Studie zu Urteilen in ganz Deutschland In der Region Trier wird härter bestraft als anderswo

Trier · Eine wissenschaftliche Studie, die Urteile in ganz Deutschland vergleicht, kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. Unter den Juristen in der Region stößt sie eher auf Skepsis.

Studie: In der Region Trier wird härter bestraft als anderswo
Foto: dpa/Oliver Berg

Ob ein Dealer hinter schwedische Gardinen muss oder mit einem blauen Auge, sprich einer Bewährungsstrafe, davonkommt, hängt auch davon ab, ob der Drogenhändler in Garmisch-Partenkirchen, Oldenburg oder Trier vor Gericht steht.

Nach einer neuen Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht gibt es bei der sogenannten Strafzumessung einzelner Landgerichtsbezirke teils erhebliche Unterschiede. So werden etwa Drogendelikte im Norden teilweise deutlich weniger hart bestraft als im Süden der Republik. Im Landgerichtsbezirk Trier, zu dem die Amtsgerichte Bernkastel-Kues, Bitburg, Daun, Hermeskeil, Prüm, Saarburg, Trier und Wittlich gehören, wird bei Rauschgiftdelikten vergleichsweise hart geurteilt. Nach dem Ergebnis der Studie liegt die Strafzumessung um sieben Prozent über dem Bundesdurchschnitt.

Noch größer sind die Abweichungen in der Region Trier bei Gewaltverbrechen, Diebstählen und Beleidigungen. Bei diesen Delikten liegt die Strafzumessung in der Region Trier zwischen neun und zehn Prozent über dem Bundesschnitt. Heißt: Wird ein Drogendealer etwa im Bezirk Bonn zu sechs Jahren Haft verurteilt, müsste er im Trierer Landgerichtsbezirk mit sechseinhalb Jahren Haft rechnen. Über alle Deliktarten hinweg liegt die Region bei der Strafzumessung sogar sieben Prozent über dem Bundesschnitt. Ein Ergebnis, das sicher bei vielen Bürgern auf Zustimmung stoßen dürfte.

Der Wissenschaftler Volker Grundies hat für die Studie 1,5 Millionen Entscheidungen aller 800 deutschen Amts- und Landgerichte aus den Jahren 2004, 2007 und 2010 analysiert. Dabei kam der Freiburger Kriminologe zu dem Ergebnis, dass in jedem fünften Gerichtsbezirk Strafen verhängt werden, die mindestens zehn Prozent über dem Bundesschnitt liegen. Umgekehrt ist es ähnlich.

Der Experte glaubt den möglichen Grund für die teils erheblichen geografischen Unterschiede zu kennen: „Da kann ich mir nur die Tradierung lokaler Justizkulturen vorstellen“, sagte Grundies unserer Zeitung. Was kompliziert klingt, ist im Grunde genommen einfach zu erklären: Die Richter urteilen so, wie in dem entsprechenden Landgerichtsbezirk „schon immer“ geurteilt wurde. „Die Neuen schauen, was die Alten machen, so dass sich eine einmal etablierte Strafpraxis fortschreibt“, umschrieb die Süddeutsche Zeitung im Vorfeld des diesjährigen Deutschen Juristentags das angeblich übliche Prozedere auf den Richterbänken.

Auf dem Leipziger Juristentag wurde unlängst darüber diskutiert, ob in Deutschland – wegen der regionalen Unterschiede – ein neues Strafzumessungsrecht eingeführt werden soll. Das Ergebnis fiel wenig überraschend aus: Mit deutlicher Mehrheit seien tabellarische Vorgaben, bindende Strafzumessungsregeln oder Strafzumessungskataloge abgelehnt worden, sagte eine Sprecherin des Mainzer Justizministeriums. Im Haus von Justizminister Herbert Mertin (FDP) steht man der Grundies-Studie eher skeptisch gegenüber. Urteile seien keine mathematischen Gleichungen mit einem festen, vorausberechenbaren Ergebnis, sagt eine Sprecherin: „Die Taten mögen auf den ersten Blick vergleichbar sein, nicht aber die Täter.“ Ähnlich skeptisch sieht es auch Oliver Emmer, der Direktor des Amtsgerichts Bernkastel-Kues.  Der Vergleich von Urteilen aus verschiedenen Bundesländern würde dem Vergleich von Äpfel mit Birnen entsprechen, sagt Emmer, der auch Bezirksvorsitzender des Deutschen Richterbundes ist.

Beim Trierer Landgericht hält man sich mit einem Urteil über die Freiburger Studie ebenfalls zurück. Eine Bewertung der ausgeurteilten Strafhöhen im Bezirk könne nicht erfolgen, da die Strafzumessung der richterlichen Unabhängigkeit unterliege, sagt Sprecherin Sarah Weber. Der Deutsche Anwaltverein sieht seine Einschätzung dagegen bestätigt: „Es gibt dramatische regionale Unterschiede“, sagt eine Sprecherin unserer Zeitung.

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