Trierer Geschichten Als Adenauer vom Domblick schwärmte

Trier · Auszug aus dem nächsten Buch von Alt-OB Helmut Schröer: Was den ersten Bundeskanzler beim Besuch an der Mosel beeindruckte.

 Der „Adenauerblick“ vom Innenhof des Domkreuzgangs auf das historische Gebäudeensemble.

Der „Adenauerblick“ vom Innenhof des Domkreuzgangs auf das historische Gebäudeensemble.

Foto: Christian Kampmann

Was ist der schönste Ort in Trier? Die Frage wird immer wieder gestellt. Natürlich liegt es nahe, in einem Ranking der stadttrierischen Orte und Plätze den Hauptmarkt zu favorisieren. Obwohl die Auswahl in der Stadt Trier seit den 90er Jahren deutlich größer geworden ist.

Am 30. April 1992 wurde der Stockplatz offiziell übergeben. Bereits im Jubiläumsjahr 1984 wurde die Umgestaltung des Platzes an der Konstantin-Basilika fertig. Der international bekannte Architekt  Oswald Mathias Ungers hatte den Gestaltungsauftrag erhalten, und er präsentierte einen „Vorplatz“ zur Basilika. Die Aufgabe dieses Platzes war nach Auffassung des Architekten, die Einzigartigkeit der Basilika zu zeigen, Wirkung zu erzielen. Bundeskanzler Helmut Kohl übergab diesen neugestalteten Basilika-Vorplatz am 1. Juni 1984 der Öffentlichkeit.

Bereits 1979/1980 gab es erste Gespräche und eine Bürgerversammlung zur Umgestaltung des Viehmarkts. Ziel war es, die desolate Situation dieses Platzes zu beseitigen und die Neugestaltung anzugehen. Der „neue“ Viehmarkt konnte allerdings erst 1996 (!) übergeben werden.

1989 war mit den Vorbereitungen zur Neugestaltung des Domfreihofes begonnen worden. Es dauerte aber bis zum 29. März 1996.  An diesem Tag waren die offizielle Einweihung und die Übergabe des Platzes. Über einen langen Zeitraum war aus der Diskussion um den Platz eine Platanendiskussion geworden. Der Domfreihof als „Architekturplatz“ geriet zur Nebensache. Inzwischen aber wird der neu gestaltete Domfreihof von den  Trierern und den Gästen der Stadt mit Zustimmung angenommen.

Der  neu gestaltete Kornmarkt wurde am 26. März 2004 an die Trierer zurückgegeben. Auch in diesem Fall gab es eine lange, intensive Diskussion. Im Gesamtkonzept der Plätze in der Innenstadt sollte der Kornmarkt ein „Platz der Begegnung“ werden. Nach der Fertigstellung im Jahre 2004 wurde der neue Kornmarkt von Anfang an begeistert angenommen. Er war tatsächlich zu einem Platz der Begegnung geworden.

Der Hauptmarkt ist der Schauplatz ältester Trierer Stadtgeschichte. Dies ist ablesbar an der Platzstruktur, aber auch an der ihn umgebenden architektonischen Einmaligkeit. Im Jahr 958 errichtete Erzbischof Heinrich I. das Marktkreuz. Auch der 1595 errichtete Petrusbrunnen, ein wichtiges Werk der Renaissance in Trier, weist den Hauptmarkt als einen Ort des städtischen Lebens aus. Der Stadtpatron Petrus krönt den Brunnen. Hier fühlen sich die Bewohner Triers zutiefst als Trierer Bürger.

Eine Spitzenposition hat bei vielen Trierern aber auch der Domkreuzgang, und hier der Kreuzhof;  besonders der Bereich von dem Standort Südostseite des Kreuzganges. Von dort schaut man wie durch ein Fenster in die Vergangenheit; es ist ein  Blick in Jahrhunderte europäischer Baukunst. Der Eindruck wird noch verstärkt, wenn man – möglicherweise bei einem Stadtrundgang – unweit von der Fußgängerzone und dem Lärm der Trierer Innenstadt den Kreuzgang und den Kreuzhof betritt. Man befindet sich dann in einer Oase der Ruhe.

Der Trierer Domkreuzgang wurde vermutlich zwischen 1245 und 1270 von französischen Steinmetzen im gotischen Stil errichtet. Allerdings sind noch deutliche Spuren des romanischen Vorgängerbaus zu sehen. Er bildet eine Verbindung zwischen der Liebfrauenkirche und dem Dom. Stadthistoriker Gottfried Kentenich schreibt dazu: „In seinem Dom und der danebenstehenden Liebfrauenkirche besitzt Trier eine einzig schöne Baugruppe, welche in dem Stadtbilde noch heute wie einst den krönenden Mittelpunkt bildet.“

 Hoher Besuch am 30. Juni 1966 in Trier (von links): Bischof Matthias Wehr, Bundeskanzler Konrad Adenauer, Generalvikar Josef Paulus (Gesicht verdeckt), Oberbürgermeister Josef Harnisch.

