Akten weg, Prozess vertagt

Trier · Weil die Saarbrücker Staatsanwaltschaft offenbar Unterlagen verlegt hat, musste das Trierer Amtsgericht gestern den Prozess gegen einen Rechtsanwalt vertagen. Dem 87-Jährigen wird vorgeworfen, einer Mandantin geholfen zu haben, einen ihr nicht zustehenden Nachlass vor dem rechtmäßigen Erben zu verstecken.

Was steht in dem nicht mehr auffindbaren Tagebuch eines im Jahr 2000 verstorbenen Saarländers? Glaubt man der Zeugin K. in dem Prozess gegen den Trierer Rechtsanwalt Z., dann beweisen die Eintragungen, dass der Saarländer sein mehrere Hunderttausend Euro umfassendes Erbe nicht seinem Sohn vermachen sondern für wohltätige Zwecke einsetzen wollte. Die Zeugin, eine 71-Jährige aus dem Kreis Trier-Saarburg, hatte Geld und Wertpapiere an sich genommen. Der wohltätige Zweck sollte nach ihrer Auffassung die Gründung eines "ökumenischen Zen trums für sakralen Blumenschmuck" sein - unter ihrer Leitung. Später hatte die Frau mit Rechtsanwalt Z. einen Vertrag über die Verwaltung des Vermögens abgeschlossen. Der Rechtsanwalt setzte das Vermögen für eigene Zwecke ein und zahlte der Frau monatlich rund 700 Euro aus. "Selbst wenn der Verstorbene das Geld für einen guten Zweck vorgesehen hatte - damit waren doch nicht Sie gemeint! Und tun Sie nicht so, als seien Sie die rechtschaffendste Person unter der Sonne - mit ihren Gaunereien sind Sie schließlich die Ursache für diese Verhandlung", fuhr Richter Helmut Reusch die Zeugin K. an, die sich bei ihrer Aussage häufig widersprach und recht ausschweifend, dafür aber unzusammenhängend erzählte.

Urteil im Mai erwartet



"Ich bin Anwalt und kein Blumenhändler", hielt anschließend der angeklagte 87-Jährige der Staatsanwaltschaft entgegen. Dass seine Mandantin das Erbe unterschlagen hatte und damit ein Blumenschmuck-Zentrum gründen wollte, habe er nicht gewusst. Oberstaatsanwalt Hans-Peter Hemmes bezweifelt das. Rechtsanwalt Z. sei sehr wohl bekannt gewesen, woher das Geld stamme. Schließlich habe er das Tagebuch gekannt und mit der Zeugin über die Herkunft des Geldes geredet. Etliche Schriftstücke waren bei Rechtsanwalt Z., das Tagebuch bei seiner Mandantin K. bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmt worden. Nach mehreren Zivilprozessen zwischen dem Sohn des Verstorbenen als rechtmäßigem Erben und der Zeugin K. scheinen von diesen Dokumenten allerdings nur noch Kopien - und die auch nur in Auszügen - zu existieren. "Ich vermute, die Originalakten stehen bei der Staatsanwaltschaft in Saarbrücken irgendwo falsch eingeordnet rum und keiner findet sie", erklärte Oberstaatsanwalt Hemmes, der die Akten angefordert, aber nicht erhalten hatte. Ohne, dass der Angeklagte Einblick in seine kompletten Akten - unter anderem Gesprächsnotizen mit seiner Mandantin aus den Jahren 2002 bis 2005 - erhalte, könne man von ihm nicht verlangen, sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zu äußern, erklärte Richter Reusch.

Ein Trierer Polizist soll nun bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken nach den verschwundenen Originalen fahnden und diese zum nächsten Verhandlungstag am 10. Mai vorlegen. Dann soll auch das Urteil fallen - ob mit oder ohne Akten.

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