Landwirtschaft Mehr als glückliches Gemüse

Trier · Solidarische Landwirtschaft in Trier: Eine Gruppe Städter finanziert einen Gemüsebaubetrieb. Wer mitgärtnert, lernt ungewöhnliche Anbaumethoden.

 Freuen sich über ihre bunt gefüllte Gemüsekiste: Yasmina D. und Markus Plunien haben Anteile des solidarischen Landwirtschaftsprojekts in Trier erworben. Sie arbeiten auch selbst im Garten mit und holen sich einmal wöchentlich ihren Ernteanteil ab.

Freuen sich über ihre bunt gefüllte Gemüsekiste: Yasmina D. und Markus Plunien haben Anteile des solidarischen Landwirtschaftsprojekts in Trier erworben. Sie arbeiten auch selbst im Garten mit und holen sich einmal wöchentlich ihren Ernteanteil ab.

Foto: TV/Katharina de Mos

Die Lüftung einer Industriehalle surrt, hinterm Zaun des benachbarten Gartenzentrums schmeißt jemand mit Paletten, allgegenwärtig ist das Dröhnen des Trierer Verkehrs. Müsste man mit verbundenen Augen beurteilen, wo dieser Ort liegt, so lautete die Antwort wohl: in einem Gewerbegebiet. Ganz falsch ist das angesichts der Lage in der Trier-Eurener Mosel­aue zwar nicht. Dennoch kommen Menschen hierher, weil sie sich nach Grün sehnen. Es ist ein Ort, der sie erdet. Der sie mit der Natur verbindet. Und der sie zudem ernährt.

Denn zwischen der Luxemburger Straße und einer Baumschule wächst im Gemeinschaftsgarten des Vereins Transition Trier so ziemlich jedes bekannte Gemüse – und manches unbekannte auch. Auf einem Stück städtischen Grüns haben sich rund 70 Menschen auf ein urbanes Experiment namens Solidarische Landwirtschaft eingelassen: Privatleute finanzieren einen landwirtschaftlichen Betrieb, der sie dafür mit Lebensmitteln versorgt. Wer es sich leisten kann, zahlt mehr. Wer wenig Geld hat, weniger. 85 Euro kostet ein Anteil im Schnitt pro Monat. 20 ganze Anteile gibt es bisher insgesamt (auch halbe kann man kaufen). Mehr Gemüse kann das erst 2017 gegründete Projekt auf 2000 Quadratmetern Ackerfläche noch nicht produzieren.

Einfach nach dem Prinzip Geld gegen Ware funktioniert das Ganze allerdings nicht. Es geht auch um die Gemeinschaft: Unter Anleitung von Fachfrau Eva-Maria Altena (32) lernen die Mitglieder, wie man Obst und Gemüse anbaut. Sie gärtnern also mit. Biozertifiziert sind die Lebensmittel, die dabei entstehen, zwar nicht. Ziemlich öko allerdings schon. Keine Kunstdünger, keine Pestizide und schon gar keine Gentechnik.

Mittwochs ist Erntetag. Tibetanische Gebetsflaggen wehen bunt im kühlen Novembernebel. Es riecht nach dem Lagerfeuer, an dem eine junge Frau sich wärmt, während sie mit bunten Wollfäden einen Traumfänger bespannt. Es ist der Tag, an dem die blauen Gemüsekisten verteilt werden: Radicchio, grüne Schnibbelbohnen, roter Rettich und gelbe Tomaten zum Nachreifen sind diesmal drin – es ist eine der letzten Ernten des Jahres. Allerdings ist die junge Frau nicht nur da, um ihre Kiste abzuholen. Obwohl es nass und kühl ist, genießt sie den Garten. „Im Sommer war es zauberhaft hier“, schwärmt sie.

 Kohl wächst auch im Winter noch.

Kohl wächst auch im Winter noch.

