Ab sofort: Tanzen vier Tage lang verboten

Die Tage vor Ostern sind für Christen kein Anlass zum Feiern: Gläubige gedenken dem Leiden und Sterben Jesu. Diesen Ursprung hat das staatliche Tanzverbot, das auch in Trier vom heutigen Gründonnerstagmorgen bis Sonntagnachmittag gilt. In der Praxis ist jedoch längst nicht allen nach Trauern zumute.

Trier. (beke) "Wegen Tanzverbot geschlossen", teilen verschiedene Trierer Diskotheken für Karfreitag mit. Das Landesgesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage von 1970 verlangt: Von Gründonnerstag ab 4 Uhr morgens bis Ostersonntag um 16 Uhr ist das Tanzen untersagt. Tanzveranstaltungen sind deshalb eine Ordnungswidrigkeit.

In der Praxis scheint sich jedoch längst eine unausgesprochene Lockerung des Tanzverbots durchgesetzt zu haben. So sind am Karfreitag zwar die meisten Tanzflächen gesperrt oder die Diskotheken ganz geschlossen. An den anderen Tagen allerdings, an Gründonnerstag und am Samstag vor Ostern, gibt es fast überall Partys wie gewohnt.

Diskotheken werben unverblümt im Internet



Ralf Frühauf, Pressesprecher der Stadt Trier, bestreitet eine Lockerung des Verbots: "Die Einhaltung wird durch unseren kommunalen Vollzugsdienst sowie durch die Polizei kontrolliert - nicht nur am Karfreitag." Es würden kaum noch Veranstaltungen angekündigt, da es bekannt sei, dass die Stadt "nach entsprechenden Hinweisen" das Internet kontrolliere. Aus diesem Grund sei auch die Zahl der eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren relativ gering.

Ein Blick auf die Homepages der bekannten Trierer Diskotheken legt ein ganz anderes Bild nahe: Munter wird dort die "absolute Tanzbarkeit" eines Gast-DJs am Karsamstag angepriesen, während eine andere Disco am Gründonnerstag unter diesem Motto einlädt: "Tanzt, wie ihr noch nie getanzt habt. Feiert, wie ihr noch nie gefeiert habt."

Viele empfinden das Tanzverbot als nicht mehr zeitgemäß oder undemokratisch. Ein Nutzer von Studi-VZ, einem Online-Sozialnetzwerk, äußert sich in der Gruppe "Tanzverbot ist Freiheitsberaubung": "Jeder muss selbst entscheiden können, ob er den Feiertag im Stillen nutzen möchte oder eben zum Feiern."

Auch Joachim Ternes, der Inhaber von Lucky's Luke in Trier, bewertet das Tanzverbot vorsichtig als "etwas überholt". Er zeigt Verständnis für die Kontrollen der Stadt Trier. Allerdings plädiert er für eine Lockerung des Gesetzes auf Landesebene. "Die Besucher meines Lokals sind überwiegend nicht religiös", sagt Ternes. "Manchen erscheint es absurd, dass das Tanzen vor Ostern verboten ist."

Bistum: Tanzen kirchlich unangemessen

 An Karfreitag bleiben Diskotheken geschlossen, an Gründonnerstag und Ostersamstag gibt es aber viele Partys. TV-Foto: Beate Kerpen

An Karfreitag bleiben Diskotheken geschlossen, an Gründonnerstag und Ostersamstag gibt es aber viele Partys. TV-Foto: Beate Kerpen



Im Jahr 2008 zählte das Bistum in den 21 Pfarreien des Dekanats Trier durchschnittlich nur rund 6500 Kirchgänger - das sind unter zehn Prozent aller Katholiken in Trier. "Kirchlich gesehen ist ein Tanzverbot an Karfreitag immer zeitgemäß, denn der Tag, der dem Gedenken des Leidens und Sterbens Jesu gewidmet ist, ist kein jubelnder Feiertag, an dem Tanzen angemessen wäre", sagt Michael Kneib vom Bistum Trier.

Dennoch räumt Kneib ein, dass das Tanzverbot für Menschen, die mit dem Karfreitag innerlich nichts mehr verbänden, unverständlich sei. "Sollte der staatliche Schutz für kirchliche Feiertage nicht mehr sinnvoll sein, weil zu wenige Christen den Gottesdienst besuchen, müsste der Staat den Feiertag abschaffen. Dies möchte aber wohl niemand." Außerdem gehöre die Mehrheit der Deutschen einer christlichen Kirche an, und selbst christliche Nicht-Kirchgänger wollten den Karfreitag ruhiger gestalten.

Meinung

Konsequent abschaffen

Das Landesgesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage birgt viele überholte Regelungen. Das Tanzverbot an vier Tagen der Karwoche ist ein besonders skurriles Relikt der historischen Verquickung von Kirche und Staat. Welcher Rheinland-Pfälzer etwa weiß bisher überhaupt, wann es gilt? Die Unkenntnis wiederum verwundert nicht, wenn Veranstalter das Verbot zum großen Teil ignorieren und dafür auch nicht behelligt werden. Die Stadtverwaltung Trier etwa muss pro forma den Anschein erwecken, das Gesetz komplett durchzusetzen. Die Lösung wäre ganz einfach: Das staatliche Verbot gehört offiziell abgeschafft, dann kann jeder nach seiner Fasson selig werden. Wenn eine Glaubensgemeinschaft ihren Mitgliedern Enthaltsamkeit nahelegen will, kann sie das immer noch tun. Wobei die Auferstehung in der Osternacht das bedeutendste Freudenfest der Kirche ist. m.hormes@volksfreund.deEXTRA Lebendige Gottesdienste: In einem Vortrag präsentierte der Trierer Soziologie-Professor Waldemar Vogelgesang das Ergebnis einer Umfrage von 2006, in der rund 50 Prozent aller Jugendlichen der Institution Kirche mit einer "gleichgültigen" oder "ablehnenden" Haltung begegneten, während sich nur rund 15 Prozent als "aktives Mitglied" bezeichneten. Vogelgesangs Fazit: "Jugendliche ziehen lebendigere Messfeiern wie Party- oder Abenteuer-Kirche vor." (beke)

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