Landtagswahl SPD regiert auch nach 30 Jahren weiter im Land

Mainz/Trier · Genossen überflügeln die CDU deutlich nach einer Aufholjagd, die an die vergangene Wahl erinnert. Welche Koalitionsvorlieben die Partei nennt – und wo sie strategische Schwächen beim Gegner wittert.

 Sie hat es wieder geschafft: Wie 2016 gelingt Malu Dreyer mit der SPD die Aufholjagd in Rheinland-Pfalz und landet deutlich vor der CDU. Auch ihren Mann Klaus Jensen, Ex-Oberbürgermeister von Trier, freut’s.

Sie hat es wieder geschafft: Wie 2016 gelingt Malu Dreyer mit der SPD die Aufholjagd in Rheinland-Pfalz und landet deutlich vor der CDU. Auch ihren Mann Klaus Jensen, Ex-Oberbürgermeister von Trier, freut’s.

Foto: dpa/Boris Roessler

Die Kameras blitzen, als Malu Dreyer vor die Fotografen tritt und ihr breitestes Lächeln zeigt. Ihr Mann Klaus Jensen verfolgt die Szenen sichtlich vergnügt, auch wenn die Mimik des Ex-Oberbürgermeisters von Trier schwer zu deuten ist. Er trägt eine Maske, während sich eine Traube um seine Frau herum bildet. Später, als er ohne Mundschutz zu sehen ist, strahlt auch Jensen übers ganze Gesicht.

Das Ergebnis bei der Landtagswahl musste die SPD-Spitzenkandidatin wie ihren Mann mit SPD-Parteibuch entzücken. Der Abend im Protokoll: Stärkste Kraft in Rheinland-Pfalz. Die CDU im Land weit abgehängt. Ein Ergebnis, das mehr als doppelt so stark ist wie jede Umfrage der gerupften sozialdemokratischen Bundespartei. Die Ampelkoalition im Land in der Mehrheit bestätigt.

Dreyer spricht von einem „sehr schönen Tag“, führt aus: „Wir haben unser Ziel erreicht, die stärkste Partei zu werden und den Regierungsauftrag zu bekommen.“

Worin dieser Regierungsauftrag münden soll, dokumentiert die 60-jährige Ministerpräsidentin sogleich. „Die Ampelkoalition hat sehr gut miteinander gearbeitet.“ Das Bündnis – Dreyer spricht von einem „Erfolgsmodell“ – wolle man fortsetzen. Eine Fußnote gab es zu dem Zeitpunkt noch, falls es im erst heute feststehenden endgültigen Ergebnis doch noch zu einem rot-grünen Bündnis reicht.

Widersprüche gab es im Wahlkampf vor allem zwischen den kleinen Koalitionspartnern Grünen und FDP. Die Grünen wollen mehr Dampf bei Klimaschutz und Verkehrswende, die Liberalen sprechen sich gegen Windräder wie im Pfälzer Wald aus. Dreyers Absicht ist klar. „Ich habe das feste Vertrauen, dass wir in Koalitionsverhandlungen nach fünf Jahren der Zusammenarbeit auch Hürden aus dem Weg räumen“, sagt sie.

Ziemlich klar räumt die Ministerpräsidentin eine Journalisten-Frage aus, ob die SPD auch an Gesprächen mit den Freien Wählern um Eifel-Landrat Joachim Streit interessiert seien. Die klare Tendenz in Dreyers Worten: Nein. Die große Koalition mit der CDU? „Eine Ultima Ratio“, entgegnet sie. Eine Absage an die Christdemokraten. So sagt es auch SPD-Landeschef Roger Lewentz. „Wenn es eine andere demokratisch legitimierte Mehrheit im Parlament gibt als die große Koalition, sollten wir diese auch wählen.“

Erstaunlich schnell sprechen die Sozialdemokraten am Wahlsonntag mit einer Stimme, wenn es um die Koalition geht. Um 17.59 Uhr stehen so wenige SPD-Politiker, wie es Corona erlaubt, im Innenhof vor dem Mainzer Abgeordnetenhaus und gucken siegesgewiss. SPD-Generalsekretär Daniel Stich trägt einen roten Schal und grinst. Martin Haller, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, steht neben ihm und schaut drein wie ein Lausbub vor dem Weihnachtsbaum. Kurz wird die SPD-Choreographie gestört, als der Stream abbricht, der die Ergebnisse einblenden soll. Als dieser aber genau zum richtigen Zeitpunkt wieder läuft – nach den Baden-Württemberg-Resultaten um 18.02 Uhr schnellt der SPD-Balken aus Rheinland-Pfalz in die Höhe – klopfen sie sich mit den Fäusten ab.

