Als Trier zur Pilgerstätte wurde

TRIER. Für die Katholiken im Bistum begann vor genau zehn Jahren mit einem feierlichen Gottesdienst im Dom eines der größten Ereignisse der jüngeren Geschichte: Vom 19. April bis zum 16. Mai 1996 pilgerten fast 700 000 Menschen zur bislang letzten Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier.

Silvester 1992, der Trierer Bischof Hermann-Josef Spital predigt im Dom - und kündigt die erste Heilig-Rock-Wallfahrt nach 1959 an. "Die außergewöhnliche Situation in unserer Welt fordert uns Christen zu außergewöhnlichen Antworten heraus", sagt Spital. Auf dem Balkan tobt ein Krieg, und der Bischof ist sich sicher: "Wir müssen der anschwellenden Welle von Hass, Brutalität und Gewalt entgegentreten, wenn sie uns nicht überschwemmen soll.""Atmosphäre tiefer Gläubigkeit"

Gut drei Jahre später eröffnet Bischof Spital mit einem feierlichen Gottesdienst am selben Ort die Wallfahrt. "Mit Jesus Christus auf dem Weg", lautet der Leitspruch, den die Katholiken im Bistum mit entwickelt haben. Im Vorfeld des Großereignisses habe es Unsicherheit und Zweifel gegeben, erzählt Bistumssprecher Hans Casel: "Ist die Zeit reif für eine Heilig-Rock-Wallfahrt? Stößt diese Form auf Hohn und Spott, oder sind die Menschen bereit, sich mit der Botschaft dieser uralten Reliquie auseinander zu setzen?" Schon nach wenigen Tagen habe festgestanden, dass die Entscheidung für die Wallfahrt richtig gewesen sei, sagt Casel. "Die Menschen haben sich auf den Heiligen Rock, dieses Symbol für die Menschwerdung Gottes, eingelassen. Es gab eine sehr ausgeprägte Atmosphäre tiefer Gläubigkeit." Atmosphäre - dieser Begriff fällt immer wieder, wenn von der jüngsten Heilig-Rock-Wallfahrt die Rede ist. Besonders das tägliche Abendlob zog die Pilger in seinen Bann, der Dom war Abend für Abend überfüllt. Diese Form des Gottesdienstes ist fester Bestandteil der alljährlichen Heilig-Rock-Tage, die 1997 als Folge der Wallfahrt entstanden und zur festen Größe geworden sind. Insgesamt 683 000 Pilger kamen in jenen Wochen vor zehn Jahren nach Trier, Hunderte Ehrenamtliche halfen bei der Organisation: Polizisten, Bäcker, Friseure, Lehrer, Hausfrauen, Studenten. Zu den wichtigsten Erfahrungen der Wallfahrt gehört für Hans Casel, dass die Menschen nach echter Mystik und Spiritualität geradezu gierten. "Und ein besonderer Höhepunkt war die Ökumene." Die Evangelische Kirche habe sich beteiligt, berichtet Casel. "Die Wallfahrt war ein Segen und wird noch lange Jahre Früchte bringen."Weltweite Medienpräsenz

Gastronomen rieben sich damals die Hände, die Stadtväter freuten sich über die weltweite Medienpräsenz Triers. Nur die Einzelhändler waren unzufrieden: Die Angst vor einem Verkehrs-Chaos hatte viele Kunden abgeschreckt, so dass statt der erhofften Mehreinnahmen unter dem Strich ein Minus stand. Davon aber spricht zehn Jahre später niemand mehr. Die Zeit hat auch stressige Erfahrungen in schöne Erinnerungen verwandelt, wie Hans Casel erzählt: "Wir haben Überstunden gekloppt, die konnte keiner mehr zählen - und es hat Spaß gemacht!"

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