Bildung Studieren in Corona-Zeiten - Wie es an der Uni Trier weitergeht

Trier · Behutsam zurück in die Normalität, das ist der Plan der Universität Trier für das demnächst beginnende Wintersemester. In einem Gastbeiträg erklärt der Präsident Prof. Dr. Michael Jäckel, warum möglichst viel Präsenz für Studierende und Lehrende wichtig ist.

 Strafrecht statt Basketball, Volkswirtschaftslehre statt Zumba: In Corona-Zeiten wird die Sporthalle der Universität für Prüfungen und Vorlesungen genutzt.

Strafrecht statt Basketball, Volkswirtschaftslehre statt Zumba: In Corona-Zeiten wird die Sporthalle der Universität für Prüfungen und Vorlesungen genutzt.

Foto: Uni Trier

Zum Umgang mit der Corona-Pandemie gehört das Vergleichen. Neben der Bereitschaft, sich auf die besondere Herausforderung mit unterschiedlichen Formen des Verzichts einzustellen, gesellt sich daher regelmäßig auch der Hinweis auf Lockerungen an anderer Stelle, deren Differenz zu den Restriktionen vor Ort nicht unmittelbar einsichtig zu sein scheint. Neben anderen Funktionssystemen haben die Hochschulen ebenfalls lernen müssen, mit solchen Querverweisen und kritischen Fragen umzugehen.

Das Sommersemester 2020, das zunächst in seiner Durchführbarkeit sehr in Frage stand, wurde dann doch durchaus erfolgreich als digitales Semester mit einem sehr hohen Lehrveranstaltungsanteil umgesetzt. Im Großen und Ganzen, trotz Ermüdungserscheinungen in und mit Webkonferenzen, können die Studierenden sowie Dozentinnen und Dozenten zufrieden sein. Man muss immer sehen, von welchem Punkt man in diese besondere Situation gestartet ist. Je länger dieses besondere Semester andauerte, desto häufiger wurde für bestimmte Veranstaltungsformen nachgefragt, ob diese nicht nun doch auch wieder in Präsenz angeboten werden können. Alle rheinland-pfälzischen Hochschulen sind mit solchen Anfragen sehr zurückhaltend umgegangen, weil sich die überwiegende Zahl der Studierenden mit dem digitalen Semester und der Nicht-Anwesenheit am Campus oder Studienort arrangiert hatte.

Besondere Sorgfalt galt und gilt während und nun am Ende dieses digitalen Semesters der Durchführung von Prüfungen, insbesondere im Falle der schriftlichen Varianten. Unter Einhaltung der Hygienevorschriften und des Abstandsgebots reduzierte sich die normalerweise vorhandene Raumkapazität um mehr als 80 %. In einem Hörsaal mit 500 Plätzen verblieben nach Umsetzung der Richtlinien noch 74. Diese Erfahrungen waren schmerzlich, aber auch hilf- und aufschlussreich. Die Landeshochschul­präsidenten­konferenz Rheinland-Pfalz und die Hochschulrektorenkonferenz der Bundesrepublik Deutschland sind nahezu zeitgleich zu der Einsicht gekommen, dass für das Wintersemester 2020/21 die Devise lauten muss: „So viel Präsenz wie möglich, aber nur im Rahmen des Verantwortbaren“.

Wie also der Mix zwischen analog und digital im Wintersemester ausfallen wird, hängt von vielen Faktoren ab, vor allem aber von der Entwicklung der Pandemie und den Spielräumen, die uns gegeben werden. Wir gehen gegenwärtig davon aus, dass es keine Änderung der Abstandsregelung geben wird und plädieren ausdrücklich dafür, dass diese bis auf Weiteres fortbesteht. Für eine behutsame Rückkehr zum Präsenzunterricht sprechen auch die Ergebnisse einer Untersuchung der Cornell University (USA). Untersucht wurde, wie wahrscheinlich Kontakte von Studierenden mit unterschiedlichen Studienfächern auf einem Campus sind.

