"Alter schützt vor Tattoos nicht"

TRIER. Er ist ein liebenswertes Original, der "Wegbereiter der Tätowierung", Herbert Hoffmann. Stets gut gelaunt und mit rauschendem Bart. Und natürlich gibt es an seinem Körper kaum noch eine Stelle, die noch nicht tätowiert ist. Herbert Hoffmann wird 84 Jahre alt.

 Viel Farbe in der Haut: Herbert Hoffmann.Foto: Hans Michael Engelke

Viel Farbe in der Haut: Herbert Hoffmann.Foto: Hans Michael Engelke

ImTrierer Tattoo-Studio Lonien war er zu Gast, präsentierte eineTonbildschau, signierte sein Fotobuch und erzählte denzahlreichen Zuhörern aus längst vergangenen Tattoozeiten. SeinVortrag war eine Zeitreise zurück in das Nachkriegsdeutschland.1919 im ländlichen Pommern geboren, bewunderte Hoffmann schon alsKind die tätowierten Feldarbeiter und Tagelöhner, dieStraßenfeger und Müllkutscher, die Zirkusreisenden und Seeleute. Doch unter den Nazis galt der Hautstich als "entartet". Die einstmals blühende Tätowierkultur wurde ausgerottet. 1949 kehrte Hoffmann aus sowjetischer Gefangenschaft zurück und beschloss, seine tätowierten Vorbilder von damals zu suchen und "festzuhalten".

In drei Jahrzehnten portraitierte der Amateurfotograf mit seiner Rolleiflex fast 400 Tätowierte, geboren zwischen 1878 und 1952. Vom Universitätsprofessor bis zum Herrschaftsdiener, vom Maurer bis zum Scherenschleifer, sie alle haben sich von dem freundlichen Herrn mit der Kamera bereitwillig ablichten lassen. Der Blick des Fotografen und Chronisten auf die abgelichteten Menschen ist voller Sympathie, Respekt und Bewunderung. Mit seiner Sammlung hat Herbert Hoffmann ein Stück verdrängter Kulturgeschichte bewahrt.

Einige der Fotos zeigte Hoffmann bei seiner Tonbildschau und kommentierte sie in seiner eigenen fröhlichen Art. Zu jedem "Opfer" seiner Kamera fiel ihm spontan eine Geschichte ein. Die Zwischenfrage eines Zuschauers, wann dieses Foto etwa entstanden sei, konnte Hoffmann zur Freude seiner eher jungen Zuhörerschar sogar mit Tag und Monat beantworten. Mit Begeisterung erzählte Hoffman, wie er mit klopfendem Herz Tätowierte auf der Straße ansprach und unzählige Freunde auf der ganzen Welt fand.

Als er nach viereinhalb jähriger Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, begegnete ihm der Straßenkehrer Hans Krauß mit Tätowierungen an den Händen. Hoffmann: "Der kannte einen Kollegen, der ihn früher tätowiert hat. So bekam ich meine ersten, mit Handnadeln gemachten Tätowierungen, und ich war überglücklich." Hoffmann erkannte sein Talent und wurde ein "viel beschäftigter Tätowieramateur".

Vor über 40 Jahren eröffnete er dann auf St. Pauli die älteste Tätowierstube in Deutschland. 1963 war Hoffmann bei Robert Lembkes "Heiterem Beruferaten" zu Gast. "Damit", so der Tätowierer, "gelang mir der Durchbruch." In den siebziger Jahren hatte Hoffmann sein Ziel erreicht. Tätowierungen waren gesellschaftsfähig geworden, der Beruf des Tätowierers war anerkannt. Seitdem boomt das Tätowieren. Seit 1981 lebt Herbert Hoffmann in der Schweiz. Immer noch reist er von einer Tattoomesse zur nächsten quer durch Europa.

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