Als St. Martin beinahe die NPD traf

Trier · Die Stadt wollte eine für den 9. November angemeldete Demonstration der NPD im Umfeld der Porta Nigra auf den 10. verlegen (der TV berichtete). Doch dort wäre der Aufmarsch der Rechten dem Martinszug mit vielen Hundert Kindern begegnet. "Das hat in der Verwaltung wohl niemand bedacht", sagt Umzugsorganisator Christian Bösen.

Trier. Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz hatte das letzte Wort: Die NPD durfte sich am 9. November in Trier versammeln. Der geplante Fackelzug wurde verboten, Fahnen ebenfalls. Am Ende stand das Häuflein Rechter auf ihrem Trierer Stammplatz, dem Simeonstiftplatz, wo sie von der Polizei abgeschirmt und von 60 Gegendemonstranten niedergebrüllt wurden.
"Das hätte auch ganz anders ausgehen können", sagt Christian Bösen, der Organisator des großen Martinsumzugs mit Hunderten von Teilnehmern und zwei Musikzügen. Denn die Stadtverwaltung hatte verfügt, dass die NPD nicht am 9. November, dem Gedenktag der Reichspogromnacht, sondern erst am 10. November demonstrieren darf. Doch an diesem Abend stand bereits der städtische Martinszug von der Karl-Berg-Musikschule durch die Paulinstraße zur Porta im Kalender.
"Das muss man sich vorstellen", sagt dessen Organisator Christian Bösen. "Ich war absolut entsetzt. Die Stadt empfahl einfach, wir sollten unseren Zug dann nicht zur Porta, sondern nach Norden führen."
Dennoch ist eine NPD-Demo mit Gegendemonstranten und Hunderten Polizisten keine gute Nachbarschaft für einen Umzug mit Laternen tragenden und singenden kleinen Kindern. "Mit Sicherheit nicht", sagt Bösen. "Ich glaube, man hat in der Verwaltung einfach nicht weit genug gedacht." Die Entscheidung der Koblenzer Richter setzte dann aber die von der Stadt verfügte Verschiebung außer Kraft und entschärfte damit das Problem. "Wir waren sehr erleichtert, auch wenn wir einen Aufmarsch der Rechten an einem so wichtigen Gedenktag natürlich nicht gutheißen", betont Bösen.
Auch die Jüdische Kultusgemeinde Trier betont, sie sei verwundert und enttäuscht über die Erlaubnis für die NPD, am 9. November in Trier aufzumarschieren. Gerade an diesem geschichtsträchtigen Tag hätte durch ein Zusammenspiel aller drei Staatsgewalten eine solche Schande verhindert werden müssen, heißt es in einer Stellungnahme.
Die Mitteilung der Kultusgemeinde im weiteren Wortlaut: Durch den Aufmarsch Rechtsradikaler sei das Gedenken an die systematische Zerstörung der Synagogen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 und die Verhaftung und Ermordung unzähliger Juden in unerträglicher Weise verschmäht worden. Nach den Erfahrungen der Nazidiktatur könnten die im Grundgesetz festgeschriebenen Grundrechte nicht hoch genug geschätzt werden. Diese zu schützen und zu wahren sei die edelste Aufgabe der Gerichte. In diesem Fall habe aber das OVG verkannt, dass die in Artikel fünf des Grundgesetzes festgeschriebene Meinungsfreiheit nicht grenzen- und schrankenlos ist. jp

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