Geschichte Adolf Hägin und sein „deutsches Geschäft“
Trier · Das Kaufhaus Hägin ist zwar in den 1960ern zum Kaufhof geworden - doch für viele in der Region ist der Name unvergessen: Viele gehen weiterhin "zum Hägin" kaufen. Dass der Kaufmann jedoch auf eher zweifelhafte Weise zu seinem Warenhaus kam, daran hat jetzt die Triererin Jutta Albrecht in einem Vortrag erinnert.
Trier. In einem Vortrag mit dem Titel "Jetzt in arischen Händen" hat die Historikerin Jutta Albrecht im Stadtmuseum dargestellt, wie 1935 das von jüdischen Kaufleuten betriebene Trierer Warenhaus Erwege "arisiert" wurde - wie es den Besitzern abgepresst wurde durch Vertreter des nationalsozialistischen Ideals.
Ein Vorgang, der für Albrecht nichts anderes ist als "staatlich legitimierter Raub". Als sie erstmals den Namen des Nutznießers nennt, den des Trierer Kaufmanns Adolf Hägin, wirft eine Dame aus dem Publikum ein: "Das war der beste Chef, den ich je hatte!"
Albrecht nickt: Die guten Erinnerungen vieler Mitarbeiter an ihren Chef seien nachvollziehbar. Später wird sie die vielen fortschrittlichen, sozialen Vergünstigungen aufzählen, die eine Arbeitsstelle im Kaufhaus Hägin mit sich brachte. Das ändere aber nichts an der Tatsache, dass der Grundstein zum Geschäftserfolg Hägins auf extrem zweifelhafte Weise gelegt worden sei.
Zunächst begegnet die Vortragende aber der gern kolportierten Behauptung, im erzkatholischen Trier hätten die Nationalsozialisten zunächst einen schweren Stand gehabt.
Albrecht führt aus, wie kurz nach der "Machtübernahme" die Kunden des jüdischen Kaufhauses Haas von Nazis fotografiert wurden, um sich später als "Volksverräter" im "Stürmerkasten" wiederzufinden. "Reichsweit extrem früh", stellt Albrecht fest. "Und zumindest bei Teilen der lokalen Geschäftsleute hat es hohe Sympathie für die neuen Machthaber gegeben."
Albrecht zeigt Anzeigen, die bereits 1933 im Nationalblatt der Nazis geschaltet wurden, als es mit dem Volksfreund und der Landeszeitung noch "zwei seriöse Zeitungen" gegeben habe. Beispielhaft aufgeführte Inserenten sind bekannte Namen wie Joh. Nic. Müller (heute Blaue Hand), die Metzgerei Carl Blau und die Firma Hochstetter.
Albrecht vermutet, dass in diesem Klima die jüdischen Geschäftsführer Hugo Schloss und Kurt Frank wohl durch mehr oder weniger subtilen Druck aus ihrem Geschäft gedrängt wurden. Das hatte 1931 in der Fleischstraße 62 als Kaufhaus "Porta Frank und Schloss" seine Pforten eröffnet als "Einheitspreisgeschäft" der Erwege-Kette.
Solche Geschäfte, in denen alle Preise auf wenige, runde Beträge beschränkt waren, bildeten die Vorläufer der modernen Supermärkte. Albrecht zitiert den Trie rer Soziologen Thomas Lenz, der darstellt, wie die neuartigen prächtigen, sonnendurchfluteten Verkaufshallen dem Einkaufserlebnis geradezu sakralen Charakter verliehen.
Dass sowohl die Architekten der Prachtbauten wie auch die Betreiber der darin untergebrachten innovativen Geschäfte vielfach Juden waren, wurde besonders in Nazideutschland zum Ziel antisemitischer Attacken. In diesem Klima wechselte in Trier also 1935 das Erwege seinen Besitzer.
Über Kurt Frank ist bekannt, dass er nach London geflohen ist. Die konkrete Kaufsumme konnte Albrecht zwar nicht recherchieren. Aufgrund ihrer vielfältigen Forschung zu Arisierungen geht sie allerdings davon aus, dass Hägin das etablierte Geschäft zum "Schnäppchenpreis" bekommen hat. Per Zeitungsanzeige lud er anschließend zum Besuch seines Geschäfts ein - nicht ohne den Zusatz, dass das nun Porta Hägin benannte Kaufhaus als "deutsches Geschäft" sich "nunmehr in arischen Händen" befinde. In den folgenden Jahren betrieb Hägin Albrecht zufolge noch eine klar belegte "Arisierung" in Flensburg.
Albrecht prangert aber nicht nur das Unrecht der Jahre der Diktatur an, sondern auch, wie das Zustandekommen von Hägins Geschäftserfolg in der Nachkriegszeit konsequent verdrängt wurde. Dazu nutzt sie auch mehrere Ausschnitte aus Volksfreund-Ausgaben der 1950er- und 1960er-Jahre. 1956 behauptet die Firma Hägin in einer Anzeige etwa, sie habe "25 Jahre in Freud\' und Leid mit der Stadt Trier" erlebt. Damit beansprucht sie also die jahrelange Tätigkeit der faktisch enteigneten jüdischen Vorbesitzer für sich - ohne sich auch nur für die Namen der Unglücklichen zu interessieren.
Jutta Albrecht hat deren späteres Schicksal recherchiert: Kurt Frank, der zunächst ein sehr guter Schüler war und später eine Bilderbuchkarriere als Jurist gestartet hatte, lebte nach dem Krieg lange arbeits- und mittellos in London. Für die Bearbeitung seines Antrags auf eine Entschädigung für das erlittene Unrecht brauchten die Behörden im Nachkriegsdeutschland ganze 13 Jahre.