300 somalische Flüchtlinge demonstrieren in Trier - Sie fühlen sich wie vergessene Flüchtlinge

Trier · Bei einem Protestmarsch in Trier haben am Dienstag 300 Menschen aus Somalia gefordert, mit anderen Flüchtlingen aus Bürgerkriegsländern gleichgestellt zu werden. Wer aus dem afrikanischen Land kommt, muss derzeit zwei bis drei Jahre auf den Abschluss seines Verfahrens warten.

300 somalische Flüchtlinge demonstrieren in Trier - Sie fühlen sich wie vergessene Flüchtlinge
Foto: Foto: Rainer Neubert

"Wir wollen Asyl! Wir wollen Gerechtigkeit! Wir wollen Bleiberecht!" Als am Dienstagnachmittag am Hauptbahnhof in Trier der Tross mit 300 Flüchtlingen aus Somalia lautstark in Richtung Nordstadt losmarschiert, glänzen die Augen von Hussein Hashi-Mohamad. Der 23-Jährige hatte die Idee zu der Demonstration in der deutschen Stadt, die er vor 16 Monaten am Ende seiner langen und gefährlichen Flucht vom Horn von Afrika als erstes kennenlernte.

"Ich habe die ersten Wochen in der Aufnahmeeinrichtung in Trier-Nord gelebt", sagt der höfliche Mann. Mittlerweile lebt er in einem Ort bei Kaiserslautern, lernt intensiv die Sprache seiner Wahlheimat und hofft fast verzweifelt darauf, dass über seinen Asylantrag entschieden wird. "Ich habe noch keinen Anhörungstermin beim Bundesamt", sagt der Mann, der so gerne seine Ausbildung als Automechaniker in Deutschland fortsetzen oder neu beginnen würde.

Die Chancen für eine schnelle Änderung seines Aufenthaltsstatus' stehen allerdings schlecht. Denn während es nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) von der Abgabe eines Asylantrags bis zum Bescheid generell im Durchschnitt derzeit "rund fünf Monate" dauert, liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer für Menschen aus Somalia bei 13 Monaten. "Es gibt Länder, deren Situation nicht eindeutig ist", begründet eine Bamf-Sprecherin diese lange Zeit.

Hussein Hashi-Mohamad, der die Demonstration in Trier angemeldet hat, und seine 300 Landsleute, die an diesem Tag aus ganz Rheinland-Pfalz nach Trier gekommen sind, reagieren auf solche Äußerungen mit Fassungslosigkeit. Sie verweisen auf die Milizen der islamistischen Terrororganisation Al Shabab und andere Warlords, die jenseits der Hauptstadt Mogadischu Angst und Tod verbreiteten.

Von Afrika nach Trier

"Wer sich in Somalia der Terrorgruppe nicht anschließt, wird zum Gejagten", beschreibt es auch der Deutsch-Somalische Verein mit Sitz in Wiesbaden, der sich ebenfalls an der Protestkundgebung in Trier beteiligt. "Es bleibt einem nur die Wahl: Selber töten, getötet werden oder flüchten. Die strapaziöse Odyssee endet in Deutschland, wo wir nun seelisch eingesperrt werden."

Eine solche Odyssee hat auch Hashi-Mohamad hinter sich. Der gefährliche und für viele Flüchtlinge tödliche Weg führte über Äthiopien und den Sudan durch die Sahara nach Libyen, von dort im Schlauchboot nach Sizilien, Rom und mit dem Bus bis nach Trier. "Hier ist es sicher, hier will ich bleiben", sagt der 23-Jährige, der eineinhalb Jahre nach seiner Einreise Freunde gefunden hat. Auch deutsche Freunde? "Nein", sagt der junge Mann, "aber wir Somalier haben ein gutes Netzwerk." Die Einladungen zur Demo in Trier seien vor allem über Facebook und mündlich erfolgt.
In der Moselstadt finden die Menschen aus Somalia eine gemeinsame Sprache: Sie skandieren auf Deutsch, auch wenn es nur wenige mitbekommen. Denn der Weg zur Bamf-Außenstelle in Trier-Nord führt die friedlichen Demonstranten durch wenig frequentierte Straßen. So war es in den vergangenen Wochen auch bei zwei ähnlichen Demonstration - von Menschen aus Eritrea, einem Nachbarstaat von Somalia. EXTRA

Somalia gilt als klassisches Beispiel für einen gescheiterten Staat. Ein jahrelanger Bürgerkrieg hat das Land am Horn von Afrika, im äußersten Osten des Kontinents gelegen, zu einem zerrissenen Staat gemacht, zu dem vergleichsweise wenige Angaben vorliegen. Besonders im Süden leiden die Menschen unter großer Dürre und dem Terror der islamistischen Al-Shabab-Miliz. Der Einfluss der Zentralregierung reicht nur wenig über die Hauptstadt Mogadischu hinaus.
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4671 Somalier haben nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) von Januar bis Ende Oktober Asylanträge in Deutschland gestellt. Die Verfahrensdauer für Menschen aus Somalia beträgt im Durchschnitt 13 Monate. Die Schutzquote liegt laut Bamf derzeit bei 38,1 Prozent. 1710 Entscheidungen sind demnach in diesem Jahr getroffen worden. 652 Personen haben Schutz erhalten, es gab 147 Ablehnungen. Für 911 Asylanträge gab es laut Bamf "sonstige Verfahrenserledigungen" (zum Beispiel Rücknahmen). In den Einrichtungen der Afa Trier leben derzeit 234 Somalier. r.n.

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