Ärger, Angst und Ausweichmanöver

Trier · Was ist dran an der Kritik, Trier sei eine fahrradunfreundliche Stadt (siehe Infobox)? Eine TV-Reporterin hat auf zwei Rädern nach einer Antwort gesucht - und Radwege gefunden, die im Nichts enden, zugeparkt sind oder Schlaglöcher aufweisen. Im besten Fall. Denn oft genug gab es schlicht keine eigene Spur für Radler. Dafür so manchen Adrenalinschub.

Trier. In der Mitte bleiben, bloß immer genau in der Mitte. Eingekesselt zwischen Autos zu meiner Linken, Autos zu meiner Rechten, Autos vor und Autos hinter mir kämpfe ich mich durch den zäh fließenden Verkehr auf der mehrspurigen Ostallee. Einen Radweg gibt es hier nicht.
Konzentration. Ein kleiner Schwenker nach rechts oder links, und ich hänge in einem Fahrzeug. Jetzt werden auch noch die Fahrer hinter mir nervös, ich spüre, wie sie sich über die langsame Radlerin ärgern.
Schluss jetzt! Ich weiche auf den Gehweg aus. Gesetz hin oder her - niemand kann von mir verlangen, mein Leben aufs Spiel zu setzen. Die Fußgänger gucken genervt. Niemand sagt etwas, aber ihre Blicken zeigen, dass auch mein gelb-schwarz-gestreiftes Tigerentenfahrrad sie nicht damit versöhnen kann, dass sie mir ausweichen müssen. Vom sicheren Boden aus beobachte ich eine Frau, die sich getraut hat: Sie radelt parallel zu einem Bus, so nah, dass mir schon beim Zuschauen graut. Ist sie mutiger als ich? Nein, ich bin vernünftiger.
Güterstraße in Trier-Ost. Auf der rechten Fahrbahnseite parken Autos, links reißt der Gegenverkehr nicht ab, auch hier gilt: Radspur? Fehlanzeige. Wieder fahre ich auf den Bürgersteig. Er ist so schmal, dass ich absteigen muss, als mir eine Frau mit Kinderwagen entgegenkommt. Kein Platz in dieser Straße.
Endlich auf dem Radweg! Doch die Freude währt nicht lange. In der Hindenburgstraße endet er plötzlich im Nichts. Ich halte an und fahre erst auf die Straße, als kein Auto mehr kommt. Mein Kalkül: Wenn ich vor ihnen da bin, nehmen mich die Fahrer eher wahr. Auch in der Parkstraße muss ich zweimal auf die Straße ausweichen, obwohl hier ein Radweg entlangführt. Einmal parkt ein Wagen mitten auf meiner Spur, dann blockiert ein Container die Weiterfahrt. Die Autofahrer hier sind achtsam. Danke!
Auf dem Moselradweg steht ein Baum mitten auf der Fahrradspur. Radler müssen hier permanent auf den Gehweg ausweichen.
Zu diesem Gestückele kommt ein Gehoppele: Schlaglöchern auf Radwegen und Straßen kann ich wegen des Verkehrs nicht immer ausweichen, also geht die Fahrt mitten hindurch. Das ist nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. Denn weil ich Fußgänger, andere Radler und Autos im Blick behalten muss, bemerke ich nicht jedes Loch voher und erschrecke mich, wenn\'s plötzlich ruckelt.
Am Ende meiner Recherchereise auf zwei Rädern bin ich froh, heil zurückgekehrt zu sein. Dort, wo es keine Radwege gibt, habe ich mich auf dem Rad nirgends sicher gefühlt. Es reicht auf den Trierer Straßen nicht, selbst alles richtig zu machen. Radler müssen sich darauf verlassen, dass auch den Autofahrern keine Fehler passieren. Ein ungutes Gefühl.Extra

Ärger, Angst und Ausweichmanöver
Foto: Friedemann Vetter

Wie sicher fühlen sich die Deutschen in ihrem Wohnort auf dem Drahtesel, wie viel Spaß haben sie im Straßenverkehr - oder wie viel Stress? Das fragen Experten in diesen Tagen überall in Deutschland Radler im Auftrag des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) und des Bundesverkehrsministeriums. Die Ergebnisse werden als Fahrradklimatest veröffentlicht. Wenn Fabian Bauer vom ADFC-Kreisverband Recht behält, wird Trier erneut weit hinter den Vorreitern wie Erlangen, Oldenburg oder Hamm zurückliegen. "Wir haben nach wie vor kein richtiges Netz, das die Fahrradfahrer komfortabel und sicher von A nach B bringt. Lange Zeit stand das gar nicht auf der politischen Agenda", sagt Bauer. Die Stadt verweist derweil darauf, Radfahrern das Leben zuletzt deutlich erleichtert zu haben. Sie öffnete die Fußgängerzone von 19 bis 11 Uhr, schaffte Hunderte Abstellmöglichkeiten, baute neue Radwege wie in der Herzogenbuscherstraße, gab Busspuren und Einbahnstraßen für Radfahrer frei - zuletzt Johannisstraße, Kutzbachstraße und das Margarethengässchen. Auch in Walramsneustraße und Loebstraße seien Radler nach den Sanierungsarbeiten sicherer unterwegs. Weitere Maßnahmen würden in das Radverkehrskonzept ein- und dann schrittweise abgearbeitet, sagt Stadtsprecher Frühauf. flor Mehr Infos zum Fahrradklimatest: www.adfc.de

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