marc Glodt (zuvor Attaché im Arbeitsministerium) übernommen, der die Abteilung im Wirtschaftsministerium 18 Jahre lang aufgebaut hatte.

Große Öltanker und Fischerboote will Luxemburg ebenfalls nicht im Register haben. Das war eine politische Entscheidung. Große Passagierschiffe, etwa Kreuzfahrtschiffe, gibt es auch keine. Da arbeiten mehrere tausend Menschen auf einem Schiff, was einen großen Arbeitsaufwand für die kleine Behörde bedeuten würde. Auf den luxemburgischen Schiffen sind aktuell insgesamt rund 4000 Matrosen beschäftigt.

Zuletzt ist die Zahl der Luxemburger Schiffe leicht geschrumpft. Vor einigen Jahren zählte das Register noch 250 Meeresschiffe.

Der Rückgang liegt unter anderem am niedrigen Ölpreis, wie Biwer erklärt. Dieser habe dazu geführt, dass einige Ölplattformen und somit auch ihre Versorgungsschiffe eingemottet wurden. Die Zahl der Baggerschiffe sei derweil stabil geblieben. „Unabhängig von der wirtschaftlichen Lage müssen Kanäle freigeschaufelt werden. Ihre Projekte laufen.“

In diesem Jahr spürt die Branche die Pandemie. Sowohl die Mitarbeiter auf den Schiffen als auch die grenzüberschreitende Aktivität der Behörde.

„Das ist alles nicht einfach“, so der Kommissar. Je nach Hafen, Land und Schiff sitzen manche Angestellte „Wochen auf ihren Schiffen fest, während andere nicht an Bord kommen können.“ Glücklicherweise gehe es mittlerweile wieder besser als zu Jahresbeginn.

Die Verwaltung selbst hat Prozeduren verändert, elektronische Dossiers ermöglicht und arbeitet von zu Hause aus. Selbst eine App hat sie eingeführt, mit der man mittels Video live Kontrollen auf Schiffen durchführen kann – ohne selbst präsent zu sein. Nach Covid setze sich die Modernisierung und Digitalisierung wohl fort, sagt Biwer. „Die digitale Infrastruktur steht jetzt. Und sie bedeutet einen Zeitgewinn. Das werden wir in Zukunft weiter benutzen.“

In den 30 Jahren seit der Gründung hat sich rund um das Register ein kleiner, aber dynamischer Wirtschaftssektor entwickelt. Luxemburger Schiffe haben Offshore-Windparks in Belgien aufgebaut und eine der Palmeninseln vor Dubai errichtet. Schätzungen zufolge steht der Bereich hierzulande direkt für rund 300 Arbeitsplätze. Doch er bringt auch Geschäfte für Anwaltskanzleien, Finanzinstitute und Versicherer. Geschätzte 2500 Arbeitsplätze in Luxemburg haben mit dem maritimen Sektor zu tun.

Der Autor des Textes, Christian Muller, ist Wirtschaftsredakteur beim luxemburgischen „Tageblatt“.

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