Finanzen Die „böse ADD“ in der Höhle der Löwen

Trier · Trier pleite – ein alter Hut. Neu ist, dass die Vizechefin der Behörde, die den Etat ablehnen kann, im Ausschuss informiert.

 Neue Wege im Kampf gegen eine altbekannte Misere: ADD-Vizepräsidentin Begoña Hermann sucht das Gespräch mit dem Stadtrat.

Neue Wege im Kampf gegen eine altbekannte Misere: ADD-Vizepräsidentin Begoña Hermann sucht das Gespräch mit dem Stadtrat.

Foto: Roland Morgen

Mehr als 40 Millionen Euro Defizit weist der aktuelle Trierer Haushalt auf. Solche Zahlen will die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) auf Dauer nicht hinnehmen. Dazu informierte ADD-Vizepräsidentin Begoña Hermann im Steuerungsausschuss des Stadtrats.

Neu sind die massiven Finanzprobleme nicht, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. „Triers Kassen sind leer – Deutschlands älteste Stadt vor der Pleite“: So titelte bereits am 13. März 1962 die Neue Ruhr-Zeitung. Damals fehlten der Stadt „drei Millionen Mark, damit sie die fixen Kosten ihres Behördenapparates decken kann“.

Aktuell erläuterte Hermann auf Einladung von OB Wolfram Leibe die Herangehensweise ihrer Behörde an die Prüfung der Trierer Haushaltssatzung. Ein echtes Novum, dass sich einer der Etatchecker in die Höhle der Löwen begibt, wo so gerne über die „böse ADD“ geschimpft wird, die mit rigiden Sparauflagen der Stadt die Gestaltungsmöglichkeiten raube.

Für Begoña Hermann aber nichts Neues. Zu Jahresbeginn startete sie eine Besuchs-Tour in den Kommunen. „Wegen Corona habe ich dann einige Monate Pause einlegen müssen. Nun bin ich aber wieder landesweit unterwegs und besuche Sitzungen kommunaler Haushalts- und Finanzausschüsse“. Es gehe ihr um Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Diejenigen, die die kommunalen Haushalte beschließen – also die Stadt- oder Kreisparlamente – sollen wissen, welche Prüfkriterien die ADD anlegt und in welcher Weise sie Haushaltsdaten bewertet.

Beispiel Trier: Bei aktuell fast 850 Millionen Euro Schulden und negativen Eigenkapital stehe die Stadt mit dem Rücken zur Wand. Es sei offensichtlich, dass nicht nur Trier, sondern eine ganze Reihe rheinland-pfälzischer Kommunen ohne Unterstützung von Bund und Land diesen Schuldenberg nicht bewältigen können – insbesondere die großen kreisfreien Städte mit ihren vielen Aufgaben, die sie auch für ihren sogenannten „Speckgürtel“ erfüllen.

Die ADD betrachte bei ihrer Haushaltsprüfung nicht nur die aktuellen Planzahlen, sondern vor allem auch die tatsächlichen Jahresergebnisse, die Entwicklungen in der Vergangenheit, die Prognosen der Kommune für die kommenden Jahre und nicht zuletzt die nachhaltigen Anstrengungen der Entscheidungsträger, ihre Finanzsituation soweit es geht selbst in die Hand zu nehmen.

Im Gegensatz zu Trier verfügen andere kreisfreie Städte allerdings noch über bedeutendes Eigenkapital in dreistelliger Millionenhöhe. Trier hat leicht nachgesteuert mit der Erhöhung des Grundsteuer-B-Hebesatzes auf 480 Prozent. Damit liegt die Stadt aber immer noch deutlich hinter dem Durchschnitt der Kommunen in den Flächenländern (540 Prozent).

Eine Anpassung  in Trier an diesen Wert würde die Grundsteuer für ein Einfamilienhaus um rund 54 Euro pro Jahr erhöhen („Also weniger als fünf Euro im Monat“); für eine Drei-Zimmer-Wohnung würde die Erhöhung zu einer Mehrbelastung von monatlich 1,50 Euro führen. Das, so Begoña Hermann, „führt zwar in der Regel noch nicht zu einem Haushaltsausgleich, leistet aber mit 2,5 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen einen durchaus erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Lage“. Und es signalisiere den Bundesländern, die den rheinland-pfälzischen Kommunen aus der Schuldenmisere helfen sollen, dass die Kommune bereit sei, den eigenen Anteil zur Verbesserung zu leisten.

Die Gewerbesteuer-Hebesatz sei für die ADD als Aufsicht hingegen kein expliziter Ansatzpunkt, da die regionale Wettbewerbssituation mit anderen Kommunen oder Abhängigkeiten einer Kommune von einzelnen lokalen Unternehmen die Situation vor Ort maßgeblich beeinflussen und deshalb nur von den lokalen Akteuren angemessen beurteilt werden könnten.

Wichtige Maßnahmen zur Beeinflussung der finanziellen Situation der Stadt sind aus Sicht der ADD unter anderem die Aufstellung realistischer Haushalte („und nicht Maximalanmeldungen der einzelnen Fachbereiche“), die Überprüfung von Einsparmöglichkeiten im freiwilligen wie im Pflichtbereich, die Prüfung und Umsetzung kostensparender Kooperationen städtischer oder städtisch finanzierter Einrichtungen und last but noch least die Prüfung von Steuererhöhungen, hier insbesondere der Grundsteuer B.

Begoña Hermann forderte dazu auf, „sich Gedanken zu machen“, bevor in nicht allzu ferner Zukunft „dickster Ärger mit der Aufsichtsbehörde“ drohe. Momentan droht solches Ungemach aber nicht. Wegen der Corona-Pandemie wolle die ADD in diesem und im kommenden Jahr keinen Druck ausüben: „Nicht weil die Stadt das Geld nicht bräuchte, sondern weil die Menschen bereits genug belastet sind. Da soll nicht noch ein Steuererhöhungsverlangen zusätzlich dazu kommen. Mittelfristig aber erwarte die ADD einen ausgeglichenen Trierer Haushalt: „Wir sind die Aufsichts- und nicht die Nachsichtsbehörde.“

Der Besuch im Steuerungsausschuss soll nicht der letzte sein. Die ADD lege großen Wert auf einen kooperativen Umgang mit den Kommunen.

Reaktion des Ausschusses: viel Beifall. Jürgen Backes (CDU) erklärte stellvertretend: „Es ist der richtige Ansatz, dass die ADD als Dienstleister mit uns spricht.“

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