Hoher Besuch am 30. Juni 1966 in Trier (von links): Bischof Matthias Wehr, Bundeskanzler Konrad Adenauer, Generalvikar Josef Paulus (Gesicht verdeckt), Oberbürgermeister Josef Harnisch.

Foto: Stadtarchiv Trier

Die unterschiedlichen Baustile prägen den Gesamteindruck. Dabei setzt sich allein der Dom auch  aus Baustilen unterschiedlicher Jahrhunderte zusammen. Dies ist vom Kreuzhof aus gut sichtbar. Kirchliche Geschichte, aber auch Stadtgeschichte bündeln sich an dieser Stelle. Domprobst Werner Rössel schreibt dazu: „Dieses Ensemble symbolisiert das ununterbrochene Zeugnis von Christen seit dem 3. Jahrhundert bis auf uns Heutige.“

Der langjährige Diözesankonservator und Leiter der Kirchlichen Denkmalpflege in Trier, Dr. Franz Ronig, zitiert in dem Bildband „Domkreuzgang und Doppelkirchenanlage in Trier“ eine Aussage des früheren Direktors des Kölner Schnütgenmuseums, Hermann Schnitzler. Der „stand einmal in der Südostseite des Gevierts und sagte: ‚Es ist in der Tat der schönste Architekturblick von ganz Europa!’“

Am 30. Juni 1966 wurde der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, in einer feierlichen Sitzung des Stadtrates zum Ehrenbürger der Stadt Trier ernannt. Im Trierischen Volksfreund hieß es: „Trier hatte gestern einen großen Tag. Unter ungewöhnlich starker Teilnahme der Bevölkerung wurde Dr. Konrad  Adenauer zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Ihm zu Ehren war die Parade, die alljährlich zum Patronatsfest stattfinden soll, auf diesen  Tag verlegt. Bei prächtigem Sonnenwetter marschierten die Kompanien französischer und deutscher Truppen an einer Ehrentribüne vorbei, auf der Dr. Adenauer mit dem Oberbürgermeister, hohen Offizieren beider Nationen, Parlamentariern und Vertretern von Behörden stand. Höhepunkt im Programm des Tages war die festliche Stadtratssitzung, in der Oberbürgermeister Harnisch dem Gast die Ehrenurkunde mit der Verleihung der Ehrenbürgerrechte überreichte.“

Vor der feierlichen Stadtratssitzung hatte Konrad Adenauer den Trierer Bischof  Matthias Wehr besucht. Nach der Besichtigung des Doms folgte ein Rundgang durch den Innenhof des Domkreuzgangs. Welchen Eindruck diese Besichtigung bei ihm hinterlassen hatte, daran erinnerte der neue Ehrenbürger der Stadt Trier zu Beginn seiner Dankrede im Simeonstift: „Zwei Eindrücke dieses hohen Tages werden mir immer unvergesslich bleiben: Der eine Eindruck war der, als ich auf dem Friedhof des Domkapitels stand und dort die europäische Geschichte von fast zwei Jahrtausenden sah, römische Baudenkmale, frühchristliche und mittelalterliche Bauwerke. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war ein so eindrucksvoller Anblick, wie ich ihn kaum jemals bekam. Der zweite große Eindruck war der Vorbeimarsch der französischen und deutschen Truppen.“

Bei Konrad Adenauer hatte der Blick auf Liebfrauen und den Dom von der Ostseite des Domkreuzgangs aus also nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Natürlich ist dieser Ort bei Trierer Stadtführungen immer wieder ein besonderer Höhepunkt. Und selbstverständlich habe auch ich bei zahlreichen Führungen den Besuch dieses Ortes genutzt, um auf die große, mehr als 2000-jährige Geschichte der Stadt hinzuweisen. Sie wird vom Domkreuzgang aus sichtbar. Es ist ein Blick voller Geschichte. Die offiziellen Erklärungen, meist unterstützt durch sehr fachkundige Gästeführerinnen oder Gästeführer, habe ich dann durch einen – zugegeben von mir erfundenen  –  Hinweis ergänzt. Konrad Adenauer soll im Domkreuzgang zu Oberbürgermeister Josef Harnisch gesagt haben: „Sagen Sie mal, Herr Oberbörjermeister, wenn isch en so einer schönen Stadt Oberbörjermeister wär, dann würd isch noch Jeld metbrenge!“  Ein solcher Hinweis fand oft Zustimmung. Zumindest aber hat er die Stadtführung aufgelockert. Es lag nahe, diesen Ort als „Adenauerblick“ zu kennzeichnen.

Anders waren häufige Hinweise, dass man durch einen solchen Ort,  einen solchen Blick auf  die große Geschichte der Stadt geerdet würde. Der „Adenauerblick“ bietet einen grandiosen Rückblick. Es wird deutlich, dass die aktuelle Situation der Stadt nur ein kleines Glied in einer langen Kette ist. Der Blick von der Südostseite des Domkreuzgangs vermittelt Achtung vor der Vergangenheit. Der Besuch des Domkreuzgangs kann dann zu mehr Demut führen.

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