216 Seiten voller Erinnerungen

Trier-Zewen · Denkmäler müssen nicht aus Stein sein. Das Denkmal, das Reinhold Zimmer seinem Heimatort Zewen und Vorbildern aus Jugendtagen setzt, ist ein Buch. Es heißt "Am Rauschen des Baches" und wird am Sonntag in einer öffentlichen Veranstaltung im Pavillon vorgestellt.

Trier-Zewen. Reinhold Zimmer senior und seine Frau Eleonore hatten sechs Kinder. Mit dem Familienglück war es vorbei, als der Vater in den Krieg musste und Sohn Albert Matthias 1943 ohne Wissen der Mutter von Frankfurt, wo er wegen Epilespie behandelt wurde, nach Linz an der Donau in eine Nervenklinik verlegt wurde. Dort starb er wenige Tage später - im Alter von nur sechs Jahren. Eleonore Zimmer gab ihre anderen fünf Kinder in Zewen in der Nachbarschaft in Obhut und machte sich allein per Zug quer durch Deutschland und Österreich auf den Weg, um sich von ihrem Kind zu verabschieden. "Das muss man sich mal vorstellen, wie verzweifelt und entschlossen meine Mutter war. Sie stammte aus Wintersdorf und war nie über Trier hinausgekommen. Und dann diese Reise ins völlig Unbekannte zu ihrem toten Jungen", sagt Reinhold Zimmer (80), der Drittälteste der Kinder.
Zurück in Zewen, schwieg die Mutter über das Geschehene. Nur beim Gebet vor dem Essen wurde des kleinen Albert Matthias gedacht. Reinhold Zimmer glaubt das Schicksal seines jüngeren Bruders zu kennen: "Er wurde Opfer der von den Nazis propagierten gezielten Tötung ,unwerten Lebens'". Der 80-Jährige widmet ihm ein Kapitel in seinem neuen Buch, stellvertretend für die vergessenen Opfer: "Wenn wir sie beim Namen nennen, dann sind sie nicht vergessen."
Reinhold Zimmer nennt viele Namen in "Am Rauschen des Baches" (Untertitel "Ein Zewener Lesebuch"). Auch, um lokalen Helden ein Denkmal zu setzen. Zum Beispiel Peter Ripplinger, von 1929 bis 1953 Rektor der Zewener Volksschule und Verfasser der Ortschronik: "Ein großartiger Pädagoge, dem wir viel zu verdanken haben." Nach Ripplinger, aber auch Horst Fleming, Nachkriegs-"Landarzt aus Leidenschaft", sollten Straßen benannt werden, fordert Zimmer. Doch wenn es darum gehe, auf diese Weise Persönlichkeiten aus eigenen Reihen zu ehren, seien die Eurener findiger und erfolgreicher. Ausgerechnet die Bewohner des Nachbarstadtteils, mit denen die Zewener seit vielen Generationen eine innige Rivalität pflegen. Es geht nicht nur schwermütig zu in dem Buch, das wesentliche Aspekte der Vergangenheit des Ortes vor dem Vergessen bewahren will. Zimmer, von rund einem Dutzend Co-Autoren unterstützt, ist spätestens seit seinen beiden ersten großen Veröffentlichungen, dem Mundartwörterbuch "Zewena Platt - ees Mottersproach" (2005) und dem "Zewener Erdbeerbuch" (2010), weithin bekannt für seine heitere und besinnliche Ader.
Zum Leben gehören auch die schönen Erinnerungen. Die sollen natürlich ebenfalls wachgerufen werden. Mit großer Zuneigung zu den Menschen und dem Blick fürs Wesentliche zeichnet der frühere Fachleiter für Grundschulpädagogik am Studienseminar Trier ein stimmungsvolles Bild des Dorflebens zu seiner Kindheits- und Jugendzeit. Der Zewener Bach kommt natürlich auch vor, unter anderem in einer Bilderserie von 1970, dem Jahr, in dem der Trierer Stadtrat beschloss, das Gewässer ab der Ortsmitte in einem unterirdischen Kanal zur Mosel strömen zu lassen.
Buchvorstellung am Sonntag


"Am Rauschen des Baches - Ein Zewener Lesebuch" umfasst 216 Seiten, ist bebildert unter anderem mit Zeichnungen des kürzlich im Alter von 91 Jahren verstorbenen Hermann Reinsbach. Es ist für 17,90 Euro erhältlich in der Mayerschen Buchhandlung Interbook (Kornmarkt) sowie in Zewen in der Marienapotheke, bei Friseur Fellmann und bei Reinhold Zimmer (Dürerstraße 10a).
Die offizielle Buchvorstellung ist übermorgen, Sonntag, 15.30 Uhr, im Vereinshaus Pavillon. Weitere Mitwirkende sind Werner Huwer, Ulrich Holkenbrink und Gerhard Schu, der den Krämerladen seines Urgroßvaters Nikolaus Grundhöfer vorstellt. Musikalische Umrahmung: Bläserquartett des MV Zewen 1906.

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