Foto: TV/Katharina de Mos

Ganz unterschiedliche Motive locken die Mitglieder dorthin, wo Trierer auf fruchtbarem Schwemmboden schon immer Gemüse anbauten. Manche wollen einfach draußen sein und gärtnern lernen. Andere wollen ihren Kindern zeigen, wo Lebensmittel überhaupt herkommen. Sie wollen genießen, was sie selbst angebaut haben, Menschen kennenlernen oder „zeigen, dass es auch anders geht als in der industriellen Landwirtschaft“, sagt Altena, die auf Honorarbasis für ihre Arbeit bezahlt wird.

Zwischen Kirsch-, Apfel- und Birnbäumen führen gewundene Wege zu einem großen Grillplatz, zu einer Kräuterspirale, zu Beerensträuchern, Bienenkästen, Gemüsebeeten und einem Gewächshaus, in dem junge Salate darauf warten, gepflanzt zu werden. „Wir versuchen, nach den Richtlinien der Permakultur zu wirtschaften“, erklärt die gelernte Landschaftsarchitektin und Umweltbildungsreferentin. Ganz grob bedeute das: Man arbeite mit der Natur und beute sie nicht aus. Pflanzen wachsen dort, wo sie die besten Lebensbedingungen finden. Zum Einsatz kommen nur natürliche Dünger wie Hornspäne, Brennnesseljauche oder selbst gemachter Kompost. Obwohl die angepflanzten Gemüse an einen traditionellen Bauerngarten erinnern – da wären Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Salate, Zucchini, allerlei Kohl, Spinat, Möhren oder Rettich – ist hier manches anders. Nicht nur, weil die Gruppe seltene Sorten aus regionalem Saatgut zieht, sondern auch wegen der Anbaumethode. Statt Kartoffeln in Bodenlöchern zu versenken, werden sie einfach auf die Wiese gelegt und mit einem ordentlichen Haufen alten Strohs gemulcht. Zur Erntezeit braucht man das Stroh bloß beiseitezuschieben und die Kartoffeln aufzusammeln. Zwar sei der Ertrag so geringer, doch bietet diese Methode den Vorteil, dass der Boden auch bei Hitze vor Verdunstung geschützt wird und feucht bleibt. Im heißen Jahr 2018 war das hilfreich. Da Gras und Unkraut unter der Mulchschicht eingehen, ist das Beet zudem sofort bereit für die nächsten Pflanzen – in diesem Fall Spinat, Knoblauch und Feldsalat.

Ein paar Meter weiter stehen die welken Überreste eines „Indianerbeetes“: Mais bietet das Gerüst, an dem Bohnen emporklettern, dazwischen wachsen Kürbisse. Auch Exoten wie die aus Süd- und Mittelamerika stammenden Yaconknolle und Topinambur (Erdbirne) gedeihen im Trierer Boden bestens.

Ein Fahrrad rumpelt über den Feldweg heran, der die stark befahrene Straße mit dem grünen Idyll verbindet. „O, tut das gut, noch mal rauszukommen“, sagt die dunkelhaarige Frau zur Begrüßung und drückt Altena herzlich.

 Die Fachfrau: Eva-Maria Altena, gelernte Landschaftsarchitektin, sorgt dafür, dass der Garten einen guten Ertrag bringt. Sie wird im Rahmen des Solidarprojekts auf Honorarbasis bezahlt und bringt den Mitgliedern bei, wie man Gemüse anbaut – oder Obstbäume richtig schneidet.

Die Fachfrau: Eva-Maria Altena, gelernte Landschaftsarchitektin, sorgt dafür, dass der Garten einen guten Ertrag bringt. Sie wird im Rahmen des Solidarprojekts auf Honorarbasis bezahlt und bringt den Mitgliedern bei, wie man Gemüse anbaut – oder Obstbäume richtig schneidet.

Foto: TV/Katharina de Mos

Auch für sie bietet der Gemeinschaftsgarten offensichtlich mehr als bloß Gemüse.

Wer mitmachen oder dem Verein Früchte seines Gartens schenken möchte, kann sich an Eva-Maria Altena wenden.
Kontakt: Telefon 0170/4618718
oder solawi-trier@posteo.de

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