232 Trierer Sparideen für 2012

Trier · Wunschprojekte sind dieses Mal nicht gefragt. Wegen der extremen finanziellen Schieflage der Stadt Trier - die sehr deutlich zutage tritt, wenn OB Klaus Jensen dem Rat am Donnerstag den Haushalt 2012 vorlegt - hat die Verwaltung Investitionsvorschläge aus dem Bürgerhaushalt ausgeklammert. Das drückte die Zahl der Vorschläge von 389 (2010) auf 232.

Trier. "Es macht wenig Sinn, in der aktuellen Situation abzufragen, was man alles in dieser Stadt machen könnte, wenn man das Geld hätte", sagt Triers Oberbürgermeister. Trier hat das Geld nicht, im Gegenteil: Fünf Millionen Euro muss die Stadt einsparen, um in den Entschuldungsfonds des Landes Rheinland-Pfalz zu kommen (der TV berichtete).
Tankstelle nur auf Platz 70


Deshalb sammelt der dritte Bürgerhaushalt der Stadt Trier (siehe Extra) keine Investitionsvorschläge mehr. Die mittlerweile 2322 angemeldeten Nutzer - 280 mehr als im Vorjahr - mussten sich mit Ideen begnügen, wie ihre Stadt weniger ausgeben oder mehr einnehmen kann. 232 solcher Ideen liegen jetzt vor, sie wurden 443-mal kommentiert und mehr als 19 000-mal bewertet. "Besonders diese Zahl zeigt, dass sich viele Menschen für das Thema Bürgerhaushalt interessieren", sagt Triers Oberbürgermeister, dessen Verwaltung pro Jahr 40 000 Euro für dieses Projekt springen lässt.
Ob und in welcher Form es ein Vorschlag aus dem Bürgerhaushalt in die Haushaltsdebatte im Dezember schafft, hängt im ersten Schritt von den Bewertungen ab, die er im Internet erhält. Jeder Teilnehmer kann alle Vorschläge lesen, kommentieren und bewerten. Die Verwaltung wird in den nächsten Tagen die 60 Vorschläge mit der höchsten Bewertungsquote prüfen und ihre Reaktionen am 24. Oktober auf www.buergerhaushalt-trier.de im Internet präsentieren.
"Anschließend haben die Ratsfraktionen Gelegenheit, diese 60 Vorschläge zu prüfen und zu kommentieren", erläutert Jensen. Auch die jeweiligen Ortsbeiräte werden eingebunden. Am Ende dieses Prozesses stehen die Etatberatungen im Dezember: "Die am besten bewerteten Vorschläge sollen im Steuerungsausschuss und dann im Stadtrat mit dem Haushalt 2012 verabschiedet werden", erläutert Jensen.
Übrigens: Der Vorschlag, die Tankstelle Ostallee zu erhalten, hat zwar eine intensive öffentliche Debatte ausgelöst (der TV berichtete mehrmals), liegt in der Bewertungsskala allerdings nur auf Platz 70 und wird deshalb nicht in der Liste der Besten landen. Das ist aber auch nicht mehr nötig, da der Rat bereits in seiner Novembersitzung über die weitere Zukunft der Araltankstelle entscheiden will.
Die folgenden Vorschläge haben die meisten Bewertungen erhalten. Das System bietet seinen Teilnehmern völlige Anonymität, die Namen der Urheber sind nicht bekannt.
Schäden und andere Aufgaben online melden: Die Stadt soll eine Möglichkeit bieten, Schäden (wie Schlaglöcher und Vandalismus) online zu melden.
Thermostatventile in Schulen: Durch Anbringen dieser Ventile könnten viele Trierer Schulen eine Menge Energie sparen.
Ehemaliges Franzosenviertel nutzen oder verkaufen: Der komplette Bereich Frankenstraße und Burgunderstraße in Kürenz steht seit Jahren leer und verfällt. Die Stadt soll diese Fläche in Zusammenarbeit mit dem Bund als Eigentümer nutzen, damit sich dort Anwohner und Geschäfte ansiedeln können.
Buskomfort und Buspreise: Taktung, Komfort, Streckenführung und Preise des Busverkehrs in Trier sollen sich deutlich verbessern. Dieser Vorschlag löste eine rege Diskussion im Internet aus.
Sonnenenergie nutzen und Dachflächen vermieten: Die Stadt soll prüfen, ob auf den Dächern ihrer Immobilien Photovoltaikflächen vermietet oder verpachtet werden können.Meinung

Näher dran am Zahlenmonster
40 000 Euro pro Jahr sind eine stolze Summe. Aber diese Investition hat ermöglicht, was angesichts allgegenwärtiger Politikverdrossenheit noch vor fünf Jahren niemand für möglich gehalten hätte: Tausende beschäftigen sich mit dem Trierer Haushalt, machen Vorschläge, diskutieren und bewerten. Eine solche Zusammenarbeit zwischen dem Volk, den Entscheidern im Rathaus und in den Fraktionen hat es bisher nicht gegeben, und ein derart spürbares Interesse am Haushalt - dem unattraktiven Zahlenmonster - ebenfalls nicht. j.pistorius@volksfreund.deExtra

Der Start: 2009 begann die Verwaltung, die Bewohner ihrer Stadt für die Gestaltung des Haushaltsplanes zu interessieren und sie in die komplexe Entstehung dieses Plans einzubinden - soweit die Rechtslage und der Stadtrat es erlauben. Jeder Interessierte kann über www.buergerhaushalt-trier.de oder per Post Methoden vorschlagen, die es der Verwaltung ermöglichen, Geld zu sparen oder neue Einnahmequellen zu erschließen. 411 solcher Vorschläge kamen im Startjahr im Rathaus an. 1,8 Prozent aller Wahlberechtigten in Trier haben mitgemacht - mit dieser Quote lag Trier bundesweit vorn. Zu dieser Spitzenposition gab\\'s den Biene-Award in der Kategorie "komplexe Gemeinschafts- und Internetangebote". Mit dem Preis würdigen die Aktion Mensch und die Stiftung Digitale Chance Zugänglichkeit und Funktionalität deutschsprachiger Internetangebote. jp

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