80 und (k)ein bisschen abergläubisch

Trier · Einmal 80 zu werden - daran hat Josef Tietzen noch vor ein paar Jahren "im Traum nicht gedacht". Am heutigen Samstag ist es so weit. Und dennoch kein echter Grund zum Feiern. Da ist Tietzen wieder ganz in seinem Metier: "Die 8 ist - auf der Seite liegend - in der Fotografie das Symbol für Unendlichkeit. Damit kann ich mich nicht recht anfreunden."

Trier. Wenn Josef Tietzen an diesem Wochenende die Familie und enge Freunde aus gegebenem Anlass zu Tisch bittet, dann ist das ausdrücklich "kein Geburtstags- oder Festmahl", betont der Jubilar. Er spricht lieber von "Essen mit meinen Lieben". Die 80 sei ihm nicht geheuer, eben wegen der symbolhaften Bedeutung der 8. Auf die Unendlichkeit verspüre er noch keine Lust.
Verständlich. Denn viele nette Seiten des irdischen Daseins hat der Ur-Trierer, der wie Gattin Margret (78) von der Weberbach stammt, erst im fortgeschrittenen Ruhestand genießen können. Im Berufsleben war Josef Tietzen ein "ewig Getriebener", der selbst im Urlaub nicht wirklich abschalten konnte. Als Fotograf des Trierischen Volksfreunds, der ihn 1966 dem Konkurrenzblatt Trierische Landeszeitung abgeworben hatte, war er oft rund um die Uhr im Einsatz. In der Ära des Verlegers Nikolaus Koch (1908 bis 1982) und dessen Gattin Luise (1907 bis 1993) galten für ihn keine Arbeitszeitregelungen. Oft kam Tietzen spätabends von einem langen Arbeitstag nach Hause, da klingelte das Telefon: "Schwerer Verkehrsunfall!" Also wieder die schwere Kameratasche umgehängt und raus - um dann früh am nächsten Morgen wieder bei einem regulären Termin auf der Matte zu stehen.
Was sich kein Praktikant und kein Volontär auf Dauer hätte bieten lassen, war für Tietzen der Normalfall. "Das liegt daran, dass ich meinen Beruf geliebt habe und sehr gerne für unsere Leser im Einsatz war. Außerdem bin ich sehr gutmütig."
Der Volksfreund in Person


Der Dauereinsatz im weiten TV-Verbreitungsgebiet machte Tietzen zum personifizierten Volksfreund. In seiner "geliebten Heimatstadt Trier" genießt er gar den Status eines Originals. Was "Tietzens Jupp", wie er landauf landab genannt wird, selbst etwas wundert: "An meiner Vorliebe fürs Pfeifen kann\'s nicht liegen. Um Dampf abzulassen, pfeife ich gern und viel und nicht mal gut. Das muss man als Außenstehender erst mal aushalten können", sinniert er mit Unschuldsmiene.
Aber selbst der fatale Hang zur Atonalie konnte seiner Beliebtheit keinen Abbruch tun. Auf dünnerem Eis bewegte er sich allerdings mit dem Praktizieren einer weiteren Vorliebe: dem Fotografieren aus erhöhter Warte. Keine in Reichweite befindliche Leiter, kein Stuhl und kein Tisch waren sicher vor ihm. Der originellste überlieferte Stoßseufzer als Reaktion auf den berüchtigten, wenn auch ungemein effektiven Arbeitsstil stammt von Ignaz Bender (76), seinerzeit Kanzler der Uni Trier: "Mitten im Gewühle steigt er auf die Stühle. Ach brächt\' er uns nicht ins Schwitzen, sondern tät\' im Sitzen knipsen."
Den Hoch-hinaus-Drang verspürt Tietzen nicht mehr, seit er vor einigen Jahren nur noch mit fremder Hilfe von einem als Fotografier-Podest genutzten Tisch runterkam: "Mittlerweile habe ich eine neue Hüfte und könnte es theoretisch wieder versuchen. Aber ich lasse es lieber nicht drauf ankommen." Überhaupt ist Jupp heute deutlich entspannter als vor zehn, 15 Jahren: "Den Ruhestand konnte ich anfangs nicht so recht genießen. Ich musste mich erst nach und nach daran gewöhnen, meine Zeit selbst einteilen zu können."
Der Mann, der "einige Zehntausend" Pressefotos veröffentlicht hat, fotografiert weiterhin. Heute insbesondere für Buchprojekte. In der Reihe "Weißt Du noch …?" mit gegenübergestellten alten und neuen Aufnahmen aus Trier soll 2014 Band 7 erscheinen. "Ich hoffe und wünsche mir, dass Josef Tietzen weiterhin mit von der Partie ist", sagt Verleger Michael Weyand (57).
Und was macht das Geburtstagskind, wenn es nicht auf Motivsuche ist? "Spazieren gehen mit meiner Frau, am liebsten um den Keller See und an vielen schönen Orten in der Eifel." Auf dass er das auch dann noch mit Muße tun kann, wenn aus der 8 eine 9 geworden ist.

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