Als im Metzgerviertel noch gebadet wurde

TRIER. Noch bis Anfang Herbst graben Universität und Rheinisches Landesmuseum auf dem künftigen Gelände der Trier-Galerie nach Resten vergangener Kulturen. Tausende Scherben, mehrere Brunnen, Badebecken, eine mittelalterliche Latrine, Mosaike und römische Heizungssysteme lassen auf ehemalige repräsentative Stadtviertel schließen. Erstmals konnte die Existenz eines so genannten Straßenbrunnens für das römische Trier archäologisch nachgewiesen werden.

Dutzende Kartons und Holzkisten stapeln sich in dem großen Container gleich links hinter dem Bauzaun an der Metzelstraße. Säuberlich sind die Kisten beschriftet, Zahlen und Buchstaben geben Aufschluss darüber, wo die Keramikscherben, Münzen, Knochen und Bronzestatuetten und anderen auf dem rund 6000 Quadratmeter großen Grabungsareal gefunden wurden. Die mehr als 5000 Scherben unterscheiden sich in ihrem Dekor, in Farben, Lasuren und Riefen. Manche haben Henkelansätze, andere umlaufende Vertiefungen, die auf ehemals zugehörende Deckel schließen lassen. "Die Scherben sind wichtige Funde", erklärt Archäologe und Grabungsleiter Georg Breitner von der Universität Trier. "Anhand einer ausgefeilten Keramikchronologie lassen sich all diese Formen, Muster, Farben und Brennarten einer bestimmten Produktionszeit zuordnen. Zusammen mit Begleitfunden, Estrichen und Malereiresten kann dann wiederum auf das Alter der Architektur geschlossen werden." Die glänzend lasierten Keramikscherben, die Landesmuseumsmitarbeiterin Monika Weidner gerade in einen Karton einsortiert, weisen auf die frühe Kaiserzeit um 50 nach Christus hin - die Phase, in der auf dem Gelände zwischen Fleisch- und Metzelstraße erstmals ein geradezu nobles Stadtviertel existiert haben muss. Dass die römische Hauptstraße schräg über das Gelände Richtung Süden zum Viehmarkt verlief, lässt sich heute noch an den Kiesschichten des Straßenkörpers und den angrenzenden römischen Abwasserleitungen ablesen. Dass sie ein reiches Stadtviertel durchschnitt, beweisen zum Beispiel die Reste einer römischen Wand, die einige Meter unter der ehemaligen Parkfläche der Paulinusdruckerei freigelegt wurden. Deutlich ist das strenge grafische Muster aus rostroten und gelben Streifen zu sehen, das die Innenseite der Hauswand zierte. "Das war im dritten Jahrhundert nach Christus Mode", erklärt Joachim Hupe, der für das Rheinische Landesmuseum die Grabungsleitung übernommen hat. Die bemalte Hauswand gehört zu den kostbaren Funden auf einer der größten archäologischen Grabungsstätte, die es in Trier je gab. "Auf die Wand wird eine leimgetränkte Gaze aufgetragen, durch die die Bemalung erhalten bleibt, wenn der Putz vorsichtig abgenommen wird." So erklärt Hupe, wie das römische Relikt für das Landesmuseum konserviert werden soll. Weiter östlich - in der Nähe der Fleischstraße, aber rund drei Meter unter dem heutigen Geländeniveau - ist der rotbraune Boden in regelmäßigen Abständen mit kleinen quadratischen Marken übersät. "Die Markierungen dienen als Raster bei der digitalen Aufmessung der archäologischen Befunde", sagt Hupe. Tatsächlich hat das Gelände an dieser Stelle mehrere Ebenen: Rund 40 Zentimeter hohe Steinpfeiler tragen einen 1700 Jahre alten, brüchigen Estrich eines Badehauses, das in römischer Zeit an dieser Stelle stand. Im Verlauf der "Untertunnelung" verkürzen sich die Steinsäulen immer weiter und verjüngen so den Abstand zwischen Untergrund und Estrich. Weil heiße Luft - die von außen zugeführt wurde - nach oben strömt, stellten die römischen Architekten so sicher, dass der Fußboden des gesamten Badehauses gewärmt werden konnte. "Solche Bodenheizungen - so genannte Hypokausten - und private Badehäuser konnten sich nur wohlhabende Leute leisten", erklärt Hupe. Auf dem Boden sind die Umrisse einer Wanne zu erkennen. "Diese hier war nicht beheizbar", weist Hupe auf eine ovale Ziegelestrichfläche hin. "Das muss ein Kaltwasserbecken gewesen sein - lange vor Kneipp", lacht der Archäologe. Dass das Gelände von der frühen Römerzeit bis in die Neuzeit stets dicht besiedelt war, wird da deutlich, wo die Archäologen bis auf das ursprüngliche Geländeniveau hinabgegraben haben. Unterschiedliche Mauerqualitäten - mal mit Kalkstein von der Obermosel, mal mit rotem Sandstein aus den römischen Steinbrüchen um Pallien - zeigen, wie römische Mauern in die späteren, höher gelegeneren mittelalterlichen Bauten integriert wurden. Selbst Mauern aus dem frühen 19. Jahrhundert gründen zum Teil noch auf antiken Resten. "Wir können für das Gelände flächendeckend historische Grundrisse nachweisen - und wissen dadurch einiges mehr über römische Hausparzellierungen, Baufluchten und Raumgrößen", beschreibt Breitner eine der wichtigsten Erkenntnisse der Grabungen. Auf dem Gelände der ehemaligen Paulinusdruckerei liegen Mittelalter und Römerzeit direkt nebeneinander. Grundmauern eines römischen Stadtbrunnens wurden freigelegt. "Es war klar, dass es solche Brunnenbecken, die über Leitungen gespeist wurden, gegeben haben muss. Aber so deutlich archäologisch nachweisen konnten wir in Trier bisher noch nie einen", freut sich Breitner über die wertvolle Ausgrabung. Südwestlich davon zeugen Mauern, die zusammen einen etliche Meter tiefen und beinahe quadratischen Schacht ergeben, vom mittelalterlichen Leben in Trier: Die Latrine diente mehreren Familien für die Entsorgung ihrer Fäkalien und Abfälle. "Und von Zeit zu Zeit musste die Grube dann wieder geleert werden", erzählt Hupe. Warum die das Viertel einschließenden Straßen Fleisch- und Metzelstraße heißen, erklärt ein Fund in der Nähe der Metzelstraße: Eine ganze Grube voller Schädelknochen von Rindern haben die Archäologen dort freigegraben. "Hier hatten seit dem 12./13. Jahrhundert mehrere Fleischer und Metzger ihren Sitz", erzählt Hupe von einer Zeit, in der das Gewerbe in Trier noch in kleinen Häusern zu Hause war - Jahrhunderte, bevor 2008 der Shopping-Gigant Trier-Galerie auf dem geschichtsträchtigen Gelände seine Tore öffnen wird. Die Grabungen von Rheinischem Landesmuseum und Universität laufen noch bis Ende August. Danach beginnen die Bauarbeiten zur Trier-Galerie, die allerdings weiter archäologisch begleitet werden. Derzeit laufen Gespräche mit dem Investor, C+T Development, einzelne Mauerteile und Säulenelemente in das neue Einkaufscenter zu integrieren.

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