Finanzielle Hilfe Eine Million Euro für Opfer der Trierer Amokfahrt

Trier · Zumindest keine finanziellen Nachteile sollen die Menschen haben, die bei der Amokfahrt durch Trier verletzt oder deren Angehörige getötet wurden. Um auch mittel- und langfristig helfen zu können, soll eine Stiftung gegründet werden.

 In einem Schaufenster des verwaisten ehemaligen Karstadt-Warenhauses erinnert ein großformatiges Bild des Trierer Fotografen Simon Engelbert an die Opfer der tödlichen Amokfahrt vom 1. Dezember.

In einem Schaufenster des verwaisten ehemaligen Karstadt-Warenhauses erinnert ein großformatiges Bild des Trierer Fotografen Simon Engelbert an die Opfer der tödlichen Amokfahrt vom 1. Dezember.

Foto: Roland Morgen

Exakt 10 247 Einzelspenden waren bis Donnerstagmittag eingegangen auf das Hilfekonto für die Opfer der Amokfahrt in der Trierer Fußgängerzone am 1. Dezember. Die Gesamtspendensumme lag zu diesem Zeitpunkt bei genau 1 036 961 Euro. Oberbürgermeister Wolfram Leibe hatte in der Stadtratssitzung am Mittwochabend allen Spendern gedankt: „Die Zahl der Spenden und die Spendensumme ist beeindruckend“, betonte er. Nicht nur Trierer und Triererinnen und ansässige Unternehmen hätten per Spende ihren Beistand gezeigt. „Sondern auch aus den umliegenden Landkreisen und auch aus unseren Partnerstädten.“ Auch die Solidarität aus dem Saarland sei groß. „Für mich sind dabei die fünf Euro, die ein Schüler von seinem Taschengeld zahlt, genauso wichtig wie eine Großspende von 20 000 Euro“, betonte der Oberbürgermeister.

Die höchste Einzelspende mit 20 000 Euro stammt von der Sparkasse Trier. „Daneben gibt es aber auch etliche weitere Spenden zwischen 10 000 und 20 000 Euro“, erklärt Ernst Mettlach, Pressesprecher der Stadt Trier, auf TV-Nachfrage.

Doch was passiert jetzt mit dem Geld? Die ersten Soforthilfen seien bereits im Dezember an die Familien der bei der Amokfahrt in Trier getöteten Opfer ausgezahlt worden. Nun erhalten auch die Familien schnelle Hilfe, bei denen Angehörige schwerstverletzt wurden durch den 51-jährigen mutmaßlichen Täter, der mit seinem Auto durch die Fußgängerzone gerast war und gezielt Menschen an- und umgefahren hat.

Die Spendensumme liegt auf einem Treuhandkonto der Sparkasse. „Die bisherigen Auszahlungen habe ich mit den Großspendern abgesprochen, um ein Mandat dafür zu haben“, sagte Leibe. Nun müsse die Sache aber in eine geordnete Struktur gebracht werden. Nicht nur wegen der Menge des Geldes, sondern auch, weil die finanzielle Unterstützung mittel- bis langfristig angelegt sei. „Denn auf die Familien kommen Kosten zu, die möglicherweise nicht über gesetzliche Opferhilfen gedeckt werden können. Wenn zum Beispiel ein Spezialrollstuhl benötigt würde, dann müsste die betroffene Familie nicht erst mit mehreren Sozialversicherungsträgern streiten. Der Rollstuhl würde dann einfach aus den Spendenmitteln gekauft.“ Langfristige Hilfe könne auch nötig sein bei Menschen, die durch das Miterleben der schrecklichen Tat traumatisiert seien und möglicherweise nicht mehr arbeiten könnten.

Um die Hilfe langfristig zu sichern und auch rechtliche Klarheit zu schaffen, soll eine Stiftung gegründet werden. In den Stiftungsrat könnten  laut Leibe renommierte Trierer Bürger und Bürgerinnen, Mediziner, Psychologen und – falls gewünscht – auch Vertreter des Stadtrats berufen werden. Anders als bei üblichen Stiftungen ist eine sogenannte Auszahlungsstiftung geplant: Bei dieser Form werden nicht nur die Zinserträge des Stiftungskapitals, sondern das Kapital selbst ausgezahlt.

Oberbürgermeister Leibe betonte in der Stadtratssitzung erneut, dass die Perspektive der Opfer und deren Familien weiterhin im Mittelpunkt stehe. Auch die Gründung der Stiftung solle mit den Familien vorab besprochen werden, und zwar bei einem ersten gemeinsamen Treffen Anfang Februar. Aufdrängen dürfe man sich den Betroffenen allerdings nicht. „Die meisten Familien haben die finanzielle Soforthilfe angenommen. Manche haben aber auch zurückgemeldet, dass sie über Geld derzeit nicht reden möchten.“ Grundsätzlich könnten alle Familien ihre Rechnungen im Zusammenhang mit der Amokfahrt und deren Folgen beim Opferbeauftragten Detlef Placzek in Mainz einreichen (siehe Bericht unten).

Der Opferbeauftragte kümmert sich zunächst darum, dass die Ansprüche aus den gesetzlich verankerten Möglichkeiten ersetzt werden (Opferentschädigungsgesetz, Unfallkasse, Verkehrsopferhilfe). Mögliche Lücken sollen aus dem Spendengeld gefüllt werden. „Die Familien sollen überhaupt keine finanzielle Belastung durch die Tat haben“, betonte Leibe, „und erste Rückmeldungen zeigen auch, dass das gut funktioniert.“

Gut acht Wochen nach der Tat am 1. Dezember sind bei der Stadt die ersten Anfragen nach Spendenquittungen eingegangen. Leibe bittet um Geduld. „Bei 10 200 Einzelspenden – teilweise mit nicht vollständigen Adressangaben – dauert es leider eine Zeit, bis wir alle Spendenquittungen verschickt haben werden“, erläuterte Leibe. Aber nicht nur alle Spender würden die entsprechende Post aus dem Rathaus erhalten, sondern auch alle, die Kondolenzschreiben an die Stadt geschickt haben. „Wir möchten jedem einzelnen eine Antwort schreiben“, versprach Leibe in der Ratssitzung. Die Kondolenzschreiben, die an die Familien der Opfer gerichtet waren und beim Rathaus eingegangen sind, leitet die Stadt zudem an diese weiter.

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