Am Konzept sollen alle mitarbeiten Alles unter einem Dach

Während der Trierer Stadtrat morgen aller Voraussicht nach die Einrichtung der ersten Gesamtschule beschließen wird, beginnt man am Schulzentrum Wolfsberg bereits mit den Vorbereitungen. Unterdessen kämpft die Initiative "Eine Schule für alle" weiter für einen Innenstadt-Standort. Was in anderen Regionen längst gang und gäbe ist, ist für Trier Neuland: das Modell "Integrierte Gesamtschule" (IGS), das sich als Alternative zum gegliederten Schulsystem etabliert hat. Es ermöglicht ein längeres gemeinsames Lernen.

 Zum Schuljahresbeginn 2010 könnte es im Schulzentrum Wolfsberg losgehen.TV-Foto: Archiv/Dieter Lintz

Zum Schuljahresbeginn 2010 könnte es im Schulzentrum Wolfsberg losgehen.TV-Foto: Archiv/Dieter Lintz

Trier. Der Schreibtisch von Josef Linden sieht nicht so aus, als könne er noch allzu viel zusätzlichen Papierkram verkraften. Und trotzdem dürfte auf den Leiter der Ludwig-Simon-Realschule in nächster Zeit einiges an Extra-Arbeit zukommen. Denn bei ihm laufen die Fäden für die Gründung der ersten Trierer Gesamtschule zusammen.

Linden und sein Kollege Al fred Gelz von der benachbarten Cusanus-Hauptschule haben frühzeitig Interesse an der neuen Schulform angemeldet. Jetzt erwartet sie, wenn der Stadtrat der Empfehlung der Verwaltung und des Runden Tischs folgt, ein Weg ins Neuland. "Wir müssen uns die notwendigen Grundlagen erarbeiten", sagt Linden, "und dafür brauchen wir die Hilfe anderer." Für Anfang Februar ist ein Studientag angesetzt, mit Experten aus Rheinland-Pfalz. Darunter der Koblenzer IGS-Spezialist Lutz Zahnhausen, der auch die Trie rer Initiative "Eine Schule für alle" berät.

Linden spricht es nicht explizit aus, aber die Sache hat Symbolwert: Er will die neue Schule möglichst breit verankern, auch die Initiativler einbeziehen. "Wir wollen so viel Integration wie möglich", erklärt er. Unkonventionelle, neue Formen sind durchaus gefragt. Aber das bisherige Profil seiner Schule mit einem deutlichen Schwerpunkt bei der berufsorientierten Bildung soll nicht verlorengehen. Eine zentrale Frage für Linden ist, wie es gelingen kann, "Zeit und Ressourcen für die pädagogische Arbeit zu schaffen".

Schon frühzeitig in der Entwicklungsphase sollen Eltern, aber auch interessierte Lehrer über die beiden beteiligten Schulen hinaus angesprochen werden: "Wir werden das Vorbereitungs-Jahr nutzen, um viele Außenstehende einzubinden." Linden ist klar, "dass wir im Fokus der Öffentlichkeit stehen werden". Aber nach seiner Meinung gehört die Gründung einer IGS auch "nicht in den Elfenbeinturm".

Keine Chance für Umland-Schüler?



Das öffentliche Interesse ist schon jetzt beachtlich - und durchaus kontrovers. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die "Grünen" fordern nach wie vor einen Standort in der Stadtmitte. Es sei "nicht nachvollziehbar", dass bei der Empfehlung des Runden Tischs "der Elternwille unberücksichtigt blieb". Die Lehrergewerkschaft stützt sich dabei auf eine Umfrage der Initiative, die zum einen ein großes Eltern-Interesse an der Einrichtung einer Gesamtschule, zum anderen aber auch eine klare Präferenz für eine zentrale Lage ergab.

Deutliche Kritik üben sowohl die GEW als auch die Initiative an der mangelnden Einbeziehung des Umlands. Die Verwaltung hatte beim Votum für den Wolfsberg offen damit argumentiert, dass man keinen Standort wolle, der günstig für Schüler aus dem Landkreis liege. Hintergrund ist der Fakt, dass die Stadt die Fahrtkosten für Schüler aus der Umgebung übernehmen muss. Hildegard Muriel von der IGS-Initiative fragt, "ob es eine Quote für Umlandschüler gibt oder ob sie sogar ausgeschlossen werden".

Eine Frage, an der auch der Stadtrat nicht vorbeikommt. Am Grundsatz-Beschluss pro Wolfsberg dürfte das nichts ändern: Die großen Fraktionen haben Zustimmung signalisiert. Was die von den Grünen gleichfalls geforderte zweite Gesamtschule angeht, scheint die Linie klar: Eine Entscheidung soll offen bleiben, bis klar ist, wie groß die Nachfrage beim Wolfsberg ausfällt. Trier. (DiL) 40 Jahre zieht sich in Deutschland die Grundsatz-Debatte über die Alternative Gesamtschule/gegliedertes Schulsystem hin - nun scheint sie im Gefolge der Pisa-Diskussion und der Auflösung der Hauptschule endlich von ideologischem Ballast befreit werden zu können. IGS-Kernpunkt ist die "Sekundarstufe 1" vom fünften bis zehnten Schuljahr. Anders als beim gegliederten System werden die Schüler nicht mehr mit zehn Jahren getrennt und auf separate Schulen geschickt. Die Leistungsdifferenzierung findet innerhalb der Schule statt, oft durch fachspezifische Kurse mit unterschiedlicher Leistungsstärke. Je nach Bedarf und Fähigkeiten endet die Schullaufbahn mit dem Hauptschulabschluss, der mittleren Reife oder dem Abitur. Allerdings hat nicht jede IGS eine Oberstufe - das hängt von der Größe ab. In Trier soll eine Oberstufe eingerichtet werden - wenn die Schülerzahl es hergibt. Moderne Gesamtschulen kooperieren oft mit einer Grundschule, um eine komplette gemeinsame Schullaufbahn zu ermöglichen. Auch ein Ganztags-Angebot gilt als sinnvoll, weil sich so auch ein ganzheitlicher pädagogischer Ansatz eher realisieren lässt. Das Land garantiert mit 1:25 (wie der "Realschule plus") einen besseren Lehrer-Schüler-Schlüssel als an traditionellen Schulen.

Meinung

Zusteigen, nicht schmollen

Den Standort zur Gretchenfrage in Sachen Trierer Gesamtschule zu machen, bringt nicht viel. Natürlich werden Eltern, wenn man sie fragt, eine IGS in zentraler Lage vorziehen. Das wäre aber keinen Deut anders, wenn man das Interesse an einer "Realschule plus" abfragen würde. Auch die hätten die meisten lieber in der Innenstadt. Welche Eltermeinung sollte dann die maßgebliche sein? Viel wichtiger ist, dass das Angebot für einen offenen Entwicklungsprozess, das vom Wolfsberg ausgeht, auch von allen Interessenten wahrgenommen und auf seine Ernsthaftigkeit überprüft wird. Wenn Triers erste Gesamtschule gelingen soll, braucht sie das Zusammenwirken möglichst vieler. Es wäre schade, wenn die, die den IGS-Gedanken viele Jahre in Trier propagiert haben, jetzt enttäuscht aussteigen oder auf die ungewisse Perspektive einer zweiten, "idealen" Gesamtschule setzen. Die Rahmenbedingungen werden eh schwierig genug. d.lintz@volksfreund.de

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