Soziales Essener Tafel: Kein Platz mehr für bedürftige Ausländer - Kritik aus Rheinland-Pfalz

Trier/Essen · Die Essener Tafel nimmt vorerst nur Deutsche auf. „Das geht gar nicht“, sagen die Verantwortlichen in Rheinland-Pfalz.

 Kunden der Essener Tafel stehen mit ihren Einkaufstrolleys vor dem Eingang der Ausgabestelle. Die Essener Tafel will keine nichtdeutschen Neukunden mehr aufnehmen.

Kunden der Essener Tafel stehen mit ihren Einkaufstrolleys vor dem Eingang der Ausgabestelle. Die Essener Tafel will keine nichtdeutschen Neukunden mehr aufnehmen.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

 Nach dem Aufnahmestopp für Migranten bei der Essener Tafel hagelt es Kritik an der Entscheidung des Vereins. Sozial- und Integrationsverbände und auch Tafeln in anderen Bundesländern halten das Essener Verhalten für falsch. „Wir helfen Menschen in Not“, sagt Sabine Altmeyer-Baumann vom rheinland-pfälzischen Tafel-Landesverband, da spiele Herkunft, Nationalität oder Geschlecht keine Rolle. Da habe Essen sehr unglücklich reagiert. „Das wirft auch auf andere Tafeln ein schlechtes Licht“,  sagte die Tafel-Vorsitzende unserer Zeitung.

Die Essener Tafel verteidigte dagegen am Freitag die Entscheidung. „Ich stehe dazu“, sagte der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor. Die Reaktionen, die er erhalte, seien zu 80 Prozent positiv, berichtete Sartor.

Über den Entschluss, vorerst keine weiteren Migranten neu aufzunehmen, sei im Vorstand der Tafel lange diskutiert worden. „Wir wollten erreichen, dass der Weg in die Tafel für alle wieder offen ist“, sagte Sartor. Zuletzt seien aber weniger Alleinerziehende und Rentner gekommen. Der Aufnahmestopp sei nur eine vorübergehende Maßnahme, „wahrscheinlich nicht über den Sommer hinaus“.

Bei der Essener Tafel, die Nahrungsmittelspenden weitergibt, müssen sich Interessenten registrieren. „Da aufgrund der Flüchtlingszunahme in den letzten Jahren der Anteil ausländischer Mitbürger bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen ist, sehen wir uns gezwungen um eine vernünftige Integration zu gewährleisten, zurzeit nur Kunden mit deutschem Personalausweis aufzunehmen“, erläutert der Verein Essener Tafel auf seiner Internet-Seite.

Gerade ältere Nutzerinnen sowie alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, bei denen er teilweise auch „mangelnden Respekt gegenüber Frauen“ beobachtet habe, hatte der Vereinsvorsitzende Sartor bereits erklärt.

Unter den Klienten der 54 rheinland-pfälzischen Tafeln liegt der Migrantenanteil bei durchschnittlich 30 Prozent und damit deutlich unter dem Essener Wert. Nach Angaben der Landesverbandschefin war der Zulauf von ausländischen Tafelkunden hoch, als auch auch die Flüchtlingszahlen massiv anstiegen. Aber längst seien diese Zahlen wieder zurückgegangen. Verdrängungsprozesse, wie sie aus Essen geschildert werden, gebe es in Rheinland-Pfalz nicht, sagt Sabine Altmeyer-Baumann. Probleme gebe es zwar immer mal wieder, sagt Marianne Kerscher, die beim Trierer Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) für die Tafel zuständig ist. Doch die seien unabhängig von Nationalitäten. „Mal meckert jemand, weil er warten muss“, sagt die Expertin, „mal, weil er vielleicht psychisch krank ist.“ Aber das gehöre dazu und sei beherrschbar.

Auch bei der Trierer Tafel gibt es derzeit einen Aufnahmestopp. „Bis auf Weiteres können keine Neukunden mehr aufgenommen werden“, ist im Internet zu lesen. Die Nachfrage nach Lebensmitteln sei so stark angestiegen, dass es derzeit nicht möglich sei. weitere Menschen über die Tafel zu versorgen. „Wir haben 300 Kunden, die wir an drei Tagen versorgen“, sagt Kerscher, „mehr geht einfach nicht.“

Auch unter den Trierer Tafelkunden liegt der Ausländeranteil bei 30 Prozent. Wer von der Tafel Lebensmittel bekommen will, muss in Trier zunächst beim SkF vorbeikommen. Dort werde geschaut, wie dem Betreffenden am besten geholfen werden kann, sagt Marianne Kerscher. „Wenn die Tafel das geeignete Hilfssystem ist, bekommt derjenige in der Regel einen zeitlich befristeten Tafelausweis.“ Nur mit diesem Ausweis bekommt man an den zwei Trierer Ausgabestellen dann auch die Lebensmittel.

Auch in Essen selbst gab es Kritik an der Tafel-Entscheidung. „Viele ausländische Mitbürger befinden sich in Notsituationen. Sie auszuschließen finde ich entsetzlich“, sagte Miguel Martin González Kliefken vom Essener Integrationsrat.  Mit ihrem Aufnahmestopp für Migranten spielt der Verein nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes extremen Parteien in die Hände. „Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Tafeln unter großem Druck stehen und ihre Ressourcen im Blick haben müssen“, sagte Landesgeschäftsführer Christian Woltering. „Aber Maßnahmen wie ein Aufnahmestopp sind Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten.“

Der Sozialverband Deutschland  sieht das Hauptproblem in mangelnden staatlichen Leistungen. Das vergrößere den Andrang. „Ganz klar ist, was die Essener Tafel macht, ist nicht richtig. Aber dahinter steht ein größeres Problem“, sagt Verbandssprecher Michael Spörke. Die Menschen hätten einfach Ängste, wenn sie anstehen. „Das Eigeninteresse ist hoch, etwas zu bekommen.“ Ängste bei Älteren seien nachvollziehbar. (mit dpa)

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