An Rücktritt gedacht

TRIER. Ein halbes Jahr nach seiner Gründung steht der Trierer Architekturbeirat am Scheideweg. Nachdem der Stadtrat in Sachen Paulinus-Center das Votum der Experten gänzlich ignoriert hat, stellt sich die Frage nach dem Sinn des Gremiums.

Star-Architekt Peter Kulka hatte am Donnerstagabend an der FH Trier vor einem kleinen, aber interessierten Fachpublikum gerade seinen ersten "Werkbericht" als Sprecher des Trierer Architekturbeirats abgeliefert. Da meldete sich der Grüne Dominik Heinrich zu Wort: Was denn der Beirat dazu sage, dass der Stadtrat vor wenigen Minuten alle Bedenken der Experten gegen das Paulinus-Center in den Wind geschlagen und die Planung des Investors mit breiter Mehrheit genehmigt habe. Augenblicklich war es mit der geruhsamen Stimmung vorbei. Er fühle sich und die Arbeit des Beirats "missachtet", schimpfte Kulka. Über Fenstersprossen bei Wohnhäusern dürfe man befinden, aber wenn es drauf ankomme, fänden die Bedenken keine Berücksichtigung. Fast eine Stunde wurde hoch emotional diskutiert, auch Baudezernent Dietze schaltete sich mit ungewohnter Heftigkeit ein. Seine Botschaft: Der demokratisch gewählte Rat sei nun mal autonom in seiner Entscheidung.Eigenständige Kompetenzen betont

Im vergangenen Frühjahr, als der Stadtrat die Einrichtung eines Beirats für Architektur und Städtebau beschloss, klang das noch anders. Da wurden quer durch alle Fraktionen die eigenständigen Kompetenzen des neuen Gremiums betont. Wenn der Beirat ein vorgelegtes Konzept nicht akzeptiere, müsse "nachgebessert werden oder die Stadt verweigert ihre Zustimmung", erklärte Dietze seinerzeit gegenüber dem TV . Dass der Beirat die Trigon-Planung nicht akzeptiert, hatten die international renommierten Experten im Zuge des Beratungsverfahrens hinreichend deutlich gemacht. "Planerische Krebsgeschwulst" und "abartiger Moloch", so qualifizierten sie gleich in ihrer ersten Sitzung im Juli das vorgesehene Einkaufs-Center. Man sei "nicht grundsätzlich" gegen eine Passage an dieser Stelle, erklärte Beiratsmitglied Francois Valentiny, aber keinesfalls so, wie es der Bauherr umsetzen wolle. Auch der Nachbesserungstermin im Oktober brachte keinen Konsens. Nur in Nuancen war die Trigon den Kritikern entgegengekommen, zu wenig nach Meinung des Beirats. Es drohe "eine städtebauliche Brache", befand Valentiny. Doch die Einwände des von ihm selbst eingesetzten Beirats interessierten den Stadtrat offenbar nicht sonderlich. Das Abschlussgutachten lag den Ratsmitgliedern erst am vergangenen Mittwoch vor, einen Tag vor der Entscheidung. Das reichte nicht einmal aus, um über das Votum der Experten in den Fraktionen zu diskutieren.Beiratsmitglieder zweifeln am Sinn des Gremiums

Kein Wunder, dass die Beiratsmitglieder inzwischen über den Sinn ihres Gremiums sinnieren. "Wir haben an Rücktritt gedacht", sagt Valentiny. Aber man wolle es noch einmal versuchen, "wenn die Stadt uns frühzeitig einbezieht und wir nicht erst am Ende, nachdem alles entschieden ist, noch irgendein Statement abgeben können". Als Beispiel nennt er das Bauprojekt Moselstadion, wo der Beirat "nicht noch mal das alte Spiel" akzeptieren werde. Immerhin habe "die Stadt sich dieses Kontrollgremium selbst gegeben", dann müsse sie auch "korrekt damit umgehen". Auch sonst läuft die Arbeit der Expertenrunde anders als gedacht. Im Vorfeld war besonders das "Prinzip Öffentlichkeit" (Dietze) gelobt worden, gerade die öffentliche, strittige Diskussion sei "der Anfag von echter Baukultur". Aber nur die erste Sitzung erfüllte annähernd das Kriterium der Öffentlichkeit. Danach wurde meist hinter verschlossenen Türen beraten, sei es, weil die Bauherren darauf bestanden, sei es, weil die Beiratsmitglieder lieber unter sich diskutieren wollten. Dennoch, sagt etwa SPD-Ratsfrau Waltraud Jammers, dürfe "das Projekt Architekturbeirat nicht in den Sand gesetzt werden". Das Gremium sei "absolut notwendig", allerdings müsse der Stadtrat "dringend die wirklichen Kompetenzen klären". Dominik Heinrich (Grüne) hat ein 10-Punkte-Programm zur Stärkung des Beirats vorgelegt. Kernpunkte: Mehr Transparenz und Öffentlichkeit, das Recht des Gremiums, seine Positionen im Stadtrat vorzutragen und die frühzeitigere Einbindung in städtebauliche Fragen. Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie uns. Ihre Zuschrift sollte maximal 30 Zeilen à 30 Anschläge lang sein und bis heute, 14 Uhr, vorliegen. Fax: 7199439; E-Mail: echo@volksfreund.de

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