Bildung Hilfeschreie aus acht Schulen

Trier · Eine ungewöhnliche Allianz fordert, ein neues Förderbudget in Höhe von 13,6 Millionen Euro ausschließlich in weiterführende Schulen zu investieren – und nicht in die Grundschulen. Ein Schulleiter spricht Klartext.

 Die Schulhofmauer bricht bald zusammen, an der Fassade sitzt der Schimmel, die Fenster sind marode und undicht: Ralph Borschel, Leiter des Humboldt-Gymnasiums, und die stellvertretende Elternsprecherin Silke Heinz-Döring präsentieren einige der Probleme, die auch an anderen Schulen auftreten.

Die Schulhofmauer bricht bald zusammen, an der Fassade sitzt der Schimmel, die Fenster sind marode und undicht: Ralph Borschel, Leiter des Humboldt-Gymnasiums, und die stellvertretende Elternsprecherin Silke Heinz-Döring präsentieren einige der Probleme, die auch an anderen Schulen auftreten.

Foto: TV/Schramm, Johannes

Acht Trierer Schulen haben der Stadt Trier einen gemeinsam verfassten Brief geschickt. Unterzeichnet ist das Papier nicht nur von den jeweiligen Schulleitern, sondern auch von den Personalräten und den Schüler- und Elternvertretungen. Fünf Gymnasien und drei Realschulen plus der Stadt fordern, die komplette Fördersumme von 13,6 Millionen Euro, die der Stadt Trier aus dem Schulsanierungsprogramm zusteht, in die weiterführenden Schulen zu investieren.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass mehrere Millionen Euro in kleinere Schuleinheiten investiert werden, in denen jeweils nur eine geringe Anzahl an Schülern maximal vier Schuljahre verbringen“, heißt es in dem Schreiben. „Schüler an weiterführenden Schulen müssen mit vielen Mängeln und Defiziten in der Regel sechs bis neun Jahre leben. Das ist in unseren Augen nicht vertretbar.“

Das heißt: Die 24 Trierer Grundschulen, die mit der Bezeichnung „kleinere Schuleinheiten“ gemeint sind, sollen zuerst einmal nichts von der Fördersumme bekommen.

Die Millionen, von denen hier die Rede ist, stammen aus einem neuen Programm, das kommunale Investitionen zur Sanierung, zum Umbau und zur Erweiterung von Schulgebäuden mit Bundesmitteln fördert. Rheinland-Pfalz erhält 256,5 Millionen Euro, die Stadt Trier kann  ein Förderbudget in Höhe von 13,6 Millionen Euro erwarten.

Eine Reaktion der Verwaltung oder der Fraktionen des Stadtrats gibt es noch nicht, beide haben den Brief gerade erst erhalten. Ob die darin enthaltene Forderung Auswirkungen auf die anstehenden Beratungen des neuen Doppelhaushalts für 2019 und 2020 haben wird, muss sich noch zeigen.

Ralph Borschel, der Leiter des Trierer Humboldt-Gymnasiums, stellt sich mit der stellvertretenden Schulelternsprecherin Silke Heinz-Döring den Fragen des TV. „Unser Brief ist ein Hilfeschrei“, sagt Borschel. „Der Sanierungsstau an den weiterführenden Schulen und die Anzahl der betroffenen Schüler sind so groß, dass hier unbedingt Abhilfe zu schaffen ist.“ Silke Heinz-Döring ergänzt: „Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem etwas getan werden muss. So geht es nicht weiter.“

Die Allianz der weiterführenden Schulen besteht aus dem Humboldt-Gymnasium, dem Max-Planck-Gymnasium, dem Auguste-Viktoria-Gymnasium, dem Friedrich-Spee-Gymnasium, dem Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, der Moseltal Realschule plus, der Nelson-Mandela-Realschule plus und der Kurfürst-Balduin-Realschule plus. „Unsere Forderung, die Fördergelder ausschließlich in weiterführende Schulen zu investieren, schließt die Berufsschulen ausdrück­lich mit ein, auch wenn sie nicht zu den Unterzeichnern des Briefes gehören“, sagt Borschel.

Und die Grundschulen? „Wir wollen die Grundschulen weder von der Förderung abkoppeln noch einen zentralen Konflikt schüren“, betont der Leiter des Humboldt-Gymnasiums. „Unser Brief ist eine Forderung nach klaren Prioritäten.“

Borschel und seine Kollegen listen in ihrem Schreiben an die Stadt die dringlichsten Probleme auf. Problem Nummer eins sieht man von außen: An der Fassade des Humboldt-Gymnasiums sind große schwarze Schimmelflächen zu sehen. „Die Schimmelbeseitigung und eine Erneuerung der Außen­isolierung ist auch an den anderen Schulen dringend nötig“, sagt Borschel. Flure und Klassenräume sind teils seit Jahrzehnten nicht mehr gestrichen worden. Putz blättert von den Wänden und Decken. Ein kurzer Rundgang durch das Humboldt-Gymnasium bestätigt diesen Vorwurf zu 100 Prozent.

Fenster sind beschädigt oder undicht und schließen nicht richtig. „Oft ist der Wärmeverlust so hoch, dass die Räume im Winter nicht zu heizen sind“, heißt es im Brief der acht Schulen. Im Sommer ist es dann viel zu heiß.

Es geht weiter: fehlende Barrierefreiheit, unzumutbare Toiletten, viel zu wenig Sporthallen, starke Einschränkungen durch Brandschutzmängel. „Die Aula des Humboldt-Gymnasiums wartet seit 2014 auf eine Brandschutzsanierung und kann seitdem nur von maximal 100 Menschen genutzt werden“, sagt Borschel. „Schulisches Leben kann nicht mehr stattfinden.“

Der Stadtrat wird den Doppelhaushalt 2019/2020 voraussichtlich am 18. Dezember beschließen.

Der Kommentar: Viel zu lange tatenlos zugesehen

Von Jörg Pistorius

Die weiterführenden Schulen der Großstadt Trier sind in einem miserablen Zustand. Schüler und Lehrer müssen täglich eine enorme Duldsamkeit und Gleichmut aufbringen, um dort überhaupt lernen und arbeiten zu können. Alle Zeichen des Verfalls senden eine eindeutige Botschaft: Diese Gebäude würden heute besser aussehen – wenn man sich vor 15 Jahren um die Probleme gekümmert hätte.

Es hat keinen Sinn, seinen Zorn immer auf das Land und den Bund zu richten. Auch die Kommunalpolitik der Stadt Trier hat über Jahrzehnte untätig zugesehen, wie ihre Schulen verfallen. Man tröstete sich mit dem Motto: Dafür muss Geld aus Mainz und Berlin kommen. Die Schulen sind auch Opfer des politischen Systems. Ein Stadtrat ist für fünf Jahre gewählt, ein Oberbürgermeister und Dezernent auf acht Jahre. Zeiträume, die für eine Sanierung aller Schulen viel zu kurz sind. Und in jeder Legislaturperiode hoffen die Verantwortlichen: Lasst diesen Kelch an uns vorübergehen.

 Schäden Humboldt-Gymnasium

Schäden Humboldt-Gymnasium

Foto: TV/Jörg Pistorius
 Schäden Humboldt-Gymnasium

Schäden Humboldt-Gymnasium

Foto: TV/Jörg Pistorius

j.pistorius@volksfreund.de

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