Es sind natürlich die großen Vorlesungen, die die Wahrscheinlichkeit einer Infektion erhöhen und dafür sorgen, dass die Distanz in einem Universitätsnetzwerk zwischen zwei Studierenden relativ niedrig ist (also sich diese Personen treffen oder den selben Raum betreten/benutzen), aber auch die Zunahme interdisziplinärer Studiengänge. An einer Hochschule oder Universität, die täglich von mehreren tausend Personen besucht wird, gibt es bei einem zu großzügigen Umgang mit Abstandsregeln zu viele potentielle Infektionsherde: Seminarräume und Hörsäle, die von verschiedenen Personengruppen im Laufe eines Tages genutzt werden, Cafeterien und Mensen, Einrichtungen des Hochschulsports, Bibliotheken. Die Wechselfrequenz ist der kritische Punkt. Trier hat mit seiner geräumigen Zentralbibliothek eine Konstellation, die das Wiederöffnen erleichtert hat. Seit einigen Wochen ist diese nun wieder werktags verfügbar. Bis Mitte Oktober werden voraussichtlich die meisten Gebäude geöffnet sein.

Die tägliche Versorgung (Mensa) ist dabei, sich von einem Provisorium zu entfernen. Steh-Imbiss war gestern, jetzt hat man auch wieder ein Dach über dem Kopf. Für Campus II, den zweiten Standort der Universität, sind Lösungen in Vorbereitung. Die Regeln werden akzeptiert. Der Hygieneaufwand ist gut steuerbar. Das muss auch für das bevorstehende Wintersemester gelten: die Raumgröße, die Zeit und verschiedene Varianten der Veranstaltungsdurchführung sind die Variablen, mit denen wir kreativ umgehen wollen.

Wir müssen bei der Gestaltung eines Nebeneinanders von analogen und digitalen Veranstaltungen für geordnete Verhältnisse sorgen. Das gilt selbstverständlich auch für andere Bereiche des Bildungswesens. Experimentierklauseln sollten angesichts der Herausforderung dennoch nicht ausgeschlossen sein.

Für das Wintersemester 2020/21 sind daher bestimmte Prioritäten gesetzt worden. Wir nehmen zunächst insbesondere die Studienanfängerinnen und -anfänger des Jahres 2020 in den Blick, die sich entweder im ersten oder zweiten Semester befinden. Diese Studierenden haben bislang noch keine Präsenzlehrerfahrungen auf dem Campus machen können und kennen auch das Campusleben noch nicht. Zugleich setzen wir auf fachbereichsspezifische Lösungen, bauen unsere Infrastruktur aus, erweitern Beratungsangebote für Lehrende und Studierende und ermuntern dazu, die Sondersituation lebendig zu gestalten. Wir wollen das Spektrum der uns gegebenen Möglichkeiten gut ausschöpfen und dabei auch an Personen denken, die sich dem Abschluss ihres Studiums nähern.

Die Mobilität zwischen dem Campus und den eigenen oder gemieteten vier Wänden der Studierenden darf sich dabei nicht unnötig erhöhen. Deshalb muss es auf dem Campus selbst Rückzugsbereiche geben, um auch außerhalb einer Lehrveranstaltung konzentriert arbeiten oder vor Ort einem digitalen Angebot folgen zu können.

Die Hochschulen und Universitäten des Landes Rheinland-Pfalz plädieren daher für eine kontrollierte Rückkehr auf den Campus. Das Potential dafür wird zunächst durch die räumlichen Gegebenheiten an den jeweiligen Standorten definiert. Ohne eine Umwidmung der Sporthalle zu einem Hörsaal- und Seminargebäude kämen wir zum Beispiel auf der Tarforster Höhe schnell an unsere Grenzen: Statt Basketball Strafrecht, statt Zumba Volkswirtschaftslehre. Mit guten Spielregeln und entsprechendem Teamgeist wird da einiges gelingen.

Die Situation fordert alle in gleicher Weise heraus. Man kann zwar in vielerlei Hinsicht anders sein und anders sein wollen. Aber eine Pandemie kümmert sich nicht um diese Unterschiede. Dieser Gemeinsamkeit muss man sich immer bewusst sein. Daher werden wir uns beim Mund-Nasen-Schutz noch etwas Kreatives einfallen lassen. Helfen könnten auch die sieben H’s: Humor, Hilfsbereitschaft, Hoffnung, Händewaschen, Harmonie, Höflichkeit, Handcreme.

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