Kurz danach steht SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer ganz selig vor Journalisten. Der Tenor bei den Sozialdemokraten ist klar: „Wir wollen in der Ampelkoalition weiter regieren.“ Ansonsten regiert in der SPD erst einmal die Zufriedenheit. Schweitzer spricht von einem „überwältigenden Ergebnis, einer Sensation in diesen Zeiten für die Sozialdemokratie“, betont er auch mit Blick auf die Bundes-SPD, die schon lange auf solche Werte wartet. Malu Dreyer habe als Ministerpräsidentin in der Corona-Krise „Klarheit und Regierungskompetenz“ an den Tag gelegt, lobt Schweitzer. Es sei keine Selbstverständlichkeit, dass die starke Öffentlichkeit in der Corona-Krise automatisch zu höherer Beliebtheit führe. „Die Menschen machen sich ihr eigenes Bild.“

Ihr Fett bekommt an diesem Abend auch Wahlverlierer CDU von den Genossen ab. Martin Haller sagt, deren Spitzenkandidat Christian Baldauf habe sich in der Corona-Krise „mal so, mal so“ geäußert. Schweitzer betont, die Christdemokratie habe keine großen landespolitischen Themen gesetzt. Der Wunsch der CDU, „über den Schlafwagen guter Bundeswerte in die Staatskanzlei zu fahren“, sei nicht aufgegangen. Die Freien Wähler, so lästert Schweitzer, seien nun sicher damit beschäftigt, „der CDU bis Ostern noch Dankes-Postkarten zu schicken“. Die Korruptionsaffäre um Masken, so sagt Schweitzer bedauernd, habe hingegen der AfD geholfen, die „in Umfragen auf dem absteigenden Ast auf dem Weg in die Einstelligkeit war“.

SPD-Landeschef Roger Lewentz sagt wiederum, der regionalisierte Wahlkampf der CDU sei „eine Addition von Kreistagswahlen, aber kein Landtagswahlkampf“ gewesen. „Es geht doch darum, wie das Land aufgestellt wird.“ Selbstzufrieden feixt Lewentz, er habe immer gesagt, dass die SPD das Ergebnis von 2016 wiederholen wolle. 36,2 Prozent hatten die Sozialdemokraten da – ebenfalls nach einer Aufholjagd. Er habe bei Gesprächen an der Wurst- oder Käsetheke am Supermarkt immer rausgehört, dass die Menschen mit der SPD und Malu Dreyer zufrieden seien, betont Lewentz. Das war durchaus selbstbewusst, weil die Genossen in Umfragen lange zurücklagen, sich auch in den jüngsten Befragungen nur knapp über 30 Prozent einzupendeln schienen. Doch auf den letzten Metern legten die Sozialdemokraten noch nach.

Seit 30 Jahren führt die rheinland-pfälzische SPD die Landesregierung an. Als die Sozialdemokraten 1991 die Macht übernahmen, wurde der 1. FC Kaiserslautern Deutscher Fußballmeister. Wo die Roten Teufel längst in der 3. Liga kicken, regiert die SPD weiter.

Alles wie gehabt also? So weit will Lewentz in diesen verrückten Corona-Zeiten nicht gehen, wo alle mit Mundschutz und auf Abstand zu sehen sind. Eine große SPD-Party bleibt so nach dem Ergebnis aus. „Ich trinke ein Glas Bier mit meiner Frau, sie gönnt sich bestimmt ein Glas Wein“, betont der Innenminister, der aber mit einem Lachen verspricht:

„Die Feier über den Wahlsieg ist nur aufgeschoben. Wenn Corona es wieder zulässt, werden die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz es krachen lassen.“

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